Oder: Wie viel Rucksack brauch ich eigentlich?

Nach einigen glücklichen Jahren mit dem Gregory Deva, welcher wie ein gutmütiges Yak auch schwerste Lasten durch Trollheimen und Rondane schleppte aber auch ähnlich viel wog, kam bei mir der Wunsch nach einer leichteren Alternative auf. Ein Deva bringt mit ca. 2,4 Kilo Leergewicht immerhin schon 4% meines Körpergewichts auf die Waage.

Nach einigem Suchen und ausführlichem Testen und Anprobieren war meine Wahl dann auf den Osprey Exos in der 48 Liter-Version mit nur 1200 Gramm gefallen. Im Vergleich zum Gregory Deva könnte dieser kaum unterschiedlicher Ausfallen. Regencape? Nö. Schlafsacktasche, Seiten- oder Frontzugriff auf die Haupttasche? Auch nicht.  Gurte, die auf den ersten Blick erschreckend dünn ausfallen und riesige Netztaschen auf der Außeneite? Ja!

Der Exos ist also ein großer Sack mit Deckelfach, ein gutes Kilo leichter und spart dafür eigentlich an allem. Dünnere Hüftgurte, weniger Einstellmöglichkeiten um die Gurte anzupassen und generell dünnere Außenstoffe. Trotz allem bin ich der Meinung, dass dieser Rucksack mit normaler Wandernutzung trotzdem schwer kaputtzukriegen sein wird. Ein Loch im Netzstoff kommt bestimmt mal vor, aber aus Zucker ist er nicht. Ein wenig bedachtere Nutzung beim Aufsetzen könnte dennoch nicht Schaden um die Gurte zu schonen.

Ein Paar Gedanken zur Praxis

Der Rucksack ist merkbar leichter und das Netztragesystem kühlt ein bisschen besser. Aber alles ist ein Kompromiss und deshalb trägt sich der Exos am besten mit 12-14 Kilo. Viel mehr können die doch recht dünnen Hüftgurte nicht aufnehmen. Wer regelmäßig mit mehr als 15-19 Kilo durch Sarek oder Hardangarviddar stapft, ist mit etwas stabilerem und schwererem à la Osprey Aether oder Bach Specialist wahrscheinlich angenehmer unterwegs. Und der luftige Netzrücken bedeutet auch, dass der Rucksack auf einem steilen Bergpass einen weiter vom Körper entfernten Schwerpunkt hat, als ein eng anliegender Deuter Air-Contact. Für steilstes Gelände und Klettersteige also nicht ideal, aber tauglich.

Ob ein Rucksack gut funktioniert hängt vor allem von den eigenen Anforderungen ab. Die fehlenden Reißverschlusstaschen und Zugriffsmöglichkeiten sind mir persönlich egal. Ich habe das optionale Deckelfach ebenfalls entfernt und hab damit nun effektiv einen großen Packsack mit Netztaschen. Die seitlichen Netztaschen sind dafür auch von vorne erreichbar und erschreckend voluminös. Ich kann also alles Wichtige direkt beim Wandern raus nehmen. Mütze, Sonnenbrille, Schlauchschal, Erste-Hilfe-Set, Grödel, Rettungsdecke, Kopflampe und Windjacke wohnen alle in meinen geräumigen Seitentaschen. Hinten im Netz sind Wasserfilter und Regenkleidung für den häufigen Gebrauch. Tipp: wer seine Schuhe clever auf der Vorderseite einbindet, kann den Rucksack auch zum eigenständig stehen bringen.

Dass sich die Trekkingstöcke auf der Vorderseite unterhalb der Arme befestigen lassen, ist ein Feature was ich nicht mehr missen möchte. Man ist bei schwierigen Wanderpassagen nicht auf eine zweite Person angewiesen und muss den Ruckack nicht erst absetzen, um die Stöcke verstauen zu können.

Das minimalistische Packsystem gibt den Anwendungsbereich vor. Der Exos eignet sich demnach besser für Wandernde, welche jeden Tag den gleichen Routinen nachgehen, als für Weltreisende, die jeden Tag etwas Anderes aus dem Rucksack kramen müssen.

Im Vergleich zu sogenannten ultraleichten Rucksäcken ohne jegliche Polsterung finde ich das Rückensystem des Exos sowohl in den Einstellungsmöglichkeiten, als auch bei der Atmungsaktivität merklich besser, daher eine gute Option für Ultraleichtneugierige. Wer sehr lange Trekkingtouren macht, ist aber mit der breiter geschnittenen 58l Version meist besser beraten.

Nun zum Packen von einem minimalistischem Rucksack

Ganz unten im Rucksack wird alles verstaut, was auf der Wanderung nicht gebraucht wird. Essensreserven für die übernächsten Tage sowie das klassische Schlafsetup finden hier in wasserdichten Packsäcken ihren Platz.

Darüber kommen die häufiger genutzten Sachen wie der Kocher und die Elektronik. Direkt oben ist noch die Isolationsjacke für Pausen verpackt, da wird der Rucksack ja sowieso abgestellt.

Aus dieser Taschenarmut ergibt sich die Frage nach dem richtigen Trinksystem. Das ist zwar Geschmackssache, aber manchmal muss der Geschmack der Funktionalität folgen. Wer die Seitentaschen so vollstopft wie ich, hat schlicht keinen Platz mehr für Flaschen an der Seite. Zweitens sollten schmal gebaute Menschen auch beachten, dass sie Arme haben, welche lieber schwingen sollten als gegen Flaschen zu stoßen. Eine Trinkblase mit Schlauch ist in solchen Fällen meist die Antwort.

Meine hauptsächlichen Kritikpunkte wurden im Neudesign 2022 auch schon behoben. Der Exos hat jetzt (wieder) Taschen am Hüftgurt für Riegel, Handys und Kompaktkamera. Außerdem ist er jetzt in der Größe verstellbar und hat wieder minimal breitere Riemen bekommen. Mein eigener zeigt dennoch keine massiven Abnutzungserscheinungen.

Einen Regenschutz hat der Exos nicht. Da er nur ein großes Fach besitzt, ist es sinnvoll ihn entweder mit einem großem Packsack (Packliner oder Müllsack) auszukleiden oder die Sachen gleich in wasserdichte Packsäcke zu organisieren. Das erspart dann auch das hadern ob man bei einsetzendem Regen nun das Regencape rausholt und die Panik um den Daunenschlafsack im Wolkenbruch.

Fazit: Ein leichter Rucksack mit tollen Features und federweichem Tragesystem für alle, die ihr leichtes Material routiniert durchorganisiert haben. Alle anderen holen sich ein gutmütiges Yak mit vielen Taschen.