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Camp4 Outdoor Academy im Ötztal

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Im Herbst 2021 sind wir – 8 Mitarbeiter des Camp4 – ins Ötztal aufgebrochen, um unser doch recht unterschiedliches Outdoor-Wissen zu erweitern und aufzufrischen. Jeder von uns hat verschiedenste Erfahrungen außerhalb der eigenen Komfortzonen gemacht. Und so hatten wir drei Tage und Nächte Zeit für regen Austausch.

Ich selbst bin in allererster Linie Sportkletterer aus dem Frankenjura und VW-Bus-Camper. Wenn ich mehr als zwei Tage frei habe, setzte ich mich in meinen T4, fahr in die Fränkische und klettere so viel ich kann. Abends Schweinsbraten, fertig ist die Laube. Meine persönliche Komfortzone ist also eher klein.

Weder hatte ich jemals das Vergnügen, mit Steigeisen über einen Gletscher zu laufen, noch habe ich besonders häufig (und noch dazu freiwillig) ohne Zelt und ohne Bus im Freien übernachtet. Zeit also, das auszuprobieren.

Zudem bin ich recht skeptisch gegenüber Ausrüstung, die ich noch nicht benutzt und ebenso wenig vermisst habe. Ich habe eine tiefliegende Abneigung gegen regendichte Kleidung, Trekkingstöcke und Trockenfutter. Also jede Menge Vorurteile, die es zu hinterfragen galt.

Aufstieg

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Nach der Anreise im gemieteten Bus ging´s vom Parkplatz hoch zu unserer Unterkunft. Der Winterraum der Amberger Hütte auf 2135 Meter war Ziel der ersten Etappe. Ohne den 18 Kilo schweren Rucksack wäre es ein entspannter Spaziergang gewesen. So war es aber doch recht schweißtreibend.

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Gute Gelegenheit, um die Leki Stöcke Micro Vario Carbon Strong meines Kollegen zu testen. Grundsätzlich fand ich die Dinger mit dem schweren Rucksack recht hilfreich. Sie entlasten die Knie (meine sind auch schon fast 50…) und helfen, bei engeren Passagen das Gleichgewicht zu halten. Zudem sind sie im Handling recht angenehm, schnell verstellt dank Speed Lock und auch der lange Griff hat sich beim Wechsel von flachen zu steileren Passagen bewährt.

Da gute Fotos machen aber auch auf der ToDo-Liste stand, sind mir die Stöcke doch ziemlich schnell lästig geworden. Gerade bei wechselhaftem Wetter und sich bewegenden Personen im Bild muss man einfach schnell sein, um schöne Momente im rechten Licht zu erhaschen. Auf ebener Fläche schmeiß ich die Stöcke dann einfach auf den Boden. In steilerem Gelände eher keine gute Idee. Die Handschlaufen benutzen und einfach baumeln lassen hat für mich auch nicht geklappt. Ein Karabiner an der Schulterschlaufe des Rucksacks ist es dann geworden. Die Fummelei war mir aber bald zu viel.

Sicher kann man sich da was Besseres einfallen lassen. Für mich persönlich war der Mehrwert aber überschaubar und ich werde weiter ohne Stöcke gehen. Mit noch älteren Gelenken wird sich da aber sicher noch was ändern.

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Oben angekommen gab es ´ne kurze Verschnaufpause. Ein Haferl Kaffee, Material sortieren, Lager beziehen. Und weiter zu Tagesordnungspunkt 2:

Klettern

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Auf dem Plan stand Sportklettern mit Materialkunde, Standplatzbau und Sicherungstechniken. 10 Gehminuten von der Hütte entfernt gibt es einen kleinen Klettergarten mit gut abgesicherten Sportkletterwegen in unteren Schwierigkeitsgraden. Also auch ein gutes Testgelände für die weniger geübten Kletterer unter uns.

Um den Schwierigkeitsgrad und auch das Vergnügen etwas zu erhöhen, habe ich die Kletterschuhe im Rucksack gelassen und die Routen mit den bedingt steigeisenfesten Bergschuhen Crow GTX von Salewa geklettert. Die sind eine sehr gute Mischung aus Trekkingschuh und Bergstiefel, passend für halbautomatische Steigeisen. Sowohl der Aufstieg zur Hütte als auch die Klettereien bis zum vierten oder fünften UIAA-Grad haben damit problemlos geklappt. Wer also viele verschiedene Bergtouren in 2022 vorhat, sollte sich den Schuh bei uns mal anschauen.

Das war für mich schon fast alles, was es zu lernen gab. Standplatzbau in Mehrseillängen mal wieder aufzufrischen war super und hat mich auf jeden Fall motiviert, im Frühjahr auch mal wieder ein bisschen was längeres zu klettern.

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Einen Ausrüstungsgegenstand möchte ich euch LeserInnen aber doch noch ans Herz legen: Den Black Diamond Personal Anchor, eine variable Selbstsicherungsschlinge. Das Teil besteht aus fünf einzeln vernähten Schlingen und erleichtert den Standplatzbau vor allem bei etwas komplizierteren Bedingungen enorm. Bisher war mir das immer zu viel Gebamsel am Gurt, und eine abgeknotete Schlinge tut´s auch. Mittlerweile hab ich es aber lieb gewonnen. Das Umbauen am Anker geht schneller, ist übersichtlicher und deswegen auch sicherer.

Der erste Tag war damit zu Ende und ich muss zugeben, ich war ganz schön platt. Den Erklärungen meines Kollegen Nick, der beim Klettern den Hut aufhatte und den Kursleiter gab, konnte ich am Ende nicht mehr folgen. Ich war müde und die gezeigten Knoten bildeten sich nach und nach in meinem unterzuckerten Hirn. Also ab in die Hütte.

Für den ersten Abend versorgten wir uns gemeinsam mit Nudeln und Pesto, der Trockenfutter-Check musste also bis morgen warten.

Der Winterraum der Amberger Hütte ist zwar recht gut ausgestattet. Allerdings wird’s, wenn acht Kollegen in den Kojen liegen, doch recht kuschlig. Ein guter Zeitpunkt also, um den nächsten Schritt aus der Komfortzone zu machen:

Draußen schlafen

Für mich war das tatsächlich das erste Mal freiwillig bei Minusgraden ohne VW-Bus oder Zelt um mich herum. Und um es gleich vorweg zu nehmen: Es war großartig. Mein oller Daunenschlafsack von MacPac, lange vor meiner Anstellung im Camp4 in eben diesem gekauft, hat super funktioniert.

Die Isomatte Therm-a-Rest NeoAir Xlite hat mir ein Kollege geliehen. Meine eigene hat Luftkammern in Liegerichtung, also längs. Das find ich sehr unbequem. Die NeoAir hat quer zum Körper verlaufende Kammern, das habe ich als sehr komfortabel empfunden. Auch auf der Seite lässt es sich auf dem Ding sehr gut schlafen.

Es müssen so um die Null Grad oder leicht darunter gewesen sein. Aus Unerfahrenheit hab ich mich ziemlich warm eingepackt, mit langer Unterhose, T-Shirt, Fleecepulli und Mütze. Irgendwann in der Nacht bin ich dann aufgewacht, weil es einfach zu warm war. Pulli aus und Schlafsack ein bisschen aufgemacht, dann war alles perfekt. Ne leichte Brise um die Nase, das Plätschern der Quelle nebenan, da konnte ich auch schnell die noch nicht geleerte Mülltonne neben mir ignorieren.

Für die übrigen zwei Nächte bin ich gleich auch noch draußen geblieben. Am letzten Morgen bin ich dann, geschützt unter dem Vordach der Hütte, in einer völlig eingeschneiten Ötztaler Landschaft aufgewacht. Postkartenkitsch vom feinsten.

Aber zurück zu Tag 2:

Klettersteig

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Am zweiten Tag haben wir Vierergruppen gebildet. Die eine ist mit Bergführer in Richtung Gletscher aufgebrochen. Die erfahreneren Kletterer haben zusammen den nahe gelegenen Klettersteig mit anschließendem Gipfel knapp unter 3000 Meter gemacht.

Gute Gelegenheit, verschiedene Klettersteigsets auszuprobieren. Ich habe mich für das Edelrid Cable Kit 6.0 entschieden. Ein sehr komfortables Set mit leichtem, kompaktem Bandfalldämpfer, der kaum stört. Auch eine eigene kleine Rastschlinge ist integriert. Damit spart man sich einen zusätzlichen Ankerstich in der Einseilschlaufe.

Das fehlende Gelenk, um ein Verdrehen der Arme zu mindern, ist mir nicht negativ aufgefallen. Wenn man mal den eigenen Rhythmus gefunden hat, gibt’s auch keine Knoten. Die beiden Karabiner sind für meine mittelgroßen Hände angenehm zu bedienen, sodass es keine blutigen Knöchel gab. Das Cable Kit entspricht natürlich der seit 2017 gültigen Norm für Klettersteigsets und ist somit für Personen von 40 bis 120kg Körpergewicht zugelassen.

Die Schuhe hatte ich weiter oben ja schon erwähnt. Auch hier haben sie mir gute Dienste geleistet.

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Eine unter uns Kollegen im Vorfeld entbrannte Diskussion, welche Schuhgröße denn nun die empfehlenswerteste ist, will ich hier noch kurz anreißen, weil sie exemplarisch für alle Outdoorvorhaben und Ausrüstungsgegenstände herhalten kann.

Bei Berg- und Wandertouren gibt es nicht nur eine einzelne Anforderung an einen Bergschuh. Es gibt flache Passagen, bei denen zum Beispiel ein angenehmes Abrollverhalten im Vordergrund steht. Steile Anstiege auf kleinen Tritten erfordern einen kompakten und stabilen Vorderfußbereich, der sich gut belasten lässt. Runter soll es auch wieder möglichst angenehm gehen. Bei stundenlangem Bergabwandern sollte man möglichst nicht mit den Zehen vorne anstoßen. Das kann richtig kacke werden.

All diese Anforderungen widersprechen sich zum Teil und sind nur schwer in einem Schuh zu vereinen. Am Ende ist es wie immer: Wer sich dazu entschließt, die eigenen vier Wände zu verlassen, ist, direkt nachdem die Tür ins Schloss gefallen ist, immer auf der Suche nach dem bestmöglichen Kompromiss. Es gilt Prioritäten zu setzen. Wer für jede potentielle Situation das beste Equipment dabeihaben will, schleppt am Ende 12 Paar Schuhe auf den Berg.

Ich kann hier nur unsere sehr erfahrene Schuhabteilung empfehlen, die euch den richtigen Schuh für eure Unternehmungen empfehlen kann. Nehmt euch etwas mehr Zeit mit und löchert die Berater mit allen sinnigen und unsinnigen Fragen. Das gilt natürlich auch für alle anderen Abteilungen.

Wer akzeptiert, dass man draußen auch mal friert, schwitzt, es hier und da mal drückt oder ein bisschen nass wird, lernt das auch irgendwann zu schätzen. Ich mag meinen VW-Bus immer noch, nur schlafe ich jetzt trotzdem öfter draußen.

Zurück in der Hütte war es dann Zeit für das nächste Vorurteil:

Trockenfutter

Im Camp4 gibt es eine recht große Auswahl an Trekkingnahrung von verschiedenen Herstellern. Neben selbst zusammengemischtem Müsli hab ich mir also ein großes Potpourri des guten Geschmacks zusammengestellt. Ich bin jetzt sicher kein Sternekoch oder Ernährungsberater, aber meine Liebe zum fränkischen Essen hatte ich weiter oben ja schon erwähnt. Meine Meinung basiert hier also lediglich auf persönlichem Geschmack. Aufgrund des nicht zu geringen Preises der einzelnen Gerichte waren meine Ansprüche und Erwartungen aber schon recht hoch.

Die Produkte von Adventure Food um sieben Euro sind vergleichsweise günstig. Ich hatte Pasta alle Noci und Cashew Nasi dabei. Beides ist genießbar, mehr aber auch nicht. Mit mitgebrachten Gewürzen lässt sich das Ganze noch aufhübschen. Aber ehrlich gesagt muss man schon ganz schön ausgehungert sein, um das Zeug zu genießen.

Um einiges besser hat mir das Chicken Curry von Real Turmat geschmeckt. Wenn man die Zubereitungsempfehlung genau befolgt und nicht zu ungeduldig ist und das Trockenfleisch wirklich ordentlich durchziehen lässt, würde ich das auch in einem guten Imbiss in Berlin akzeptieren. Mit fast 11 Euro natürlich etwas teurer, aber für mich lohnt sich das.

Was für mich persönlich als Kaffee-Junki gar nicht geht, ist Trockenmilchpulver. Auch im Müsli ist das keine Option. Ich überfalle lieber eine Kuhherde als nur noch einmal dieses wässrige, weißliche Zeug zu trinken.

An dieser Stelle muss mein Kollege Paul erwähnt werden. Am späten Nachmittag des zweiten Tages war sein „sportlicher Ehrgeiz noch nicht ganz gestillt“. In meinem Alter schwer nachzuvollziehen, ist er mit leichtem Rucksack und einem Einkaufszettel nochmal ins Tal gejoggt und hat für jeden von uns Vergessenes oder Gewünschtes mitgebracht. Für mich einen Liter lebensrettender Milch. Danke Paul.

Wer von euch genauso wählerisch beim Essen ist wie ich, sollte sich den Artikel über Trekkingfood von Enrico durchlesen. Dort findet ihr hilfreiche Tipps und Tricks zum Kochen auf Wanderschaft.

Am nächsten Tag wartete nicht nur der Sulztaler Gletscher auf uns, sondern auch ein echt bescheidenes Wetter. Während die eine Hälfte unserer Gruppe nicht aufhörte, von Schauer zu reden, konnte ich nicht anders, als darauf hinzuweisen, dass ein Schauer ohne Pause eben einfach Regen ist. Und meine schon angesprochene Aversion gegen regendichte Kleidung steht in direktem Zusammenhang mit meiner Aversion gegen Regen. Aber sei´s drum. Mit dem ebenso bockigen Bergführer machten wir uns zu viert auf den Weg.

Während des ersten Teils der Wegstrecke durch flaches und später leicht ansteigendes Gelände ignorierte ich die anhaltenden „Schauer“ und ließ die geliehene Hardshell Beta LT von Arcteryx im Rucksack. Auch die olle Regenhose, anno dazumal für 19.90€ bei Tschibo erworben, blieb versteckt.

Erst nach ca. einer Stunde, nachdem wir schon längst in steilerem Gelände unterwegs waren und ein Anhalten und Auspacken immer komplizierter wurde, hatte ich ein Einsehen. Da mir zunehmend kälter wurde, zog ich die Beta LT über meine Softshelljacke, die an dieser Stelle einfach nicht mehr gegen das Wetter ankam.

Der Grund für mein Unbehagen bei Kleidung mit wasserdichten Membranen ist in erster Linie die Umwelt. Die Schadstoffbelastung einer ausrangierten Regenjacke bis ins kleinste Detail auseinanderzunehmen, sprengt hier den Rahmen. Und die Diskussionen, die darüber geführt werden, sind sicher sehr kontrovers und oft viel zu emotional. Und meine persönliche Meinung ist auch nur eine einzelne.

Trotzdem möchte ich hier dazu ermuntern, euch Gedanken zu machen, ob man für die jeweilige Unternehmung unbedingt wasserdicht, atmungsaktiv und ultraleicht sein muss. Für meine Ausflüge in die Fränkische ganz klar nein. Wenn es regnet, sitze ich eh im Gasthaus. Und für das überraschende Gewitter an einem sonst schönen Tag reicht mir auch ein Poncho für wenige Euros.

Bei dem Sauwetter auf dem Weg zum Sulztaler Gletscher war ich allerdings froh über die Jacke. Erstens: Ich war ich trocken. Und zweitens merkt man bei einem schweißtreibenden Anstieg schon, ob die Membran atmet oder nicht. Für solche Aufgaben gibt es meines Wissens kaum adäquate Alternativen.

Im Überschwang der Gefühle nach diesem positiven Erlebnis (und aufgrund eines phänomenalen Angebotes von Arcteryx) hab ich mir die Jacke dann später selbst gekauft. Allerdings hab ich das sofort wieder bereut, als mich meine beiden durch jahrelange Nachhaltigkeitsreden ihres Vaters geprägten Kinder derart heftig ins Kreuzfeuer genommen haben, dass mir Angst und Bange wurde.

Nun fühle ich mich jedes Mal als Verräter an der eigenen Sache, wenn es draußen regnet.

Wie auch immer, macht euch selbst eure Gedanken dazu. Bei uns im Laden gibt es jede Menge Produkte, die euch trocken genug durch eure Vorhaben bringen. Sprecht uns einfach an.

Übrigens haben wir den Gletscher nie erreicht. Noch bevor wir die Steigeisen anschnallen und das blau schimmernde Eis betreten konnten, blies unser Bergführer zum Rückzug. Zu nass, zu glatt, zu gefährlich. Naja, so war´s halt eine feuchte, aber trotzdem fröhliche Bergwanderung.

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Auf dem Rückweg kam natürlich doch die Sonne raus, da war´s aber zu spät, um noch mal aufzusteigen.

Stattdessen nutzten wir den Rest des Tages für Fotos, ein bisschen wandern und barfuß durch Gletscherbäche laufen.

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Die letzte Nacht endete wie die erste im Freien mit Blick ins wunderbar verschneite Sulztal. Jetzt hieß es Abschied nehmen, packen und absteigen.

Auf dem Rückweg machten wir noch zwei Stopps. Zuerst bei Hanwag, die haben eine Produktionsstätte in Vierkirchen bei München. Dort haben wir die Diskussion über die richtige Schuhgröße noch auf das nächste Level gehoben.

Und bevor es dann endgültig auf die Autobahn gen Berlin ging, gabs dann doch noch einen Schweinebraten. Nicht so gut wie beim Kroder in der Fränkischen, aber nach drei Tagen Nudeln und Trockenfutter war es ein willkommener Abschluss.


One Response to Camp4 Outdoor Academy im Ötztal

  1. Hans Scholze Hans says:

    Sehr ehrlicher Artikel

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