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Testbericht: Hilleberg Akto – die 1-Personen-Legende


Es gibt wohl nur wenige Zelte am Markt, deren Name in Outdoorkreisen so geläufig ist wie das „Akto“. Für mich war es das erste „richtige“ Zelt und als Student eine ziemliche Investition. Für andere ist es vielleicht immer noch ein Traum von totaler Unabhängigkeit – Akto ist das samische Wort für „alleine“. Über die Jahre wurde es einen Tick leichter, aber was soll man an Perfektion noch besser machen?

Meine ersten Touren bestritt ich mit einem Zelt Marke Hundehütte. (Wer jetzt die Firma googelt: Die Bezeichnung bezieht sich eher auf die Größe des Zeltes als auf den Firmennamen.) Es vergingen einige Touren, bis ich mir eingestehen musste, dass es so nicht weitergehen konnte. Natürlich passte alles irgendwie ins Zelt hinein. Wirklich Freude hatte ich am Tetris-spielen im Zelt jedoch nicht. Ein wenig Komfort wollte ich schon haben.

In meinem Kopf geisterte schon immer das Akto von Hilleberg herum, preislich war es jedoch kein einfaches Unterfangen, mir so ein Zelt zu kaufen. Irgendwie habe ich es im Nebenjob aber doch hinbekommen, einiges auf die hohe Kante zu legen. Als ich mein Akto dann endlich in den Händen halten konnte, war ich stolz wie Bolle.

Grönland - Hütte Nerumaq

Und nur wenig später sollte es sich schon beweisen dürfen. Ich hatte schon länger geplant, in Grönland eine Tour auf dem Arctic Circle Trail zu unternehmen. 2011 war es dann also so weit, ich flog von Berlin nach Kopenhagen und anschließend weiter nach Kangerlussuaq, Grönland.

Hilleberg

Hilleberg war nie als Hersteller für leichte Zelte bekannt, und auch wenn sie sich diesem Trend in den letzten Jahren nicht mehr verschließen konnten, liegt das Hauptaugenmerk noch immer auf Verlässlichkeit und Stabilität. Zelte von Hilleberg sind daher bei Skandinavienfans oft ganz oben auf der Wunschliste. Dass die Zelte dabei nicht mehr die leichtesten sein können, nimmt man gern in Kauf.

Konstruktion

Das Akto ist das typische Zelt für Solotouren. Seit es 1995 auf den Markt kam, wurden nur Nuancen verändert. Mittlerweile hat auch so ziemlich jede andere Zeltfirma das Akto kopiert und seine eigene Version am Markt etabliert. Mal sind diese etwas größer, leichter, noch leichter oder ein Mix von alledem. Es gibt lediglich einen Gestängebogen, von dem das Zeltgewebe in beide Richtungen abfällt. Ohne Abspannen kann das Akto also gar nicht korrekt stehen. Diese Minimalversion eines „Tunnelzeltes“ benötigt dafür 8 Heringe. Zwei weitere Heringe für die seitliche Abspannung helfen bei windigen Bedingungen.

Schweden - Lappland, nahe der Tjäktja-Hütte

Gewicht & Material

Das Akto gehört zu Hillebergs Red-Label-Zelten. Zelte dieser Kategorie sind für schwere Touren ausgelegt und können auch im Winter genutzt werden. 1,7 kg wiegt das Akto derzeit. Das Außenzelt aus silikonisiertem Nylon-Ripstop-Gewebe (Kerlon 1200) verfügt über eine Reißfestigkeit von mindestens 12 kg und hat sich seit Jahrzehnten bewährt.

Als leichte Variante des Akto hat Hilleberg das Enan konstruiert, das noch ein paar Gramm weniger auf die Waage bringt und sich ideal für Touren in wärmerem Klima eignet.

Belüftung

Die Ausstattung des Akto ist grandios. Besonders gerne nutze ich die Belüftung an den offenen Enden des Zeltes. Mit einem Reißverschluss kann das Kopf- und Fußende variabel geöffnet werden. Das führt zu einem kleinen Windkanal im Zelt selbst. Frischluftprobleme kennt das Akto daher nicht. Hinzu kommt, dass der obere Teil des Eingangs am Innenzelt ebenfalls geöffnet werden kann. Durch das dort vorhandene Meshgewebe kann die feuchte Atemluft besser in den Windkanal zwischen Innen- und Außenzelt gelangen.

Frankreich - Gluthitze, aber im Schatten ist es erträglich

Platzangebot

Als Einpersonenzelt ist das Akto großzügig bemessen und bietet auch größeren Menschen ausreichend Platz. Ich bin 176 cm groß und hatte bei der Liegefläche von 220 cm x 62 cm keinerlei Probleme. Schaut man von oben auf das Akto, zeichnet sich eine Diamantenform ab. Das unten spitz zulaufende Ende bildet die Apside (Stauraum). Hier bekam ich den Großteil meiner Ausrüstung unter. Mit dem Rucksack musste ich zwar immer etwas fummeln, dass auch ja kein Hüftgurt unter dem Zelt hervorschaut. Aber mit ein wenig Stapeln war alles regensicher untergebracht.

Maße des Akto

Das Innenzelt bietet seitlich ebenfalls etwas Stauraum, da es nicht komplett rechteckig ist. Neben der Isomatte kann noch etwas Material abgelegt werden. Und im Kopf- und Fußbereich gibt es ebenfalls noch Platz, jedenfalls bei mir. Mit einer Sitzhöhe von ca. 90 cm unter dem Gestängebogen war ich auch zufrieden, das sollte jedoch von größeren Personen unbedingt vorher getestet werden.

Zelte von Hilleberg im CAMP4 Webshop

hilleberg im camp4

Einsatzbereich

Über die Jahre hat mich mein Akto in viele Länder begleitet. Ob Gluthitze beim Kanufahren in Südfrankreich oder auf einem der vielen Seen in Schweden, ob Trekking in Lappland oder auf Island und Grönland, ein Akto macht überall eine gute Figur und steckt auch schlechtes Wetter locker weg. Meine Vorliebe gilt dem rauen Norden, doch auch im Süden kann man mit dem Akto entspannt unterwegs sein.

Schweden - Åsnen, vielleicht ein Bild für den Katalog?

Eine kleine Geschichte aus Island

2012, Laugavegur – Island. Mit einer kleinen Gruppe begebe ich mich auf den Trek von Skogar nach Landmannalaugar. Nach einem kräftigen Anstieg von 1042 Höhenmetern am ersten Tag bei miesem Wetter ist Besserung in Sicht. Aber nach nur wenigen Tagen bekommen wir in Botnar, am Emstrur, die Info, dass am nächsten Tag ein Sturm aufziehen würde. Wir gehen früh schlafen und brechen am Morgen sehr früh auf. Die Entscheidung ist klar, wir wollen vor dem Sturm am Ziel sein, die Zelte sichern und uns darin zurückziehen. Schon am Mittag erreichen wir Álftavatn (Schwanensee), bauen das Lager auf und checken unsere Zelte mehrfach. Als der Sturm aufzieht, wird uns schnell klar, dass das keine kleine Brise wird. Zum Nachmittag wütet der Sturm immer heftiger. Als bei einem Teilnehmer das Zeltgewebe reißt, muss er abbauen und in die Hütte. Nur wenig später bekommen wir die Order, dass aus Sicherheitsgründen sämtliche Trekker ihre Zelte abzubauen haben.

Der Wind machte, was er wollte

Als ich im Zelt so weit alles in den Rucksack gequetscht habe und aus dem Zelt steige, reißt mir der Wind meine Mütze vom Kopf. Mehrere Zelte um mich herum fliegen einfach davon, Handtücher und Plastiktüten wirbeln durch die Luft, die Szenerie ist vollkommen verrückt. In Windrichtung nehme ich die Heringe heraus und lasse mein Akto im Wind flattern. Bloß nicht zu viel Druck gegen den Wind aufbauen. Ich suche Schutz hinter einem kleinen Waschhaus, baue flugs mein Zelt zusammen und ziehe mich mit meinen Leuten in die Hütte zurück. Beide Gebäude sind bis zum Bersten gefüllt. Die ganze Nacht hämmert der Wind gegen die Außenwand der Hütte. Erst in den frühen Morgenstunden nimmt die Kraft ab. Als wir aus der Hütte kommen, wirkt der See wie der friedlichste Ort auf Erden. Kein Lüftchen weht, es herrscht pure Stille, die jeden Anwesenden zu faszinieren scheint. Wir schwärmen aus und suchen die Gegend nach verlorenen Dingen ab. Sogar meine Yeti-Mütze taucht wieder auf. Später in Reykjavik werden wir erfahren, dass das der schwerste jemals gemessene Sommersturm Islands war, seit es dort Wetteraufzeichnungen gibt. Windgeschwindigkeiten von 37m/s wurden erreicht, das ist Orkanstärke. Nach einem kurzen Frühstück schultern wir unsere Rucksäcke und ziehen weiter nach Norden.

 

Obwohl mein Akto auch diesen Sturm problemlos überstanden hatte, bin ich irgendwann an einen Punkt gelangt, der mich den Zelttyp wechseln ließ. Der Grund mag banal erscheinen, aber ich wollte einfach mehr Platz haben. Es gibt schöne Geschichten im Internet, in denen die Besitzer davon berichten, ihr Akto sogar im tiefsten Winter zu benutzen, aber ich muss ehrlich gestehen, dafür ist es mir nun wirklich zu klein.

Nach 5 Jahren und circa 20 Touren, die ich mit dem Akto gemacht habe, bleibt das Fazit: Ein tolles Zelt für Solo-Trekker, das Leichtigkeit und Robustheit optimal vereint.

Norwegen - Nordkap, zum Geburtstag im Norden aufwachen

Wie es mir seitdem mit meinem Fjellheimen Superlight 2 Camp ergangen ist, erfahrt ihr in meinem anderen Testbericht.

Du hast Fragen, Anregungen oder Verbesserungsvorschläge?
Schreib uns eine E-Mail: [email protected]

 


One Response to Testbericht: Hilleberg Akto – die 1-Personen-Legende

  1. Michael says:

    Klasse Bericht bzw. Testbericht!
    Er ist ausführlich – aber ohne „Geschwafel“ – und konzentriert sich nur auf das was wichtig ist zu wissen über ein Zelt, für das man sich interessiert.
    Gratulation!!!

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