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Traumpfade an der „türkischen Riviera“: unterwegs auf dem Lykia Yolu

Vor einigen Jahren war ich auf einer Busrundreise durch Südwestanatolien unterwegs und  konnte die wunderschönen Buchten des Mittelmeeres beim Vorbeifahren erahnen. Wie gerne wäre ich ausgestiegen und an die einsamen Strände mit dem tiefblauen Wasser abgestiegen. Später hörte ich vom Lykischen Fernwanderweg und er landete sogleich auf meiner Trekking-Wunschliste.

Wandern in der Türkei? In diesem Jahr hatte ich drei Wochen Zeit, Ende März bis Mitte April. Wo in Europa kann man um diese Zeit wandern, ohne unter Umständen in  Regen, Kälte oder gar Schnee zu versinken? Die Beratung im Camp4-Kartenladen bestätigte meine Hoffnung: der Lykia Yolu wäre ein ideales Ziel und so kam es, dass ich zusammen mit einem Freund kurze Zeit später im Flugzeug nach Antalya saß.

Der Lykische Weg – ein Fernwanderweg im Süden der Türkei, genauer gesagt zwischen Fethiye und Antalya –  insgesamt ca. 500km lang-  ist in 4 Wochen gut zu bewältigen. Die Engländerin Kate Clow hat diesen Weg vor ca. 10 Jahren auf der Grundlage vieler alter Ziegenpfade entwickelt und für Touristen erschlossen. Er ist gut ausgeschildert und man findet inzwischen genügend Unterkünfte – mit Ausnahme einiger Mehrtagestouren durch die höheren Berge (bis ca. 1800m). Dort müsste man ein Zelt bei sich haben oder aber – man umfährt wie wir die Region,  wenn man nicht ganz so viel Zeit hat.
Der Weg führt entlang der Küste, entweder an langen einsamen Stränden vorbei  oder über steile Klippen, wo die Wege teilweise durchaus alpinen Charakter annehmen können und Schwindelfreiheit erfordern. Dazwischen einsame Buchten zum Baden. Manchmal geht es auch weiter ins Landesinnere durch ursprüngliche Dörfer oder höher in die Berge hinauf, umso mehr freut man sich am nächsten Tag wieder auf einen Sprung ins Meer. Überall stößt man unterwegs auf geschichtliche Zeugnisse aus der lykischen, römischen und byzantischen Zeit:  Ruinen von Theatern und Tempeln, Säulen und Mosaikresten der Römer, wie z.B. in Xanthos, Patara, Olympos. Aus der lykischen Zeit beeindrucken vor allem die häufig zu findenden Sarkophage. Einen besonderen Reiz bekommt das Ganze durch den Grad der Verwilderung. Mitten im Gebüsch kann man sozusagen über Ruinen und alte Gräber stolpern.

Die Zeit (März, April) stellte sich als ideale Reisezeit heraus. Die Saison hatte noch nicht begonnen, so waren die Unterkünfte noch nicht überlaufen. Die Temperaturen tagsüber waren gut auszuhalten, allerdings wurde es abends und nachts doch noch recht kühl, so dass wir oft um eine zweite Decke bitten mussten. In den höheren Lagen muss man um diese Zeit noch mit Schnee rechnen. In den Sommermonaten dagegen ist es auf jeden Fall zu heiß zum Wandern. Außerdem wird es schwieriger, unterwegs Trinkwasser zu finden. Es gibt zwar einige Zisternen, die sollen aber in der Sommerzeit zum Teil ausgetrocknet sein. Wir hatten Desinfektionstabletten für Wasser dabei, mussten jedoch nie auf Zisternen  zurückgreifen. Wir haben immer irgendwo frisches Quellwasser gefunden.

In den Touristenorten findet man Unterkünfte jeder Preisklasse, in abgelegenen Dörfern muss man sich auf einfache Bedingungen einstellen. Gleich am 3. Tag der Wanderung in Gey waren wir verlockt, das“ Lighthouse“ auf der Halbinsel Yedi Burun aufzusuchen, das als eine kleine Pension in unserem Wanderführer aufgeführt war. Zugegeben, der Blick hinunter auf die zurückliegende Bucht ist exzellent. Aber die Pension hat sich inzwischen zu einer Luxussuite entwickelt,  Badewanne im Zimmer mit Aussicht, antik eingerichtet, ziemlich dekadent. So jedenfalls auch die Preise. Jedenfalls nicht das, was man als Wanderer erwartet und haben muss. Allerdings: drei Kilometer ins Dorf zurücklaufen, wenn man müde ist, mag  man auch nicht. Wir haben das Problem gelöst, indem wir hart auf knapp zwei Drittel herunter gehandelt haben.
Im nächsten Übernachtungsort (Gavurağılı = vier Häuser) gibt es inzwischen eine Familie, die sich auf Gastbetrieb einzustellen beginnt, da der Besitzer der Patara-Lodge wohl häufig etwas Besseres zu tun hat, als Gäste zu empfangen.  Gleiches passierte uns einige Tage später, als wir abends müde in Saribilen ankamen und feststellen mussten, das der Hausherr des einzigen Gasthauses (Moonstone-house)an diesem Tag ebenfalls ausgeflogen war. Der Nachbar kam uns zur Hilfe und telefonierte solange herum, bis er im nächsten Ort eine Familie fand, die gerne Gäste aufnahmen. Kenan (der Gastgeber) kam daraufhin mit seinem Motorrad und holte uns nacheinander ab. Wir wurden in den privaten Familienräumen aufgenommen und bekocht, jeder Wunsch wurde uns sozusagen von den Augen abgelesen, die Waschmaschine in Gang gesetzt, die Polster gereicht. Das alles klappte auch ohne Englisch und Türkisch. Zur Nacht wurden uns Matten ausgerollt und am nächsten Tag gab es Marschverpflegung. Klar, wurde die Familie von uns gut entlohnt, trotzdem kann man durchaus  etwas von der noch nicht ganz vom Tourismus und der damit verbundenen Einnahmequelle verdorbenen Gastfreundschaft spüren. Die Menschen sind überall sehr freundlich und erfrischend wenig kontaktscheu, trotz Sprachbarrieren.

Traditionen ud Moderne – Wenn man morgens vom Gesang des Muezzin oder den Hähnen des Dorfes geweckt wird, mittags von der Tee trinkenden Männerversammlung am Dorfplatz freundlich begrüßt wird, dem Ziegenhirten mit seiner Herde begegnet oder den Frauen beim Brotbacken auf dem Hof zuschaut, vermeint man, in eine andere Zeit versetzt zu sein. Abends jedoch flimmern die türkischen Krimis und Shows mit leicht bekleideten glitzernden Mädels auf den Fernsehern der Familien. Und der Wirt im Restaurant erscheint plötzlich mit einer Wodka-Flasche „vom Sohn, der in Russland arbeitet“… Wein und Bier gibt es inzwischen fast überall zu kaufen, die vernetzte Welt mit Handys und Internet hat auch dort längst Einzug gehalten. Vielleicht ist es gerade der Gegensatz zwischen Tradition und Moderne, der dieses Land so faszinierend macht?
Die Türkei ist bekanntermaßen ein  liberales islamisches Land, Religionsausübung ist Privatsache und wird eher weniger streng gelebt. Trotzdem sollte man als Tourist auf lange Bekleidung zu mindestens beim Moschee-Besuch achten.

Alles in allem ein wirklich traumhafter Weg wegen der abwechslungsreichen Landschaften und der Freundlichkeit der Menschen. Kein Wunder, der Lykia Yolu zählt wohl zu den zehn schönsten Fernwanderwegen weltweit!

Ausrüstung – Wichtig sind auf jeden Fall gute Wanderschuhe und ein warmer Pullover für abends. Ich war auch froh, meine Trekkingstöcke dabei zu haben. Das Schlauch-Trinksystem hat sich gut bewährt, im Frühling war der 2 Liter-Beutel ausreichend, im Sommer sollten es mindestens 3 Liter sein. Da wir uns immer Unterkünfte gesucht haben, hatten wir kein Zelt und Schlafsack dabei. Aber ein Hüttenschlafsack ist sinnvoll, falls man mitunter in einfachen Privatquartieren landet. Regensachen haben wir nur an einem Nachmittag gebraucht. Wenn man vor hat, höher in die Berge zu steigen, muss man, wie gesagt im Frühjahr mit Schnee rechnen – eine Mütze und Handschuhe sind dann sicher nicht verkehrt.

 


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