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Teil 4: Von Übelkeit und fliegenden Lamas

AnjaundNormanDie Reihe von Anja’s Annapurna Umrundung hat pausiert, aber beendet ist sie noch nicht. Hier endlich die Forsetzung von einer der schönsten und abwechslungsreichsten Trekkingrouten der Welt: Der Annapurna Circuit in Nepal, Teil 4: von Thanchok nach Chame, weiter  nach Upper Pisang bis nach Lower Pisang, wo ein Lama im Helikopter angeflogen kam.

An diesem fünften Tag unser Wanderung liefen Norman und ich vornehmlich entlang der Straße von Thanchok (2750m) über den etwas größeren und touristischen Ort Chyamche bis nach Dhikur Pokhari (3240m). Eine sehr anstrengende und lange Etappe.

Nach einer viel zu kalten Nacht, in meinem viel zu engen neuen Spitzenmarkenschlafsack aus Pokhara für Temperaturen bis minus zehn Grad ließen wir es gemütlich angehen! Zur Abwechslung bestellte ich mir Frühstück und genoss den Blick über das urige Dorf mit seinen Steinhütten, Lattendächern, Domen aus langen Nadeln und vor allem, den in der Morgensonne weiß strahlenden Bergen, die uns am Abend hinter Regenwolken verborgen geblieben waren.

Überall gibt es Linsen

Auf den Weg nach Chame kamen wir nach 40 Minuten durch den kleinen Ort Koto, wo wir uns aus einem Sortiment von Süßigkeiten, Mützen und Daunenjacken ein wenig Proviant besorgten. Packpferde liefen uns entgegen und Männer machten sich mit Beilen und riesigen Sägen auf den Weg, um Holz zu machen.

Obwohl es in den entlegenen Dörfern auf dem Trek fast überall riesige Solarkocher gibt, bereiten die Menschen ihre Mahlzeiten weitgehend auf Feuerstellen zu. Aufgrund der zunehmenden Entwaldung, wird den Touristen empfohlen das Kochen mit Kerosin zu unterstützen und in einer Gruppe das gleiche Essen zu bestellen.

Dal Bhaat gilt hierbei als das Nonplusultra, da es immer in großen Mengen vorhanden ist und es davon sogar Nachschlag gibt. Bekommen kann man allerdings alles, von Pizza über Nudeln, bis hin zu Pancakes und gebackenem Snickers im Teigmantel. Die meisten Guesthouses werben auch mit wärmenden Feuerstellen im Essensraum, auf die man als Wanderer abends nur ungern verzichten möchte.

„Brotkringeln kann Mann nicht widerstehen

Chame war größer als gedacht. Auch hier konnte man alles kaufen, was das Herz begehrt, es gab 24 Hours Hot Showers und Wifi in fast allen der vielen Herbergen. Eine Save Drinking Water Station, wo man sich sauberes ozongefiltertes Wasser abfüllen lassen kann, um den Plastikflaschenverbrauch möglichst gerig zu halten, gab es ebenfalls.

Wir gingen durch den gesamten Ort, vorbei an Gebetsmühlen und Bäckereien (Norman konnte trotz Abraten meinerseits den „Brotkringeln“ nicht widerstehen) hinüber über eine mit Gebetsfahnen geschmückte Brücke und aßen dort im Restaurant erneut Dal Bhaat. Ein Schweizer Pärchen verspeiste gerade einen Apfelkuchen, den wir uns als Nachspeise auch mal gönnten. Die Sonne schien heiß, doch die Wolken verdunkelten bereits die umliegenden Bergspitzen.

Immer weiter bis nach Dhikur Pokhari

Nach 45 Minuten erreichten wir den nächsten Ort, entschieden uns aber entgegen meiner Planung noch weiter bis Brathang zu laufen. Wir folgten der Straße, da uns der in der Karte eingezeichnete Abstecher verborgen blieb.

Erschöpft und hungrig in Brathang angekommen, fanden wir neben einem bewohnten Haus nur verfallene alte Hütten. Ein Guesthouse war nicht auszumachen. Also hieß es alle Kräfte zusammen zu nehmen und zwei weitere Stunden zum nächsten Ort zu laufen, wobei es dort laut Karte genauso wenige Unterkünfte geben sollte, wie in Brathang: Nämlich Keine. Ich war nicht so glücklich.

Und als der Track plötzlich von der Straße nach unten zum Fluss führte, gefiel mir das gar nicht! Wir wollten doch auf 3.200 m und nicht hinunter!!! Am Fluss angekommen zeigte ein Wegweiser über den Fluss. Doch die Brücke, an der der Wegweiser befestigt war, existierte nicht mehr vollständig. Daneben stand zwar eine neue Brücke, doch war der Zutritt durch drei Latten eindeutig gesperrt. Die ganze Gegend war geprägt von beängstigenden Landslides und so sah es ganz danach aus, dass der Track einem solchen zum Opfer gefallen war.

Zurück auf dem Weg?!

Wieder oben auf der Straße angekommen, mussten wir eine, mit mühseliger Arbeit aus den Stein gehauene, Passage überwinden. Gerade kamen noch zwei Jeeps und ein Traktor darüber gepoltert, der Abgrund zur einen, die steinige Wand zur anderen Seite. Also schnell rüber da!!!

Die Straße wurde dann plötzlich zu einer Sackgasse. Eine schmale Hängebrücke für Fußgänger führte über den Fluss, auf dessen gegenüberliegender Seite sich die Straße fortsetzte. Koffer, Säcke und allerlei Päckchen lagen dort bereit und warteten auf ihren Weitertransport.

Zu gern hätten wir auch unser Gepäck dort deponiert. Aber statt dessen gingen wir, die letzten Käfte mobilisierend, einen sehr sehr steilen, die Straße abkürzenden Weg empor und kamen in einen wunderschönen verwunschenen Nadelwald. Bretterverschläge, die wahrscheinlich als Notunterkünfte von Straßenarbeitern oder Händlern gebaut wurden, ließen uns kurz darüber nachdenken unser Nachtlager hier aufzuschlagen. Mystische Stein- und Nadelhaufen, Gebetsfahnen und das Grau der hereinbrechenden Nacht ließen uns dann aber doch zielstrebig weiterlaufen.

Im letzten Dämmerlicht erreichten wir dann Dhikur Pokhari. Und es gab Guesthäuser!! Neue rustikale Guesthäuser und lecker Dal Bhaat mit extra viel Knoblauch gegen die Höhenkrankheit!

Tag 6 und 7: Mit Durchfall nach Upper Pisang

Als wir nach den Strapazen des letzten Tages und der wenig erholsamen und recht kalten Nacht um 10:00 Uhr aus den Federn krochen, schien die Sonne schon grell am Himmel und eröffnete einen wunderbaren Blick auf eine weiße Kuppel aus Schnee über den mächtigen grauen Schieferplatten, die den Ort von einer Seite umgaben.

Ich machte ersteinmal Gebrauch von der, durch die Wirtin versprochenen richtig heißen Dusche. Nun ja, ich würde es wenn überhaupt lauwarm nennen! Halb erfroren setzte ich mich anschließend zu Norman und weiteren Wanderern, die schon eine erste Pause in unserem Guesthouse einlegten und genoss die wärmenden Sonnenstrahlen.

Nachdem uns ein koreanisches Dokuteam über unsere Reise interviewt hatte, gab es Knoblauch mit Kartoffeln zum Frühstück. Da Knoblauch als Mittel gegen die Höhenkrankheit angepriesen wird und Norman auf nun bereits 3000m Höhe über eine leichte Schnappatmung klagt, sortierte ich den Knoblauch geduldig für ihn aus.

Durchfall, Brücken und der IPod

Trotz Durchfallattacken mit Schleim und Blut machten wir uns auf den Weg nach Upper Pisang, denn dort sollte es laut Karte eine Health Care Station geben. Der Track verlief abseits der Straße, an einem kleinen See vorbei, über eine Holzbrücke, die ihre volle Abenteuerlichkeit erst entfaltete, als man schon fast am anderen Ende war. Gaaaanz langsam schob sie sich unter unserem Körpergewicht sehr spürbar zu einer Seite. Gruuuselig! Vielleicht hing deshalb auch fünf Meter daneben eine andere Brücke.

Der Track ging durch eine offene Graslandschaft mit kleinen knorrigen Kiefern und Wacholdersträuchern. Ein angenehmer Geruch, der mich an Kräuterkissen und Norman an die Lüneburger Heide erinnern ließ, wehte uns ständig in der Nase. Die Sonne schien, die Sicht war gut. Herrlichstes Wanderwetter!

Als wir am Höhentrainingslager der Nationalelf ankamen, fiel Norman dann ein, das er seinen Ipod, den er zum Laden abgegeben hatte, vergessen hatte. Also wartete ich im Schutz von verlassenen Steinhütten auf seine Wiederkehr. Nach 1,5 Stunden, die ich lesend und träumend z.T schwitzend in der Sonne, z.T frierend bei heranziehenden Regenwolken verbrachte, war er wieder zurück, allerdings ohne IPod. Das Guesthouse hatte geschlossen.

Nette Nachbarn halfen Norman die Familie zu kontaktieren, die in Lower Pisang bei den Vorbereitungen zu einem Festival beschäftigt waren. Doch wollte Norman mich nicht so lang warten lassen und kam kurzerhand zurück, um mir Bescheid zu geben und den Weg anschließend nochmals zurück zu legen.

Teure Tabletten

Eine Stunde später liefen wir dann gemeinsam entlang eines angenehmen Weges, direkt nach Upper Pisang. Ein weiteres kleines Dorf, das mit seinen alten z.T. verfallenen Steinhäusern und Holzstapeln sehr urig wirkte. Eigentlich kann man sich oft gar nicht vorstellen, dass dort tatsächlich Menschen wohnen.

Wir schlugen uns durch die verwinkelten schmalen Gassen, des am Berghang befindlichen Ortes und suchten uns ein Guesthouse, das uns mit zwei Fenstern zu zwei Seiten wahnsinnige Blicke über das Dorf und die Berge eröffnete. Die Wirte waren sehr sehr nett, zeigten uns das staatlich organisierte Medical Center, welches eigentlich kostenlos sein soll und erzählten uns ebenso vom Festival in Lower Pisang.

Als wir zum Arzt gingen fanden wir an diesem eher karg und unwirtlich dreinblickenden Ort sogar ein Internetcafé. Doch war auch dies aufgrund der Festivitäten geschlossen. Nachdem Norman dem Dorfarzt von seinem schleimigen und blutigen Durchfall erzählte, gab dieser ihm ohne weitere Fragen mit sehr gebrochenem Englisch zwei Pakete Tabletten und verlangte dafür 1500 Rupees.

Nach kurzer Rücksprache mit einem befreundeten Hypochonder, schluckte Norman die verordneten Tabletten. Bei einer Hot Lemon und einem Dal Bhaat, entschieden wir dann eine Pause in Upper Pisang einzulegen und uns am morgigen Tag das Festival anzuschauen.

Ein Lama wird erwartet

Wir schliefen aus und gingen mit der Oma des Wirtes hinunter nach Lower Pisang. Unzählige Gebetsfahnen wehten von einer, in Plastikfolie gehüllten Buddha-Statue im Wind, immer den Berg empor. Alte Frauen saßen in einer extra gebauten Festhütte und hantierten mit roten Schnüren, Mönche und Nonnen kreierten wunderschöne Ornamente und Blumen aus buntem Wachs, andere Helfer fädelten weitere Fahnen auf eine Schnur und andere schanken Tee aus oder beteten.

Das eigentliche Festival aber sollte erst Morgen stattfinden. Um 7:00 sollte ein Lama aus Kathmandu mit einem Helikopter kommen und ein paar Tage in einer extra für ihn gebauten Holzhütte am Berghang wohnen.

Wo wir schonmal unten waren, schauten wir uns Lower Pisang an und tranken Tee. Anschließend besuchten wir das Kloster in Upper Pisang und meditierten bei einer Hot Lemon.

Der große Lamabesuch

Aufgrund des Lamabesuchs herrschte große Aufregung in unserem Guesthouse. Um 4:30 Uhr erwachten die ersten Familienmitglieder, um sich richtig schön herauszuputzen. Unser Wirt versuchte wild umherrennend und an Türen klopfend mit seiner bunten Fellmütze und einem schwarzen Umhang sicherzustellen, dass alle Gäste um 6:00 Uhr verschwunden sind. Den Franzosen kümmerte das allerdings eher weniger.

So einen hohen Besuch wollten wir natürlich auch nicht verpassen und gingen mit Sack und Pack den steilen Weg hinunter nach Lower Pisang. Viele Männer trugen ähnliche Umhänge und Mützen, während die Frauen ihre schönsten Tücher und einen traditionellen Rock, mal hellgrau, mal bläulich, mal dunkler aber immer mit in Karos angeordneten Punkten herausgesucht hatten.

Ihre Haare waren geflochten und mit bunten Bändern und anderem Schmuck verlängert. Die fertigen Wachsblumen standen auf einem Tisch in der Festhütte, dazwischen Räucherstäbchen und Kekse. Neben der Hütte wurden Zweige verbrannt.

Überall warteten die Menschen mit Tibetischem Yak-Butter-Tea und Tsampa auf die Ankunft des Lama. Die Wolken lichteten sich, aber der Lama wollte trotzdem noch nicht erscheinen. Wir machten uns stattdessen also lieber auf den Weg!

Im nächsten Teil steigen Anja und Norman weiter aufwärts, sehen das erste mal das ganze Ausmaß des Annapurna II und sind mehr als beeindruckt vom Himalaja, dessen Berge scheinbar erst dort anfangen wo andere enden.

Was bisher geschah: Die Überschreitung der 2000 Meter Marke lest ihr hier.

Im zweiten Teil übernachten Anja und Norman in einem bunten Hostel und fragen sich ob sie nicht eigentlich die ganze Zeit im Kreis gehen.

Teil eins der Trekkingtour und wie sich Anja und Norman vorbereitet haben gibt es hier!


One Response to Teil 4: Von Übelkeit und fliegenden Lamas

  1. Klaus says:

    Sehr schöne Reisegeschichte, man kann in Gedanken förmlich mitwandern, freue mich schon auf die Fortsetzung!

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