Oder eine kleine Runde mit Rad in Nordostspanien. Im Dezember.

Radfahren im Dezember in Mittel- geschweige denn Nordeuropa ist wegen der sehr kurzen Tage und dem eher ungemütlichem Wetter nicht etwas, was man weitläufig unter genussvollem Reisen versteht. Zudem müsste man ziemlich viel Gepäck für die zu erwartenden Wetterunbillen mitschleppen. Also gen Süden. Profi- wie auch Amateurradsportler fahren im Winter ja gerne an der Algarve, in Andalusien oder auf Mallorca, ich flog einfach nach Barcelona und beabsichtigte von dort in einer Woche eine kleine Runde zu fahren.

Gen Süden

Am späten Nachmittag landend, blieb ich eine Nacht in Barcelona, wo erwartungsgemäß jahreszeitenentsprechend wohl wenige, für meinen Geschmack aber trotzdem zu viele, Touristen anzutreffen waren. Davon zeugten auch die sehr vielen Souvenirläden mit identischem Inventar, die aber alle mehr oder weniger leer waren. Nichtsdestotrotz hat die Stadt einen gewissen Charme, nicht zuletzt gibt es wie überall auch Straßen und Gassen, die etwas abseits der Hauptströme liegen. Am nächsten Morgen fuhr ich dann los, erst endlos durch urbanes Konglomerat und irgendwann am Meer entlang nach Süden. Die Sonne schien, es waren über 15 Grad und dies waren exakt die Gründe, warum ich hier war. Die Tage waren auch hier nicht mehr allzu lang und nach ca. 140 km zeltete ich hinter Tarragona am Strand. Am nächsten Tag überquerte ich den Ebro in Amposta und fuhr dann an ihm entlang, teilweise auf einer „Via Verde“, zu Rad- und Wanderwegen ausgebauten ehemaligen Eisenbahnstrecken.

Ins Binnenland

Bald verließ ich das Flusstal und es ging in die Berge und schon in der Dunkelheit schlug ich mein Zelt unweit von Cretas auf. Die Nacht hier oben war frostig, und der Morgen war es auch. Dementsprechend mühselig war das Aufstehen, bibbernd fuhr ich los, hatte mich dann aber bald warmgefahren, und Kaffee, Kuchen und Tortilla gibt es ja fast in jeder Ortschaft. Es ist ja nicht Brandenburg. Die Hochebene zeigte sich eher reizarm, die Straße ging viel geradeaus und ich kam gut voran. Via „Warmshowers“ (Couchsurfing für Radreisende) hatte ich kurzfristig Gastgeber in Zaragoza gefunden, wo ich am Abend, der dann noch lang wurde, ankam. Der Folgemorgen wiederum war frisch, aber bald schien wieder die Sonne und es wurde wärmer und ich rollte wie am Vortag wieder über die Ebene, zurück Richtung Osten, allerdings hatte ich Gegenwind. Abends erreichte ich Lleida, wo ich wiederum einen sehr netten Gastgeber fand. Im dichten Nebel startete ich am nächsten Morgen, bald lichtete er sich und es wurde bergig, ich passierte Igualada und Manresa und kam wiederum in der Dunkelheit nach über 160 Kilometern und 2000 Höhenmetern bei einem weiteren Gastgeber in Moia, einem malerischen Bergort, an.

Zurück ans Meer

Frisch war der Morgen in den Bergen, aber als ich dann in ein nebelgefülltes Tal rollte wurde es nochmal spürbar frischer. So steuerte ich erstmal ein Café an, bevor ich den nächsten Bergzug jenseits des Nebels erklomm. Mit vielem auf und ab fuhr ich neben einigen anderen Radsportlern – es war Wochenende – auf leeren Bergstraßen, durchquerte Girona und erreichte bei Sant Feliu de Guixols die Costa Brava und fuhr noch ein paar Kilometer auf der kurvenreichen malerischen Küstenstraße. Etwas abseits der Straße fand ich einen ziemlich guten Platz zum Zelten in einem Waldstück über dem Meer.

Just als ich das Zelt fertig aufgebaut hatte hörte ich es Rascheln und ein Wildschwein schaute mich verdutzt an, und noch verdutzter schaute ich zurück. Das Tier zeigte sich glücklicherweise nicht aggressiv, sondern vielmehr sehr neugierig und kam näher. Zu nah, und durch Rufen und wildes Gestikulieren gab ich zu verstehen, dass ich auf seine Gesellschaft nicht allzu viel Wert legte. Dies wurde verstanden und es zog von dannen und Abend wie auch Nacht verbrachte ich dann ungestört. Am nächsten, letzten Tag setzte ich meine Fahrt auf der kleinen Küstenstraße fort, die am frühen Sonntagmorgen primär von motorisierten und nicht-motorisierten Zweirädern frequentiert wurde. Die Straße wurde alsbald größer, breiter und vielbefahrener. Es fuhr sich aber trotzdem sehr entspannt durch die Touristenorte im Winterschlaf wie Lloret de Mar, hin und wieder fuhr ich in ein Örtchen hinein oder auf kleineren Straßen direkt am Meer entlang. Nachmittags kam ich wieder in Barcelona an, bezog mein Zimmer, warf mich in ziviles Gewand und das Rad in den im Hotel zurückgelassenen Koffer und flanierte durch die Stadt, was ich auch am nächsten Vormittag fortsetzte, da der Rückflug erst nachmittags war.

Kurzum, eine nette kleine Tour, etwas Bewegung an frischer Luft unter mediterraner Sonne, die üblichen 1000 Kilometer pro Woche bin ich gefahren, habe bekannte und unbekannte Landstriche gesehen, und die Gastfreundschaft anderer Radler haben diese Reise sehr angenehm gemacht. Last but not least: in keinem anderen Land wird mit so viel Vorsicht überholt wie in Spanien: 95% der Autos vollziehen einen kompletten Spurwechsel. Dafür gibt es wohl nicht nur ein Gesetz, sondern die Autofahrer halten sich auch dran. Ein Traum.

Anreise: Es gibt durchaus die Möglichkeit mit dem Zug anzureisen, dies dauert aber sehr lange und wegen der sich alle paar Kilometer ändernden Bestimmungen zum Fahrradtransport und der nicht geringen Mehrkosten bin ich geflogen. Da mittlerweile (fast) alle Airlines Gepäckmitnahme jenseits des Handtäschchens bezahlt haben wollen, wird die Radmitnahme geradezu günstig, bestenfalls um die 50 EUR und bis 30 Kilogramm, so dass das Gepäck mit in den Radkoffer wandert.

Übernachten: Wildzelten ist hier und da, bspw. in Nationalparks, explizit verboten, woanders fällt es wie häufig in ein Grauzone. Einfach kluges Verhalten bei der Platzwahl ist wohl das sicherste. Meine Erfahrungen mit „Warmshowers“ waren wieder exquisit, obwohl ich sehr kurzfristig potentielle Gastgeber anschrieb.

Ausrüstung: Ich fuhr wie immer 35mm-Strassenbereifung und kam damit auch auf teilweise rumpeligen „Via-Verde“-Pisten ganz gut klar. Ausrüstung war mein übliches Radtouren-Set-Up mit Nemo Hornet 1, Therm-A-Rest Neoair Xlite und Western Mountaineering Flylite. Ich bereute es, keinen Kocher mitgenommen zu haben, da mit heißem Kaffee der morgendliche Start bei frostigen Temperaturen leichter gefallen wäre. Ich fuhr, sobald es Tags wärmer war, in kurzen Sachen; sonst sind Arm- und Beinlinge sehr ratsam.