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Testbericht – VAUDE Zerum 38 LW


Abgespeckt bis zum Gehtnichtmehr oder gear-gantisch? Der Leichtgewichtsrucksack Vaude Zerum 38 LW

Gleich vorab: der Zerum ist kein Hauptrucksack oder Allround-Packesel für den Alltag. Er ist Zweit-, Dritt-, Viert- oder mehr –Rucksack. In meinem Fall ist es aktuell der achte, stelle ich mit einem gedanklichen Räuspern fest. Die große Frage, die sich daher stellt: braucht die Welt diesen Rucksack?

Vaude Zerum 38 LW fast voll bepacktLeicht kennt man, und sonst so?

Der Trend des Ultralight ist seit Jahren rasant zunehmend und bisweilen eine Lebenseinstellung oder gar Glaubensfrage. Gewicht beim Equipment zu sparen, ist allerdings nicht nur für Jedermann verlockend, sondern wird immer einfacher, seitdem immer mehr Hersteller auf den Leichtgewichtszug aufspringen. Mit dem Zerum reiht sich neuerdings Vaude in die Riege der Leichtbauer ein und präsentiert mit ihm einen fast kompromisslos auf leicht getrimmten Rucksack. Aber nur „fast kompromisslos“, da Vaude in einem entscheidenden Punkt aufs Gewicht zwar achtet, aber eben nicht Verzicht übt: dem Tragesystem.

Und genau das macht für mich den Zerum 38 so interessant: Sehr leicht und schlank gehalten, verlangt der Rucksack dem Träger keine Leidensfähigkeit ab.

Die Stärken

Immer aufrecht dank versteiftem RückenDer Zerum zeichnet sich vor allem durch drei Dinge aus: Volumen und Leichtigkeit in Kombination mit einem respektablen Tragesystem, das sogar verstellbar ist. Die nackten Daten geben 38 Liter und 860 g an. Damit kommt der Leichtgewichtler für eine ganze Reihe an Aktivitäten in Frage, bei denen man wenig Gewicht bei gleichzeitig großzügigem Platzangebot wünscht. Zumal die Kletterrucksack ähnliche Grundform viel Bewegungsfreiheit erlaubt.
In meinem Falle sind das Kurztrips mit Mountainbike und Hundeanhänger, bei denen ich Zelt und Isomatte auf den Hänger verstauen kann. Oder aber lange Tageswanderungen bis 30 km, bei denen ich Isolation, Regenschutz, Verpflegung etc. dabei haben mag und ein schwerer Rucksack  einfach unnötig wäre.

Ziehen am Deckel und dem innovativen Kordelstopper öffnet im HandumdrehenNeben diesen Vorteilen schätze ich persönlich die Hauptöffnung mit wenig Schnickschnack, die einen schnellen Zugriff aufs Innere erlaubt: eine Schnalle und ein spezieller Kordelzug (bei den größeren Modellen sind es dann zwei Schnallen). Grad bei Tageswanderungen muss man doch mal öfter an die Sachen. Hier öffnet man eine Schnalle und kann mit einer Hand den Kordelzug lösen – ganz simpel.

Der Blick ins Detail

Dass der Zerum 38 LW nicht einfach nur ein weiteres Ultralight-Produkt ist, lässt sich mit einem genaueren Blick flott feststellen. Neben der bereits erwähnten nützlichen Hauptöffnung hat Vaude auch am Deckelfach gezaubert. Die darin befindliche Stautasche für Kleinkram wie Handy, Börse usw. hat nämlich zwei Reißverschlüsse, einen außen und einen innen. Das Deckelfach erlaubt somit klassisch Zugriff im geschlossenen Zustand, aber auch, wenn man im offenen Rucksack rumkramt – eine praktische Sache!

Deckeltasche ist bei offenem und geschlossenem Rucksack zu erreichen

oder man kann die Hand durchstecken

 

 

 

 

Der Rest der Ausstattung ist reduziert und filigran, aber dennoch ausreichend. Wanderstockhalterung, Fixiermöglichkeiten außen und Taschen an den Seiten bieten viel Nutzerfreundlichkeit. Die Seitentaschen sind darüber hinaus unterschiedlich gestaltet, indem die linke wie üblich einfach senkrecht ausgerichtet ist und Flaschen in ordentlicher Größe aufnehmen kann. Die rechte ist hingegen zum Träger ausgerichtet, womit eine etwaige Flasche nicht zu groß sein darf. Ich mag eher zwei gleich große senkrechte Taschen. Dafür kann die Tasche aber auch für Mütze, Buff und Co. genutzt werden. Die Seitentaschen sind letztlich Geschmackssache wie auch die vorhandene Vorbereitung für ein Trinksystem.

Die rechte Seitentasche schluckt locker Hundeleine, Buff und OR Radar Cap

Die Trinksystemtasche ist für Dokumente zu schmal

 

 

 

 

 

 

 

Sehr erfreut bin ich, dass der Zerum auf dem Rad überhaupt nicht mit dem Helm kollidiert und zudem nur am unteren Rücken und den Schultern aufliegt. Dazwischen hat der Rücken viel Frischluft zu erwarten, was besonders in Action sehr angenehm ist. Das hätte ich nicht erwartet, aber zählt als dicker Pluspunkt.

Die Schwächen

Ich mache keinen Hehl daraus, dass dieser Rucksack mich überzeugt. Es wäre aber vermessen zu denken, er könne alles. Konzeptionsbedingt sollte keine Robustheit herkömmlicher Daypacks oder gar Tourenrucksäcke erwartet werden. Vaude verbaut zwar vorbildlich als Hauptstoff 70-D-Ripstop-Nylon, das nicht so leicht weiterreißt, aber natürlich ist dieses sehr dünn. Vor die Wahl gestellt, ob man sich durch ein dorniges Gestrüpp kämpft oder doch lieber den Umweg drumherum nimmt, sollte die Antwort klar sein. Sollte man doch gezwungen sein, den Rucksack grober behandeln zu müssen, kann man auch eine Regenhülle als Schutz anlegen (übrigens nicht dabei).

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Ähnliches gilt für alle Schnallen und Kleinteile, die freilich funktionieren, aber sehr klein und leicht sind – man sollte sie nicht auf Gedeih und Verderb beanspruchen. Für mich ist das jedoch kein Nachteil, sondern ein vorauszusetzender Aspekt eines so leichten Rucksacks dieser Größe.

Vaude verarbeitet leichtes 70 D Ripstop (heller) und robusteres 200 D cross stitch Ripstop (dunkler)

Auch wenn es bei der Machart kaum anders zu machen ist, nervt es ein bisschen, dass der Rucksack wenig befüllt keine Form behält. Das heißt, es fällt innen alles nach unten und der Zerum selbst wird dann unästhetisch sackig, wo ein Wassertropfen hübsch wäre. Tragen ist noch super, nur wird’s dann hinten ein bissel schlackerig. Ebenfalls eine Folge des dünnen Stoffes. Selbiger macht die Bedienung des Deckelfachs darüber hinaus nur in abgesetzten Zustand möglich. In einer Hand den Zerum halten und mit der anderen das Fach aufmachen, ist einfach zum Scheitern verurteilt. Ebenso wird´s fummelig, wenn der Verschlussgurt sehr festgezurrt ist.

Zu guter Letzt hätte Vaude ruhig noch eine zweite Tasche am Hüftgurt unterbringen können, das hätte den Braten, sprich den Zerum, nicht wirklich fett gemacht.

Für wen eignet sich dieses Leichtgewicht aber nun?

Wenig befüllt neigt der Zerum zur TropfenformEs ist bedeutend einfacher zu sagen, für wen er sich NICHT eignet. Für Ultragrammfuchser dürfte der Zerum noch zu schwer sein, was vor allem an dem tadellosen Tragesystem liegt, auf das ich nie verzichten wollen würde. Lieber ein paar mehr Gramm, die man nicht spürt, als weniger, die jedoch auf jeden Meter spürbar sind. Zumal die Steifheit des Zerums das Packen deutlich entspannt:  einfach reinschmeißen erlaubt, ohne dass es am Rücken piekt und drückt.

Der Zerum 38 ist auf der Gegenseite weniger geeignet für Outdoorer, die nur schwerlich auf ihre dicke Thermoskanne, die allen Unwetter trotzende Schwergewichtsregenjacke, 2 kg Obst oder zig Komfort-Utensilien wie einem Regenschirm verzichten können. Ebenso wenig sei der Leicht-Rucksack für Leute empfohlen, die nur wenig auf ihr Equipment achten können oder wollen  – weniger Gewicht, weniger Nehmerqualitäten.

Ein optionales Raincover schützt vor Regen, aber auch bei härterem EinsatzDer Rucksack wird genau da eine gute Figur machen, wo bereits ein paar ultraleichte Sachen (eine leichte Isolation wie die Norröna Falketind Alpha 60 beispielsweise) vorhanden sind und das Volumen füllen, ohne über die Maßen zu beschweren. Vaude gibt vorsichtig 3-8 kg ideale Beladung an, aber etwas mehr geht auch.

Auch wenn er nur für Personen bis ca. 1,75 m empfohlen wird, habe ich mit rund 1,87 m keine Probleme mit dem Rucksack. Unter 40 l ist es sowieso schwer für mich Rucksäcke mit Hüftgurt weit unterm Bauchnabel zu finden. Der Zerum passt mir in dem Segment besser als jeder andere, den ich bisher probiert habe, und reicht problemlos bis zum Hüftknochen. Im Zweifel ist die Anprobe vor dem Kauf zu empfehlen.

Fazit

Vaude hat den Zerum mit PFC-freien Eco Finish imprägniert – wasserdicht ist er natürlich nicht

Vaude präsentiert mit dem Zerum 38 LW einen Rucksack mit originellen Ideen , der im Leichtgewichtssektor vor allem durch ein sehr funktionelles Tragesystem hervorsticht. Dazu ist er für eine ganze Reihe an Outdoor-Aktivitäten geeignet, wo es nicht zu grob zugeht. Der Zerum ist jedenfalls alles andere als ein Ultraleicht-Trittbrettfahrer, sondern ein durchdachter Backpack mit eigenständigem Profil.

Der Preis ist mit 149,95 Euro durchaus beachtlich, aber wenn der Zerum 38 LW in das Anwendungsspektrum passt, dann ist er jeden Cent wert.


3 Responses to Testbericht – VAUDE Zerum 38 LW

  1. Martin Frick says:

    Super Bericht über den Rucksack!
    Ich habe ihn selber auch im Einsatz und finde, du hast die Stärken und Schwächen gut getroffen!

  2. Paul von Maltzahn says:

    Danke für den ausführlichen Bericht! Eine Frage noch: ist der Hüftgurt demontierbar?

    Gruss, Paul

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