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Zeit, die Kletterschuhe auszupacken – Indien Teil 2

Slider2Und weiter geht die abenteuerliche Reise von CAMP4-Mitarbeiter Engin durch Indien: In Gokarna sind sie dem Goa-Hype entflohen und entspannen sich mit Minztee bis zur totalen Erschöpfung bevor es dann endlich Zeit wird die Kletterschuhe auszupacken: Willkommen im Landesinneren, Namaste Hampi.

In Gokarna ausgestiegen stellen wir in einem sehr exotisch prunkvollen aber schimmeligen Dschungelhotel fest, dass wir doch noch etwas weiterfahren müssen, um nach Gokarna-Beach zu gelangen. Wie gewohnt wenden wir uns also an einen Rickscha-Fahrer. Beim Einsteigen fällt uns auf, dass unser guter Freund und Helfer, das Taximeter, nicht vorhanden ist.

Alarmiert weise ich auf den Umstand und meine Unzufriedenheit diesbezüglich hin. Unmissverständlich weist der Rickscha-Fahrer mich im Gegenzug darauf hin, dass der Preis 500 Rupien beträgt und dass jeder Rickscha-Fahrer diesen Preis für die 15-minütige Tour berechnen wird. Die polizeilichen Reglementierungen der Großstadt greifen nicht im Dorf. Hier regieren stattdessen freundschaftliche Bande und Abmachungen. Wir zahlen den zehnfachen Preis wie gewohnt und knattern über die Landstraße durch die traumhafte Postkartenstrand- und Dschungellandschaft. Manche Dinge muss man einfach hinnehmen.

Unser Ziel ist das Namaste-Strand-Café. Durch etwas Glück bekommen wir noch einen Bungalow. Zu unserem Unglück ist dieser nicht klimatisiert. Wieder säuseln die Tiraden des Tropenmediziners in meinem Ohr: „Nehmen sie immer klimatisierte Unterkünfte. In diesen gibt es eher keine Stiche.“ Wieder lege ich paranoides Verhalten an den Tag. Ich versuche alle möglichen präventiven Maßnahmen zu ergreifen, um alle denkbaren Mosquito-Attacken in der nicht dichten Behausung zu verhindern. Mit Erfolg!

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Der Strand und die Landschaft in Gokarna sind mindestens paradiesisch. Hier gelandet sind wir, weil wir das touristische Goa meiden wollten. Hier lernen wir, dass Gokarna kurz davor ist, Goa den Rang der Beliebtheit abzulaufen. Jedoch ist uns das Glück hold, denn die Hauptsaison endet mit dem Februar.

Fast einsam am Strand sind wir also die scheinbar einzigen Opfer der StrandverkäuferInnen, die einem ihren Tand auf ganz ungewohnt geschickte Weise überhelfen möchten. Im Namaste-Café gibt es sehr gutes Essen. Oft sitzen wir auf der Terrasse und staunen über den Strandblick bei Schwarz- oder Pfefferminztee.

Wir baden im warmen Meer oder wandern am Strand entlang oder durch den Dschungel. Surreal wirken das Licht, die Menschen und auch die Kühe. Nach drei Tagen und Nächten sind wir so entspannt, dass wir fast zerfließen. Die Reise führt uns 350 km weiter. Nach einer holperigen Fahrt, liegend in der Kühltruhe eines Sleepers Bus, bewegen wir uns im Verlaufe einer Nacht viele hundert Kilometer gen Osten und gelangen so tief ins Inland, nach Hampi. Hier erwarten uns Hunderte von alten Bauten und vor allem tausende Felsblöcke. Es wird Zeit die Kletterschuhe auszupacken.

Kapitel 3: Hanuman der Affengott begrüßt uns in seinem Reich
Unsere Ankunft ist gegen fünf Uhr in der Früh. Beim Aussteigen werden wir von vielen Indern empfangen, die uns alle unbedingt sofort helfen wollen. Nach einer kurzen Fahrt in der Rickscha sind wir am Fluss und warten auf das erste Boot, das auf die Insel Hampi übersetzt. Wir haben eine Stunde Zeit zu vertreiben. Eine Horde Affen jagt direkt über uns durch die Bäume.

Die soeben an einem Stand erworbenen Bananen lachen mich an und ich plane eine zu verfüttern. Also halte ich ein Stückchen Banane einem dieser neugierigen Affen entgegen. Diese nähert sich vorsichtig und zielstrebig zugleich, irgendwie routiniert. Er greift sich das Stückchen und verschwindet. Schon kommt der Nächste, trickst mich aus mit einer Finte und reißt mir alle verbliebenen Bananen aus der Hand und flüchtet. Die Affenhorde gällt und kreischt über mir. Ich habe das Gefühl sie lachen mich aus, bevor sich die schlauen Viecher wieder der Morgensonne entgegen davon machen.

Hampi ist tief beeindruckend und absolut empfehlenswert. Die Landschaft ist übersäht mit unzähligen Felsbrocken soweit das Auge reicht. Überall stehen alte Tempelbauten herum. Vom 14. bis zum 16. Jahrhundert war Hampi das Zentrum eines großen Hindu-Reichs, welches im 16. Jahrhundert in einem Krieg gegen muslimische Sultane zerstört wurde. Ein Bereich von Hampi wird als Insel bezeichnet, da er von einem Fluss umringt ist.

Auf die Insel gelangt man, mit wenigen Ausnahmen, nur mit einem Boot. Dieses setzt mehrere Male am Tag über den Fluss. Aber nicht nur für Geschichts- und Kulturliebhaber ist dieser Ort reich an Eindrücken und Geschichten. Wir sind hier, um vor allem auch dem Klettersport nachzugehen.

Einmal Coli-E-Bakterien und zurück: Mit Crashpad im Reich der Affen
Eingenistet haben wir uns in einer kleinen Hütte bei Mogli, ohne Klima-Anlage, aber mit Ventilator und grobmaschigem, „löchrigem“, Moskitonetz über dem Bett. Wir blicken direkt auf ein riesiges Reisfeld in dem vereinzelt Palmen stehen. Etwas weiter hinter dem Feld glitzert der Fluss in der Abendsonne.

Hatte ich gesagt, dass Gokarna-Beach manchmal surreal wirkte? Dieser Eindruck verblasst im direkten Vergleich mit dem Ausblick aus unserer Hütte. Die Landschaft ist ohne Unterbrechung in einer Endlosschleife beeindruckend. Man benötigt nur ganz wenig Vorstellungskraft, um sich ins 15. Jahrhundert zurück zu versetzen.

Trotz Etikett als Weltkulturerbe sind die Straßen und Plätze hier nicht wie geleckt, sondern auch noch teilweise im Schutt und im Restaurationszustand. Allerdings liegt bei weitem nicht überall so viel Müll herum, wie es in Mumbai der Fall war. Durch Aufklärungsmaßnahmen haben die Leute hier offenbar schon ein Bewußtsein diesbezüglich entwickelt.

Sie werben dafür, den  Abfall mit Köpfchen zu entsorgen. Diese Aussage gilt nur beschränkt. Das indische Essen bei Mowgli ist weitem nicht so gut wie im Namaste-Café, dennoch nicht schlecht. Pizza und Eierkuchen sind gut, die Malai Kafta leider nur mittelmäßig. Essen ist insgesamt sehr günstig in dieser Gegend.

Hampi. Endlich Klettern mit Tom und Jerry
Schon am ersten Abend lernen wir Jerry, einen einheimischen Kletterer flüchtig kennen. Am nächsten Abend schon sind wir dann mit Tom und Jerry zum Klettern verabredet. Zwei Tage darauf kennen wir schon eine ganze Gruppe von Kletterern.

Die richtigen Namen von Tom und Jerry kenne ich nicht bzw. ich konnte sie mir nicht merken. Wenn man die beiden nach ihren richtigen Namen fragt, antworten sie verstört, dass in Indien die Spitznamen als richtige Namen aufgefasst werden. Tom und Jerry sind die Eigentümer des Tom & Jerry Climbing Shop.

Dieser ist eine einfache Hütte aus Bast und geflochtenen Palmenblättern und zugleich ihr Zuhause. Sie verkaufen den deutsch-englischen Kletterführer vom GeoQuest Verlag von Gerald Krug, der den passenden Titel „Golden Boulders“ trägt.  Ihr Angebot umfasst Trinkwasser, Bürsten und Hautpflegemittel. Aber vor allem bieten sie ihre Dienste als Kletterführer für Touristen an. Außerdem vermieten sie Crash-Pads und löchrige Kletterschuhe.

Im Gegensatz zu den anderen „Geschäftigen“ drängen sie niemandem ihre Dienstleistungen und Produkte auf. Ganz im Gegenteil: sie sind sehr gastfreundlich und verabreden sich gerne mit anderen Kletterern und bringen dann ihre Crash-Pads mit und verraten sehr gerne, wo die besten Flecken zum Klettern sind.

Von Oktober bis März arbeiten die Zwei so gut es geht. Passend vor dem Monsun kratzen sie dann all ihr Geld zusammen, um in den hohen Norden Indiens zu reisen. Dort klettern sie solange, bis der finanzielle Bankrott der Reisekasse sowie der einbrechende Winter sie zu ihrer Rückkehr in den Süden drängen. Dort beginnt dann gerade die Hauptreisezeit und ihrer Hauptarbeitszeit von Neuem.

Als Kinder haben Tom und Jerry – wie viele Kinder in Indien – die Schule geschmissen und schon mit zehn Jahren ihren Lebensunterhalt mit dem Verkauf von Postkarten an Touristen verdient. Dabei lernten sie sich kennen. Tom scheint die Motive für Postkarten so gut verinnerlicht zu haben, dass er ein sehr gutes Auge für Fotos hat.

Einmal gab ich ihm meine Kamera und bat ihn von einem bestimmten Punkt aus ein paar Bilder zu knipsen. Alle diese Bilder sind perfekt gerahmt und besser als alle Bilder, die ich jemals selber geschossen habe. Er wünscht sich seit langem eine Kamera, kann aber aufs Reisen nicht verzichten und sich nur eines von beidem leisten.

Endlich klettern
Da es tagsüber mindestens +35°C, oft auch +39°C hat, kann man nur morgens zwischen 6.30 Uhr und 8.30 Uhr sowie abends von 18.00 Uhr bis Sonnenuntergang klettern. Also klingelt der Wecker täglich um 5.30 Uhr in der Frühe und ich zwänge mir in der Dunkelheit ein kleines Frühstück rein, behandele meine Haut mit Mückenmitteln und gehe todmüde los um Jerry, Tom sowie ihren Gehilfen Sunny abzuholen bzw. zu wecken.

Im ersten Morgengrauen wandern oder fahren wir dann los an irgend einen Ort und knacken bei Sonnenaufgang die schönsten Kletterprobleme.  Tagsüber hält entweder jeder für sich seine Siesta oder wir sitzen gemeinsam im Café und spielen Backgammon oder meine Reisebegleitung und ich machen einen Ausflug in die Umgebung zu Fuß, per Boot oder Moped.

Im Reich siebenköpfigen Kobra
Eines Tages, während eines gemeinsamen Frühstücks nach dem Klettern, erzählt uns Tom eine wahre Geschichte, in der er mit ein paar Freunden im Stausee schwimmen war. Aus dem Wasser heraus zeigt ein Junge auf das Ufer und fragt seine Freunde, ob das Liegende dort ein Autoreifen ist. In diesem Moment bewegt sich der Autoreifen jedoch und beantwortet damit die Frage von selbst.

Langsam rollt dieser sich aus und lässt sich elegant ins Wasser gleiten. Der Riesen-Python hat offenbar Hunger. Die Freunde eilen panisch aus dem Wasser und brausen mit ihren Motorrädern voll Angst und Schrecken schnell davon.

Ich höre gespannt zu und auf einmal ist mir ein wenig unwohl, denn der Stausee ist gar nicht weit von uns entfernt und wir waren auch schon dort. Mit dem Blick auf das Reisfeld frage ich, ob es hier auch andere Schlangen z. B. Kobras gibt. Tom zeigt aufs Feld und sagt, dass irgendwo darin bestimmt Kobras seien.

Dann erzählt er uns, dass es sogar eine siebenköpfige Kobra gibt. Diese ist wohl mal in der Nähe gesichtet worden. Ich besinne mich und glaube nicht daran bis er mir Fotos auf seinem Handy zeigt. Eines steht fest, Tom glaubt an die tatsächliche Existenz der siebenköpfigen Kobra. Ich dagegen bleibe ungläubig.

Der Begriff „Ge-photo-shopt“ ist in meinem Wortschatz enthalten, also recherchiere ich im Netz. Es dauert nicht lange bis ich das gleiche Bild mit der gleichen Schlange finde, einmal hat sie drei Köpfe, einmal sogar fünf. Trotzdem bleibt mir im Kopf, dass es hier Kobras und Riesenschlagen gibt. Diese sieht man nur nicht oft. Der Feldarbeiter, der täglich barfuss durch das Reisfeld geht und arbeitet, scheint auch keine Angst zu haben.

Besondere Mitbewohner
Nach fast vierzehn Tagen ohne guten Kaffee ist die Verlockung zu groß und wir gehen zur German Bakery. Dort soll es eine Siebträger-Espresso-Maschine geben. Unsere Liebe für guten Kaffee ist groß und die Aussicht auf einen solchen zieht uns wie die Mücken ins Licht. Leider haben wir Pech, denn die Kaffee-Maschine ist kaputt.

Zum Trost bestellen wir uns etwas von dem Gebäck aus der von der Sonne beschienenen Auslage, um dieses zu kosten. Der erste Bissen ruft Begeisterung hervor, der zweite schon Zweifel und vor dem dritten Bissen bewahrt uns der Mülleimer (Busch). Es folgt ein schöner Tag voller Affen, Tempeln, Scharlatanen als Fremdenführern und zahlreichen vor Fernsehern versammelten Indern, die gespannt zuschauen, wie Indien Bangladesh im Cricket besiegt.

Zum Nachmittag gönnen wir uns ein Essen im vielzitierten Restaurant „Mango-Tree“. Bald geht der Tag zuneige und mir ist übel. Beim ersten Anzeichen dieses Gefühls verabschiede ich mich kurz aus einer gesprächigen Runde und Übergebe mich so gut es geht viele Male in die traumhafte Aussicht gen Osten, direkt in den bald zu erntenden Reis.

Als nächste Maßnahme bereite ich mir eine doppelt konzentrierte 1,5 Liter Flasche mit Chlor-Lösung zu. Diese trinke ich komplett aus, denn ich hoffe, dass der Chlor die unerwünschten Mitbewohner von innen bekämpft. Gegen Mitternacht habe ich etwa 20% meines Körpergewichts verloren, dafür ist die Hochphase der Übelkeit vorbei. Ich bleibe im Bett und renne nicht mehr aufs Klo.

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Doch scheinbar ist das Spiel noch nicht vorbei, vielmehr scheint dies ein Staffelrennen zu sein, denn nun ist meiner Freundin schlecht und sie rennt los; natürlich zum Klo. Die Geschichte nimmt ihren Lauf. Erst einen Tag darauf habe ich mit etwas Vorsprung zu meiner Freundin wieder Appetit und gönne mir eine Pizza, während mein Gegenüber eine Schale Joghurt und ein paar Löffel Reis kritisch bestochert.

Die Phase der heftigen Übelkeit ging so schnell, wie sie kam. Was bleibt ist ein verminderter Appetit und gelegentliche Durchfallattacken, die sich alle paar Tage häuften und dann wieder ausblieben. Zwar können wir wieder Klettern gehen und uns auf die Straße wagen, aber eine ordentliche Portion Unsicherheit und bereitgelegte Medikamente bleiben aber bis zum Ende der Reise stetige Begleiter neben dem Kletterzubehör im Kletterrucksack.

Das Ende der Reise gibt es in Kürze hier im Blog.

Die Reise nach Mumbai und wie alles begann lest ihr in Kapitel 1: Hier im CAMP4 Blog.


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