Mit dieser Reise sollte sich ein Lebenstraum erfüllen. Ich denke an die Schwarz-Weiß Fotos der Nepalreise meines Vaters von 1993 zurück, die mich schon damals beeindruckten und ich wusste: Das will ich mit eigenen Augen sehen. 8.000 m hohe Bergriesen des Himalaya-Gebirges, hinduistische und buddhistische Tempel und bunte Gebetsfahnen.
Ich konnte es kaum erwarten, als es im Oktober 2023 endlich losging.
Der Erste Versuch: Der Annapurna Circuit Trek
Vom Kibu Home Stay in Kathmandu machten wir uns mit dem Bus auf den Weg nach Besisahar. Das Ticket hatten wir in einem viel zu überteuerten Shop in der Stadt geholt und merkten während der kommenden vier Wochen, dass man diese für die Hälfte des Preises direkt bei dem Busfahrer am Abfahrtsort kaufen konnte. Wir starteten unsere Wanderung und kamen bis ins Bergdorf Chame.
Dort endete unser Trek nach drei Tagen auch schon mit einer fetten Bronchitis im Bergkrankenhaus, wo mir von dem jungen Arzt in Flip Flops vom Weitergehen abgeraten wurde. Schweren Herzens drehten wir um und fuhren mit den Jeeps nach Pokhara.
Der Mardi Himal Trek – Standard Route (Kande – Siding) – 42 km
Nach fünf ruhigen Tagen voller Antibiotika und Bettruhe starteten wir einen neuen Versuch und fassten in der Nacht den Entschluss den Mardi Himal Treck zu laufen. Wir packten nur das Nötigste für die anstehende vier-tägige Wanderung und übergaben unsere restlichen Sachen unseren freundlichen Airbnb hosts. Unser Vermieter bestand darauf, uns zum Kilometer Null mitzunehmen und verhandelte sogar einen Fahrpreis mit dem Busfahrer für uns aus, der uns mit nach Kande nahm, dem Ausgangspunkt für die Wanderung zum Mardi Himal.
Zusammen mit fünf anderen Menschen wurden wir auf die selbstgebaute Sitzbank neben dem Fahrer verfrachtet und harrten hier zusammengequetscht für die Dauer der einstündigen Fahrt aus. Als wir uns in Kande mühselig aus dem Bus schraubten, winkten uns die Einheimischen hinterher und wünschten uns eine schöne und sichere Wanderung.
Tag 1: Hinauf zum Forest Camp 2.459 m
Es ging schnell steil bergauf Richtung Australian Basecamp. Der Blick auf die schneebedeckten Bergmassive in der Ferne war atemberaubend und ich konnte es kaum fassen, als sich meine Lungen wieder mit Sauerstoff füllten und ich nicht alle fünf Schritte stehen bleiben musste, um zu verschnaufen. Motiviert und überglücklich erreichten wir in nicht mal einer Stunde das Australian Basecamp und marschierten weiter nach Pothana, unserem vorsichtig gesetzten Tagesziel. Die Wanderwege waren nicht mit denen auf dem Annapurna zu vergleichen. Von ausgebauten Straßen, Baulärm und schweren Fahrzeugen war hier Gott sei Dank keine Spur. Wir waren umgeben von bemoosten Bäumen, Gebetsfahnen und den durch die Bäume durchscheinenden Berggipfeln. Eine halbe Stunde später erreichten wir Pothana, passierten den Checkpoint und marschierten weiter zum Forest Camp.
Da wir uns so spontan und in letzter Minute für diesen Trek entschieden, mussten wir für das Trecking Permit den doppelten Preis zahlen. Die 12.000 NPR schoben wir zähneknirschend über den Tisch und setzten unseren Weg fort.
Trotz der seit März geltenden Regelung, dass TouristInnen stehts von Guides begleitet werden müssten, mussten wir an den Checkpoints lediglich unsere Entry Permits vorzeigen und durften passieren. Wir sprachen unterwegs mit einigen Einheimischen, die uns erzählten, dass der Tourismus seit dieser neuen Regelung erst abgenommen habe und sich dann die Mehrheit der TouristInnen im Vorfeld Reiseagenturen aus dem Ausland buchten, so dass einheimische Guides das Nachsehen hatten.
Gegen Mittag erreichten wir Pitan Deurali und legten von da nochmal etwa die doppelte Strecke des bisher zurückgelegten Weges zurück. Es ging sehr steil hinauf. Über Stock und Stein, zum Teil auf allen Vieren die Felsen hinauf. Zwischendurch dann auch mal die Wegmarkierung verloren, aber zum Glück führten viele Wege nach Mardi Himal.
Wir liefen fast ausschließlich durch Jungle, mit seinen satten, grünen Farben, undurchdringlichem Dickicht und armstarken Lianen. Eingepackt in drei Schichten Klamotten lief ich dicht hinter Carlos, welcher fröhlich in T-Shirt und hochgekrempelter Hose voranging.
Nach einem letzten Hau Ruck Anstieg erreichten wir das Forest Camp. Zahlreiche Guesthouses erstreckten sich hier über eine große Lichtung, von allen Seiten vom Jungle umgeben, mit einem wunderschönen Blick ins Tal. Wir liefen bis zum Ortsausgang und quartierten uns für die Nacht in einem süßen Bungalow ein. Der nette Owner erklärte uns, dass die 800NPR pp. pro Nacht nicht seine Preise, sondern die des „Mardi Trek Tourism Management & Merchant Committee“. Auch die Mahlzeiten waren teurer als auf dem Annapurna Trek und für eine warme Dusche zahlten wir 200NPR pp. Wir trockneten unsere verschwitzen Klamotten über dem Feuer, füllten unsere Bäuche mit Zitronentee und Nudelsuppe und fielen nach einer Weile in unsere Schlafsäcke.
Tag 2: Badal Danda („Cloud Hill”) 3,250 m
Das Aufstehen aus unseren mollig warmen Schlafsäcken kostete uns am nächsten Morgen sehr viel Überwindung. Es war halb sieben und wir packten unsere Sachen, machten uns frisch und bestellten je ein Nepali Breakfast – bestehend aus Kartoffel Curry, Rührei, Brot und Schwarztee. Direkt hinter dem Camp ging es bereits steil hinein in den Jungle. In diversen Reiseblogs war das Low Camp als Tagesziel angegeben, welches wir allerdings schon gegen halb zehn erreichten. Wir liefen weiter und machten einen kurzen Halt an einer kleinen Holzhütte mitten im Wald, wo wir einer einheimischen Familie zwei Bananen für 100 NPR von ihrem Stand abkauften, umgerechnet weniger als 1€. Das auf 3.250 m hoch gelegene Badal Danda erreichten wir wenige später gegen Mittag und bezogen ein wunderschönes Guesthouse, etwas höher gelegen als die restlichen Gebäude des Ortes. Nach einem heißen Tee und gebratenem Eierreis machten wir uns bei strahlend blauem Himmel auf in unsere Hütte für einen kurzen Nap, aus dem wir wenig später sehr unsanft von starkem Wind und fauststarken Hagelkörnen geweckt wurden. Wir retteten unsere zum Trocknen aufgehängten Klamotten von der Leine und harrten in der Hütte aus. Als der Himmel wieder aufklarte „duschten“ wir uns in dem Holzschuppen hinter dem Guesthouse. In dieser Höhe gab es kein warmes Wasser und keine Duschen, also befreiten wir die Wasserkanister von der Eisschicht und kippten uns abwechselnd Kübel voll eiskaltem Wasser über die Rücken und japsten vor Kälte. In der mittlerweile wieder strahlenden Sonne tauten wir auf und konnten sogar unsere Daunenjacken ausziehen. Das Tal zeigte sich in voller Pracht. Bergketten so weit das Auge reichte. Sogar die Spitze des Annapurna South lugte immer wieder durch die Wolkenlöcher. Später am Abend wärmten wir uns am Ofen des Gemeinschaftsraumes, über dem neben den stinkenden Socken das frische Yak-Fleisch zum Trocknen aufgehängt wurde, welches im ganzen Dorf verteilt wurde.
Tag 3: High Camp 3.550 m
Wir stellten den Wecker auf 6:00 Uhr, um den Sonnenaufgang zu sehen. Carlos weckte mich kurz vorher und zeigte durch die Glasfenster auf den orange-und gelb gefärbten Himmel. Es war wunderschön und unfassbar kalt! Ich streifte mir alle Klamotten, die ich in meinem Backpack finden konnte, über, warf mir meinen Schlafsack wie einen Bademantel über und trat vor die Hütte. Die hohen Gipfel der achttausender Giganten, die uns umragten, waren zum ersten Mal komplett wolkenfrei und wurden von der aufgehenden, roten Sonne angestrahlt. Es war eine atemberaubende Aussicht und wir waren glücklich, uns in letzter Minute für diesen Trek entschieden zu haben, nachdem uns ein solcher Anblick auf unserem letzten Trek verwehrt blieb.
Wir starteten mit leckerem Porridge und warmem Tee in den Tag und schrieben in der wärmenden Sonne Tagebuch. Wir ließen uns viel Zeit, genossen Wetter uns Ausblick und machten uns gegen Mittag gemächlich auf den nur einstündigen Weg ins High Camp, wo wir als einzige Gäste im Heaven View eincheckten. Der Name machte dem Guesthouse alle Ehre, denn von hier konnte man das gesamte Tal überblicken. Wir erkundeten die Umgebung, spielten Karten, lasen in der Sonne und packten gegen Abend unseren Tagesrucksack für den morgigen, sehr frühen Aufstieg zum Base Camp.
Tag 4: Sonnenaufgangs Hike zum Base Camp 4.500 m
Kurz nach drei klingelte der Wecker. Wir streiften uns wortlos unsere im Schlafsack angewärmten Klamottenschichten über und putzten mit noch halb geschlossenen Augen die Zähne im Stall hinter dem Haus. Eingepackt wie ein Schneemann und beinahe bewegungsunfähig ging es gegen 3:30 Uhr los. Wir schulterten unseren mit Wasser, Nüssen, Snickers und Elektrolyten gepackten Rucksack und uns auf den Weg. Der steile Anstieg startete direkt hinter dem Guesthouse. Es war stockdunkel. Nur unsere Stirnlampen und die Sterne leuchteten uns den Weg. Wir waren die Ersten, die sich aus dem Camp in die Nacht aufmachten und je höher wir kamen, desto mehr Häuser machten Licht und Menschen machten sich auf den Weg hinauf zum View Point. Sternschnuppen zischten über den Himmel und immer wieder blieben wir stehen und genossen den Blick in den funkelnden Himmel. Je höher wir kamen, desto länger wurden die Verschnaufpausen. Wir tranken fleißig unsere Elektrolyte und waren dankbar, dass wir bis auf die Anstrengung keine Symptome von Höhenkrankheit bemerkten. In knapp 1,5 h erreichten wir bereits den Gipfel und die ersten Teehäuschen. Wir beschlossen weiter auf den zweiten Hügel zu laufen und den Sonnenaufgang von hier zu sehen, da die meisten Leute auf dem ersten Plateau verweilten.
Auch hier stand eine einzige winzige Teehütte, umringt von bunten Gebetsfahnen. Carlos kaufte dem netten Mann zwei Tee ab. Endlich kroch die gelbe Sonne langsam über die Berggipfel, strahlte die umliegenden Berggipfel an und wärmte unsere eiskalten Knochen. Der Mann spielte auf seiner Gitarre und wir genossen den Moment, allein, auf einem 4.500 m hohen Plateau, mitten in Nepal.
Wir machten uns wieder an den Abstieg, genossen eine halbe Stunde später ein ausgiebiges Frühstück im Guesthouse und traten wenig später gegen 9 Uhr unseren Rückweg an. Es ging 3.000 m hinab zurück ins Tal nach Siding.
Die Knie taten weh und die Oberschenkel pochten, aber wir wiederstanden dem Versuch einer ausgiebigen Pause und zogen den Weg durch bis nach Siding, wo wir unsere Backpacks auf die Ladefläche eines Jeeps schmissen und von einem strahlenden Nepali bis nach Pokhara mitgenommen wurden. Wir holten unsere restlichen Sachen bei unseren Airbnb Hosts ab, tranken gemeinsam einen Tee und verabschiedeten uns. Unsere letzten zwei Nächte verbrachten wir in dem wunderschönen Pokhara Batika, von aus wir einen tollen Blick auf die Berge und den See hatten, und ließen unsere Wanderung Revue passieren. Wir genossen die Spaziergänge durch die Straßen, das bunte Treiben, die Musik und eine kleine Wanderung zur World Peace Pagoda, bis wir uns schließlich mit dem Bus zurück nach Kathmandu aufmachten, wo wir einen Tag später schweren Herzens unseren Rückflug nach Berlin antraten.
Unsere Take-aways
Nepal war eine einmalige Erfahrung. Herzliche und gastfreundliche Einheimische, unvergleichbare Natur und Bergwelten und unfassbar leckeres Essen. Dennoch hatten wir das Gefühl, dass dieses Land bald nicht mehr wiederzuerkennen sein wird. Der Tourismus hinterlässt seine Spuren und ist sowohl ein Segen als auch ein Fluch für Land und Menschen. In vielen Gebieten wird Plastikmüll auf den Feldern verbrannt, es finden großflächige Bauarbeiten statt, Jungle muss ausgebauter Straße weichen, um Touristen in die Berge zu fahren und Einheimische Guesthouse Betreiber im Tal haben das Nachsehen, weil durch den fehlenden Tourismus, dank verschobener Ausgangspunkte für Wanderungen weiter oben in den Bergen, ihre einzige Einnahmequelle ausbleibt.
Shortcuts
- Transport: Flüge ans andere Ende der Welt sind nicht gerade günstig, daher ist es ratsam, sich zeitig nach preiswerten Optionen umzuschauen.
Im Land selbst kann man sich gut mit Bussen fortbewegen. Das ist die kostengünstigste, allerdings auch eine sehr zeitintensive Variante, da die Straßen nicht gut ausgebaut sind und es hin und wieder zu Unfällen kommen kann.
- Visa: Deutsche Staatsangehörige benötigen für die Einreise ein Visum, das vorab bei einer nepalesischen Botschaft beantragt kann. Wir haben unser Visum-on-Arrival beantragt. Die Gebühren sollten passend in bar in $USD bzw. in €EUR mitgeführt werden (15 Tage/30 USD, 30 Tage/50 USD, 90 Tage/125 USD) und ein Passbild vorgelegt werden.
- Trecking Permits: Für Wanderungen in Nationalparks und Hochgebirge müssen Trecking Permits ausgestellt werden, welche in Kathmandu oder anderen größeren Städten bei lokalen ACA permit countern beantragt werden können. Auch hier sollte der Betrag passend in Bar zusammen mit einem Passbild vorgelegt werden.
Für detailliertere und aktuelle Informationen zu Visa, Trecking Permits und Guides etc. findet man auf der Seite des Auswärtigen Amtes viele Anlaufstellen. Nepal: Reise- und Sicherheitshinweise – Auswärtiges Amt
- Geld: In Großen Städten kann Bargeld an Automaten abgehoben werden. Die meisten Automaten akzeptieren VISA- und Mastercard-Kreditkarten; Debitkarten werden kaum akzeptiert. Es ist aber ratsam, für Ausflüge in urbanere Gebiete und auf Wanderungen genügend Bargeld in USD oder in der einheimischen Währung mitzuführen.
- Ausrüstung: Im Oktober, eine der besten Reisezeiten für das Land, war es heiß in den Städten und Tälern und sehr kalt in den Bergen. Es ist also ratsam, sich luftige Hemden und Hosen für die Städte und warme Wollsachen und Daunenjacken für die Berge einzupacken. Man benötigt u.a. gute Wanderschuhe, Klamotten für jedes Wetter, Thermosflaschen, Power Banks und ggf. Tabletten gegen Höhenkrankheit.
Sehr anschaulich und und ausführliche Reisebeschreibung. vielleicht sollte ich mir Nepal in nicht allzu ferner Zukunft ansehen.