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Diskutiert: Leicht oder robust?

Leicht oder robust? Eine Diskussion.Alex Beer von Tapir Leipzig und Hanny Steffler von Sack und Pack Düsseldorf diskutieren Leicht oder robust? „Weniger Gewicht ist ein Stück Sicherheit“, sagt Alex und Hanny erwiedert: „Robust heißt mehr Sicherheit.“ Lest hier, worauf es den beiden Experten ankommt.

Alex Beer von Tapir Leipzig: „Befreit und beflügelt, das ist reisen für mich – eben leicht. Keiner macht sich das Leben bewusst schwer, sondern immer möglichst leicht. So ist das auch unterwegs. Niedriges Gewicht bei Bekleidung und Ausrüstung befreit, erlaubt mehr Beweglichkeit und steigert den Genuss. Weniger Gewicht heißt auch schneller unterwegs zu sein. Gerade in den Bergen ist das ein Stück Sicherheit.“

Hanny Steffler von Sack und Pack Düsseldorf: „Robust bedeutet für mich mehr Sicherheit unterwegs. Passen muss es. Bequem soll es sein. Modefarben sind mir egal. Funktion ist gefragt. Viele Menschen wollen sich nur einmal eine Jacke, einen Rucksack
oder ein sonst was leisten. Das muss dann halten – möglichst ein halbes Leben lang. Darum muss es robust sein. Damit schont man nicht nur den eigenen Geldbeutel, sondern auch die Umwelt. Vor allem heißt robust aber mehr Sicherheit – und darauf kommt es doch an“

Nimm’s leicht?

Alex: Das Leben ist schwer genug. Warum also unterwegs mehr schleppen als man muss? Da macht es doch Sinn, die Ausrüstung so leicht wie möglich zu halten. Eine wasserdichte  und atmungsaktive Jacke, die gerade mal 250 Gramm wiegt? Einfach genial. Ein neues  High-Loft Fleece was nur noch halb so groß im Packmaß ist und mit 370 Gramm auch nur noch 50 % vom Alten wiegt, aber besser wärmt? Da sieht man endlich den Fortschritt. Ein Funktionsshirt mit 70 Gramm statt einem T-Shirt mit 380? Besser geht’s doch nicht. Die  Fjällräven-Hose aus G-1000 Lite statt aus G-1000. Wieder 20 % gespart.

Hanny: Mal ehrlich. Merken Sie einen Unterschied zwischen einer 250 Gramm Jacke und einer 400 Gramm Jacke? Kaum. Die 150 Gramm sind die Ersatzbatterien, die ich vor lauter Panik einpacke, obwohl ich weiß, dass frische Batterien in der LED Lampe locker eine Woche halten. Und ob ich 450 oder 550 Gramm an jedem Fuß haben, merke ich auf  der Waage, aber nicht beim Wandern. Außerdem: Rekorde will ich nicht aufstellen. Etwas langsamer heißt, gemütlicher ans Ziel kommen.

Innovationssprünge

Alex: Die Therm-A-Rest Ultralite hat damals 882 Gramm gewogen und war 2,5 cm dick. Die Prolite Plus wiegt heute nur 620 Gramm, ist aber 3,8 cm dick. Weniger Gewicht, kleineres Packmaß und dabei mehr Isolation. Das gilt für das Zelt, den Kocher, die Taschenlampe, den Schlafsack – eigentlich für die ganze Ausrüstung. Beim Fotoapparat schleppen wir ja auch nicht mehr die alte SLR mit Wechselobjektiven mit.

Hanny: Ja die Outdoor Ausrüstung und die Funktionsbekleidung ist in den letzten zwanzig Jahren doch eh schon bedeutend leichter geworden. Eine schwere 3-Lagen Jacke  wie die Trango Extreme von Berghaus hat 1995 locker ein Kilo gewogen. Heute wiegt die schwerste 3-Lagen Jacke, natürlich für den identischen Berg- und Expeditionseinsatz, mickrige 557 Gramm.

Da muss ich doch nicht verzweifelt die Ultraleichtjacke mit 360 Gramm kaufen, ich bin doch schon erheblich leichter unterwegs als früher. Muss ich das superleichte Polypropylen Shirt nehmen, in dem ich mich gar nicht wohl fühle, weil es so labberig am Körper hängt, statt auf ein universelles Merinoshirt, dass ich eine Woche nicht waschen muss, weil es im Gegensatz zu Polypropylen nicht müffelt?

Rucksack und Ausrüstung

Alex: Statt wie früher 20 Kilo schleppen, heißt es heute nur noch 10 Kilo tragen. Das befreit – im wahrsten Sinne des Wortes. Vor allem aber faktisch. Schon die Anreise mit dem Zug wird deutlich angenehmer. Kein Gepäck auf- und abwuchten, kein Platzproblem  im Abteil, weil der kleinere und leichtere Rucksack jetzt einfach ins Gepäcknetz passt oder  in den Fußbereich, keine Probleme beim Umsteigen. Das setzt sich auf der ganzen Tour fort. Der Vorteil potenziert sich auf Fernreisen, wenn die Wege länger sind, man sich am Flughafen orientieren muss, öfter auch mal eine Strecke zu viel läuft.

Hanny: Ausrüstung wird leichter. Keine Frage. Das ist Evolution. Der letzte Gewichtssprung auf Lightweight kann aber nur über weniger Details, weniger Funktion, weniger Stabilität erfolgen. Leichter kann man immer, aber es kommt doch auf die  Funktion an. Und wo ist der Unterschied, wenn ich zwei leichte Polyester-Hosen dabei habe, statt der einen robusten G-1000 Classic Hose, von der ich weiß, dass sie seit Jahr und Tag hält? Lightweight hört sich ganz nett an, ist aber doch schlussendlich nur Selbstbetrug, weil ich der leichten Ausrüstung nicht vertraue und mir eine zusätzliche  Sicherheit einpacke. Ich setze da lieber auf Zuverlässigkeit – die Evolution nehme ich aber mit.

Alex: Wenn ich weniger in den Rucksack packe, dann brauche ich auch keinen Rucksack  mit aufwendigem Tragesystem und tollem Hüftgurt, der das Gewicht besser auf die Hüften überträgt – der aber auch schon fast 3,5 Kilo wiegt. Dann reicht ein Rucksack, der für 12 Kilo ausgelegt ist und selber gerade mal mit 1.400 Gramm zu Buche schlägt. Wenn ich leichter unterwegs bin, dann muss ich auch keinen schweren und steifen Wanderschuh tragen, der mir Halt und Stabilität verleiht. Da reicht ein Leichtwanderschuh oder ein Multifunktionstreter, weil ich kontrollierter unterwegs bin und die Muskulatur nicht so schnell abbaut. Eine leichte Ausrüstung ermöglicht andere leichtere Ausrüstung.

Und was ist mit der Sicherheit?

Hanny: Nicht leicht ist Sicherheit, sondern robust, zuverlässig und warm. Sicherheit heißt nämlich nicht: Hoffen, dass alles gut geht, sondern Reserve haben, wenn was schief läuft. Die Outdoor-Bekleidung und die Ausrüstung von heute rechnet das in der Regel mit  ein – außer den extremen Lightweight Produkten. Das muss man sich bewusst machen. Die US-Amerikaner reden bei Lightweight häufig von Ausrüstung für Tageseinsätze – „done in a day“. Da braucht man natürlich nicht soviel Sicherheit. Aber was nutzt es, wenn  es am Ende des Tages heißt: „Destroyed in a Day“ – innerhalb von einem Tag kaputt gegangen.

Alex: Mit weniger Gepäck kann man am Tag mehr Strecke machen und weiter kommen. Man kann aber auch die Geschwindigkeit als Sicherheitsreserve einplanen. Wer in den Bergen beweglicher und schneller ist, kann Gefahren aus dem Weg gehen, vermeidet die nachmittaglichen Wetterumschwünge, verhindert in die Dämmerung zu kommen. Das bedeutet Sicherheit.

Nachhaltigkeit trifft auf Beweglichkeit

Alex: Weniger Gewicht auf dem Rücken, heißt außerdem noch eine geradere und gesündere Körperhaltung. Der Brustkorb ist frei, man kann besser atmen, bekommt mehr Luft und fühlt sich wohler. Das ist auf alle Fälle gesünder. Natürlich heißt weniger Gepäck auch weniger Gewicht auf dem Rücken, dem Rückgrat, den Hüften, den Knien, den Füßen. Gelenke, Knochen und Sehnen werden weniger belastet, die Muskulatur macht nicht so  schnell schlapp. Nicht zu vergessen der Spaßfaktor. Tragen statt Schleppen bedeutet auch  mal abseits der Wege gehen zu können, Querfeldeinpassagen zu integrieren, über einen Bach springen können.

Hanny: Robuster ist langlebiger. Dem wohnt eine gewisse Logik inne. Auf Langlebigkeit kommt es heute aber auch an. Stichwort Ressourcen sparen. Wenn ich eine Jacke zehn,  zwölf Jahre trage, dann relativiert sich der Energie und Rohstoffeinsatz gewaltig. Wenn  meine Jacke aber nach zehn, zwölf Monaten kaputt geht, weil das Material zwar super dünn, aber nicht so robust war, dann ist die Ökobilanz im Eimer.

Jedem sein Schlusswort

Hanny: Letztlich ist es ganz einfach Gewicht zu sparen: Weniger einpacken. Wir schleppen zuviel mit, weil wir Rückversicherungen brauchen. Hochwertige Outdoor-Ausrüstung benötigt im Normalfall keine Rückversicherung. Die Materialien sind robust, die Verarbeitungsqualität hoch und die Funktionalität groß. Wenige, etwas hochwertigere  Bekleidungsteile bringen einen weiter als viele leichte, für die man noch ein Backup benötigt.

Alex: Lightweight ist eine Einstellungssache, denn leicht heißt nicht leichtsinnig.  Lightweight heißt auch nicht Löcher in den Zahnbürstenstiel zu bohren, sondern gezielt leichtere, aber ähnlich hochwertige Ausrüstung zu kaufen und natürlich auf das eine oder andere überflüssige Stück verzichten – dann wird es nicht mal teurer.

Und was sagt ihr dazu? Eure Meinung ist uns wichtig! Schreibt sie uns und diskutiert mit!


One Response to Diskutiert: Leicht oder robust?

  1. wandersmann says:

    Elementarer Fehler: „Robust“ mit „Schwer“ gleichzusetzen. Das schwere Outdooren ist ein Anachronismus. Rucksäcke mit fast 3kg halten auch nicht ewig, oft wird Material verbaut, das altert, sei es Fiberglas, Schaumstoffe etc.

    Eine leichte, simple Ausrüstung ist unterwegs am Ende der Welt auch reparierbarer. Je nach Touren muss man sich selbstr Gedanken machen, wo ein Ausfall zur Not wird.

    Die Mechanismen eines Outdoorhändlers sind natürlich auch andere. Wir leben im Kapilalismus und der ernährt uns eben nur durch Einnahmen.

    Mich wundert, dass ausgerechnet Alex die Leichtfraktion vertritt, hat doch Sack und Pack sogar Golite im Angebote.

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