Reiseberichte » Nord- & Mittelamerika  » USA

In 2 ½ Wochen Coast to Coast mit dem Zug

Irgendwann entstand die Idee, mal wieder den nordamerikanischen Kontinent zu besuchen. Zuerst schwebte mir eine Tour durch die Städte der Ostküste und Chicago vor; dieser Plan wurde dann dahingehend geändert, dass ich mit San Francisco anfangen würde und an der Ostküste würde ich mir nur New York ansehen. So könnte ich den gesamten Kontinent durchkreuzen – mit dem Zug.

San Francisco
Ich fand mich nach einem sehr langen Flugtag in unmittelbarer Nähe meines Lieblingsozeans ein. Nachdem ich meine Unterkunft bezogen hatte, war es bereits nach Mitternacht und so sparte ich mir eine Visite desselben für den kommenden Tag auf. Ein Besuch der Market Street und des UN Plaza würde reichen bevor ich todmüde ins Bett fiel.
Den nächsten Tag begann ich mit Kaffee und Donut und begab mich dann nach Downtown, auch auf der Suche nach einer Möglichkeit, Bargeld zu wechseln, da am Flughafen der Wechselkurs unverschämt schlecht gewesen ist. Ein guter Tipp: Mechanics Bank! Den Tag füllte ich damit, zum einen Downtown und angrenzende Gebiete nebst Piers zu erkunden, sowie durch einen Park bis zum Ufer des Pazifiks zu spazieren. Ich testete das Wasser bloß mit den Füßen und es war ziemlich kalt, so dass ich auf ein Vollbad leider verzichten musste. Am nächsten Tag sollte die Golden Gate Bridge mein Ziel sein, auf dem Weg dorthin mietete ich mir ein Fahrrad. Mit diesem überquerte ich dann nicht nur die Brücke, sondern fuhr auch noch in den Marin Headlands einige schweißtreibende Steigungen hinauf, um dann in einer traumhaft schönen Abfahrt direkt am Pazifik die erreichten Höhenmeter wieder loszuwerden. San Francisco ist nett und überschaubar: Schön an San Francisco sind die ziemlich steilen Hügel im gesamten Stadtgebiet, die alten Straßenbahnen, die Präsenz des Meeres, also der Bay vor allem. Ansonsten sieht man viel Fahrräder und viele hybridgetriebene Autos. Beeindruckt war ich aber von der hohen Zahl Obdachloser…

52 Stunden im Zug
Nach 3 Tagen ging es früh morgens an die Bay zur Amtrak-Bushaltestelle. Der Bus fuhr mich auf die andere Seite der Bay nach Emeryville, wo ich in den Zug nach Chicago stieg. 52 Stunden im Zug, ca. 3000 Kilometer. Unglaublich! Hinter den dieselgetriebenen Doppelloks befand sich ein Gepäckwaggon, 4-5 Coachclass-Waggons an, dann ein Sightseeing Car, ein Esswaggon und schließlich noch 2 Waggons mit richtigen Schlafabteilen. Der Zug war nicht der neueste, sondern entstammte mutmaßlich den 1960er Jahren, war aber in durchaus gutem Zustand und mit durchaus modernem Innendesign.
Glücklicherweise hatte ich für eine von zwei Nächten im Zug einen Doppelsitz für mich, da ich so relativ entspannt schlafen konnte. Die Schlafwagen in Amtrak sind sehr teuer und werden nur komplett vermietet. Das heißt, dass sie sich nur für Gruppen lohnen.
Eine durchaus praktische Einrichtung war der Sightseeing Car, nicht nur weil es darunter in einem kleinen Kiosk Kaffee und Snacks gab, sondern weil man dort wunderbar abhängen konnte. Entweder nur aus dem Fenster gucken, Musik hören, lesen oder ein Nickerchen machen. Das Tempo war die ganze Zeit gemächlich und der Kontemplation zuträglich, vor allem aber beim Anstieg in die Sierra Nevada durch traumhafte verschneite Gebirgslandschaft. Zudem gab es noch die eine oder andere Lektion in Regionalgeschichte von einem freundlichen Mitarbeiter des Heimatmuseums in Reno.
Die Landschaft war während der ersten beiden Tage abwechslungsreich und spannend. Trockene Hochebenen, teilweise versalzen, Canyons, Flüsse, Felsen, Gebirgszüge und unglaubliche Weiten. Etwas schade war es, dass mein Reiseplan keine Zwischenstopps vorsah, um zielgerichtet ein paar besonders schöne Ecken intensiver zu besuchen.
Am Abend des zweiten Tages, in Denver, wurde nicht nur der Platz neben mir besetzt was deutliche Komforteinbußen zur Folge hatte, die Loks neu betankt, sondern auch die Landschaft wurde öde. Großflächenlandwirtschaft. Am frühen Nachmittag des dritten Tages im Zug erreichte ich endlich Chicago.

Chicago
Im Hostel warf ich meine Sachen ab, duschte schnell und lief los, zuerst ans Wasser des Lake Michigan, dann durch den Milleniumpark und dann Richtung Norden. Erst spät abends fand ich mich wieder im Hostel ein und schlief sofort ein.
Den nächsten Tag begann ich früh, und folgte dem Plan Richtung Süden, bis zum Illinois Institute of Technology, streifte auf der Suche nach architektonischen Leckerbissen über den Campus und kreuzte dann Richtung Nordosten weiter durch Chinatown, Wohn- und Gewerbegebiete und den Campus der University of Illinois Chicago. Nordöstlich des Zentrums fand ich ein paar ältere Straßenzüge mit Cafes, Boutiquen und einem sehr gut sortierten Antiquariat. Abends lief ich noch etwas durch die Gegend, versuchte mich mit Nachtaufnahmen, hatte allerdings mein lichtstarkes Objektiv nicht dabei. Blöd.
Am nächsten Tag bestieg ich, das regennasse Chicago verlassend, den Zug nach Detroit. Ein bequemer, wenig gefüllter Northeastern Regional-Zug. Ein Kaffee im Speisewagen war im Preis inbegriffen. Der Ober klagte über den Niedergang von Chicago im Besonderen und Amerika im Allgemeinen… Schon zuvor war mir aufgefallen, dass man vom Zug aus die Hinterhöfe Amerikas sah, im Wort- wie im übertragenen Sinne. Während die Fassade zur Strasse funkeln und glänzen muss, so dient der Platz dahinter zur Ablage von allem was nicht mehr gebraucht wird. Vor allem alter ausrangierter Autos. Auch Trailerparks am Rande von Städten waren nicht selten.

Detroit
Mit beginnender Abenddämmerung kam der Zug in Detroit an. Ein eingleisiger Bahnhof zeugte nur zu deutlich von der Arroganz des der Automobilbranche hier. Den Bahnhof verlassen sah ich riesige breite Straßen, auf denen allerdings nur sehr spärlicher Verkehr floss. Mit jedem Schritt Richtung Downtown wurde der Eindruck der Leere stärker. Leere Häuser, leere Strassen, leere gigantische Parkhäuser, leere Geschäfte, keine Fußgänger. Tristesse. Abgesehen von einer Strasse, in der einige Kneipen und Restaurants zu finden waren, gab es nichts. Keine Drugstores, keine Filialen bekannter Kaffee- oder Fastfoodketten… Nichts!
Den nächsten Tag zeitig beginnend, startete ich meine Tagestour. Mein Eindruck des Vortages wurde bestätigt. Ich durchkreuzte Downtown und lief Richtung Westen, weil dort eine Brücke nach Kanada führte und einem Guide zufolge würde sich diese zu Fuß überqueren lassen. Dies war aber eine Fehlinformation wie mir US Customs dann mitteilten. Doch vor der Brücke kreuzte ich eine mir heruntergekommen erscheinende Wohnsiedlung, wo vor allem Hispanics wohnten. Zurück in Downtown bestieg ich einen Shuttlebus, der mich durch den Tunnel nach Windsor/Kanada brachte. Windsor war, obwohl Kleinstadt, deutlich lebendiger als Detroit. Es gab Restaurants, Kneipen, ein paar Läden und einen Supermarkt.
Der nächste Morgen wartete mit einer Überraschung auf: es schneite nämlich. Dicker, nasser Schnee, grauer Himmel, Wind dazu mit Sturmböen. Ich zog mich warm an und lief, zu John K. King – einem „Buch-Antiquariat“. Über 4 Stockwerke bei einer geschätzten Grundfläche von 200 Quadratmetern. Letztlich verbrachte ich so 4-5 Stunden dort, merkte dies aber kaum. Ich verließ den Laden mit einem vollen Rucksack, obwohl ich mich angesichts der Fluggepäckgewichtsbegrenzungen etwas zusammenreißen musste.
Danach kreuzte ich noch ein bisschen durch die Gebiete nördlich von Downtown, die sich etwas lebendiger als das bisher gesehenen zeigten. Gen Abend holte ich mein Gepäck ab und begab mich Richtung Bahnhof. Dort stieg ich in den Bus der mich bis Toledo brachte, wo mein der Zug aus Chicago kam. Der kommende Tag war regnerisch und nebelig und die Landschaft eher langweilig; die Appalachen sind ein so spannendes Mittelgebirge nicht. In DC stieg ich in den stark von Pendlern frequentierten Northeastern Regional nach New York. Das erste Mal war die Strecke elektrifiziert. Und der Zug fuhr ungewohnt schnell, mit geschätzten über 100 km/h. Unglaublich. Das hatte ich bis dato noch nicht erlebt und musste mich erstmal an die, in hohem Tempo an mir vorbeifliegende Landschaft gewöhnen.

New York
Angekommen an der Penn Station in NYC kaufte ich mir erstmal Kaffee und Kuchen, setzte mich auf Treppenstufen und genoss es mal wieder in dieser Stadt zu sein.
Die kommende knappe Woche verbrachte ich Erkunden verschiedenster Ecken, photografierte, zog aus Brooklyn auf die Upper East Side, besuchte selbstverständlich Coney Island (am frühen Morgen ein Genuss sondergleichen) und fuhr mit der Staten Island Ferry. Die Tage vergingen viel zu schnell. So kurz vor Ostern war New York überfüllt mit Touristen. Aber die Stadt ist groß und gerade abseits der Touristenströme gibt es einiges zu sehen.

Am Tag des Abflugs brachte mich ein hübsches Fluggerät von Newark nach Philadelphia. Ein Oberdecker mit 2 Propellern und 50 Sitzen, die DHC-8 heißt, und mir ein relativ unvermitteltes Flugerlebnis bescherte. Der Weiterflug war dann ereignislos.


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert