Wie bereits in den letzten fünf Jahren wollten wir in drei-köpfiger Besetzung auch dieses Jahr wieder eine Tour durch die Natur unternehmen. Nach dem Sarek Nationalpark und Korsika in den vergangenen zwei Jahren entschieden wir uns diesmal zwischen dem Atlas Gebirge und dem Fagaras für die wohl sicherere und auch spannendere Variante in Europa.

Zur Vorbereitung besorgten wir uns die Munti Fagaras 1:60.000 Wanderkarte DIMAP und einzelne Reiseberichte aus dem Internet. Durch berufliche Kontakte hatten wir zudem in Sibiu mit Andre einen ortsansässigen Rumänen, der für uns nicht nur die An- und Abreise organisieren konnte, sondern zudem wertvolle Tipps parat hatte und uns schöne Plätze in der fantastischen Altstadt Sibius zeigen konnte.

Wir erreichten Sibiu am 13. Juni mit dem Flugzeug von München und hatten geplant, Sonntagmorgen zu starten um das Gebirge von West (Sebesu de Sus) nach Ost (Sambata) zu begehen. Die Wetterprognosen waren nicht allzu schlecht, auch wenn uns mehrere Locals bereits vorher darauf hingewiesen hatten, dass die geplante Route aufgrund des Schnees in den höheren Lagen wohl komplizierter werden könnte.

Nach etwa zwei Stunden in der Stadt und dank der tatkräftigen Unterstützung eines Ladenbesitzers, der seinen Laden eigentlich schon mittags geschlossen hatte, konnten wir drei Schraubkartuschen (die sonst nirgendwo zu finden waren!) organisieren. Andrea warf uns anschließend mit sechs Bieren am Fuß des Gebirges an einem wunderschönen natürlichen Zeltplatz raus und wir waren gegen 12 im Bett.

Tag 1: Im exzellent beschilderten rumänischen Wald
Nach längerem Schlaf machten wir uns um 12 auf in Richtung Berge. Unser erstes Tagesziel war der Saua Surului / Suru Sattel mit Weg über den Șaua Suru. Wie immer begann die Route mit einem etwas eintönigen, doch nicht minder anstrengenden, Aufstieg durch den rumänischen Wald, der jedoch exzellent beschildert war.

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Der Anstieg begann sportlich und die schwülen Temperaturen sorgten dafür, dass wir schon nach kurzer Zeit auf Betriebstemperatur waren. Wasserstellen waren jedoch zur Genüge vorhanden und so lief der Aufstieg ziemlich flott bis wir auf etwa 1.500m auf die erste bewirtete Hütte Cabana Suru stießen.

Prospekte und Reiseberichte preisen diese für Ihr großartiges Gulasch an. Von unserer Ankunft schien der Wirt jedoch eher überrascht und so fühlten wir uns in einer großen rumänischen Gruppe nicht allzu wohl. Wir kauften drei Bier und bekamen als Dank noch frisch gegrilltes Schaaf im Toastbrot auf die blanke Hand. Ein traditionelles wie zähes Erlebnis mit Blick in die mittelfingerdicken Arterien.

Nach 20 min machten wir uns daher wieder auf Richtung Gipfel und wurden bei der nächsten Rast eine gute Stunde vom Tagesziel entfernt vom Regen überrascht – dies sollte uns noch häufiger passieren. Im strömenden Regen und bei heftigen Winden erreichten wir gegen 16 Uhr den Zeltplatz, der genau in der Schneise zwischen zwei Hügeln lag.

Dort verbrachten wir die folgenden Stunden still im Zelt, darauf  hoffend dass uns weder Stoff noch Gestänge im Stich lassen und wir zumindest etwas auf wärmere Temperaturen kommen. Gegen 8 beruhigte sich das Wetter und nach einem kurzen Spaziergang und Abendbrot haben wir geschlafen.

Tag 2: Unter’m Schleier
Nach einem etwas verhaltenen Morgen rissen die Wolken gegen 9 Uhr tatsächlich auf und schenkten uns so nicht nur den ersten Sonnenschein in den Bergen, sondern auch einen Blick in das Tal, das wir am Vortag durchquert hatten. Nach einem gemütlichen Frühstück packten wir unsere Sachen mit dem Ziel Saua Serbota.

Während sich die ersten Kilometer gut laufen ließen, überraschte uns nach etwa zwei Stunden einmal mehr das Wetter kurz nach dem ersten Gipfel, dem Varful Scara. Zu den inzwischen schon bekannten und auch befürchteten Winden und Regen kam, kurz bevor wir den wunderschönen Bergsee Lake Avrig erreichten, nun auch Nebel dazu, der das Wandern nicht nur ziemlich eintönig, sondern auch gefährlich machte.

Zugegeben, auch der wohl lustigste Moment der Reise fiel in diese Zeit, als Micha den voraus gelaufenen Chris suchend mit voller Inbrunst gerufen hatte, und nur ein trockenes leises „Ja“ zur Antwort bekam … er stand drei Meter neben uns. Glücklicher Weise waren wir in einem Gebiet vor dem Saua Serbota, wo in unserer Karte eine Schutzhütte eingezeichnet war. Nach wenigen Minuten des Suchens wurden wir fündig.

Leicht frierend und einmal mehr mit einer Menge nasser Klamotten betraten wir bereits um halb zwei die Schutzhütte und sollten bis zum kommenden Morgen hier bleiben – die ideale Voraussetzung für einen gemeinschaftlichen Lagerkoller. Zumindest ich konnte mich nicht so recht entscheiden, ob ich dankbar für die Hütte sein sollte oder doch eher genervt, da ich selten an einem ungemütlicheren Ort war.

Es war kalt, der Wind heulte um die Hütte und der Regen prasselte auf das Wellblechdach. Die Ungewissheit, wie das Wetter am Folgetag werden sollte, tat ihr Übriges. Dennoch waren wir froh, Zuflucht gefunden zu haben, sodass wir irgendwann alle für ein paar Stunden eingeschlafen waren.

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Tag 3: Plan B muss herhalten
All die Hoffnung der vergangenen 18 Stunden in der Schutzhütte, am nächsten Tage besseres Wetter vorzufinden wurden mit dem ersten Augenöffnen zerschlagen: Wind, Regen, Kälte, Nebel… nichts hatte sich geändert. Jedoch waren wir auch überzeugt, nicht länger in der Hütte bleiben zu wollen und machten uns auf Richtung Saua Serbota.

An der letzten Wegkreuzung angekommen standen wir vor der Wahl, der eigentlichen jedoch auch gefährlicheren Route zwischen Varful Serbota und Negoiu dem Saua Cleopatrei zu folgen oder eine verkürzte Route in Richtung Cabana Negoiu, einer beheizten und bewirtschafteten Unterkunft, zu wählen.

Wir entschieden uns aufgrund der Wetterverhältnisse für Plan B. Waren die ersten km bei geringer Sicht gut zu bewältigen, erschien uns das Klettern auf dem Kamm, das bei trockenem Wetter, leichtem Gepäck und Sonnenschein sicher einen Heidenspaß macht, von Minute zu Minute gefährlicher und als wir im letzten Drittel die Wahl hatten, den nur gelegentlich mit gefühlt immer zu kurzen Ketten gesicherten Steig weiter zu folgen oder eine Abkürzung über das Schneefeld zu nehmen, waren wir uns einig.

Dies erschien zunächst einfacher, als es letztlich war. Mit vollem Gepäck kletterten wir, unser Stöcke als Pickel benutzend, unter nassen Wetterbedingungen äußerst langsam mit den Füßen voraus auf der Schneedecke abwärts. Dies fordert nicht nur sehr viel Kraft, sondern auch Konzentration.

 

Ich verlor diese nach 10 m und schlitterte Meter um Meter abwärts ins Tal, wo nicht nur diverse Brocken im Weg waren, sondern auch Chris der schon weiter vortgeschritten war. Eine Mischung aus Lenken, mit den Füßen bremsen und Chris‘ Griff um meinen Arm führte dazu, dass ich irgendwie rechtzeitig zum Halt kam.

Komplett durchnässt, mit blutigen und kalten Händen und meinen eine Woche zuvor im CAMP4 erworbenen Black Diamond Stöcken irgendwo im Nirvana liegend kam ich unten zum Stehen. Die Stöcke habe ich nicht wiedergesehen, war allerdings in diesem Moment vor allem froh, gesund unten angekommen zu sein.

Glück gehabt, aber zunächst galt es noch, den Berg schnellstmöglich zu verlassen denn die Schmelzflüsse, der Regen und ein sehr unsicheres Gefühl beim Laufen versprachen nichts Gutes. Um einem möglichen Erdrutsch zu entrinnen und Zuflucht zu finden, sind wir auf dem schnellsten (doch nicht minder vorsichtigen) Wege zur Cabana gelaufen. Hier fanden wir einen Ofen, eine warme Mahlzeit und Schutz vor dem Wetter.

Ein unbeschreibliches Gefühl, und es folgte der Entschluss, von nun an nur noch Tagestouren mit leichtem Gepäck und Home Base zu laufen. Wir gönnten uns einige Biere, Omelette und Schnaps zur Belohnung, während der Ofen in unserem Zimmer auf Hochtouren lief und trafen hier auch das erste Mal weitere Wanderer aus Polen, die den Weg in entgegengesetzter Richtung liefen.

Tag 4: Auf den Bär gekommen
Sichtlich erschöpft vom Vortag tranken wir morgens unseren Kaffee und beschlossen nach einigem hin und her beim Anblick des aufklarenden Himmels, nun doch noch einmal mit dem Rucksack weiter zu ziehen, da sich das Wetter zu bessern schien. Wir verließen die Cabana und hatten zum Ziel, die wohl gemütlichste und komfortabelste Unterkunft Cabana Balea Lac zu erreichen.

Zurück im Tal, das wir am Vortag durchquerten, bei warmen Temperaturen und Sonnenschein waren wir das erste Mal in der Lage, die Schönheit der Natur hier zu genießen, und gönnten uns eine längere Rast. Hier entdeckten wir auch das erste Mal sehr frische und durchaus große Tatzenspuren, die ein Bär wohl kurz vor uns hinterlassen hatte. Näher kamen wir den wild lebenden Bären im Laufe unseres Urlaubs leider nicht – zumindest ich fand das etwas bedauerlich.

Es folgte der erste Aufstieg und die Frage, welcher Weg nun zu gehen sei. Chris und Micha wollten zunächst den Negoiu besteigen, was ich definitiv vermeiden wollte. Nachdem der Himmel wieder zuzog und Gewitter im Anmarsch war, entschieden wir uns gemeinsam für die einfachere Tour über den Strunga Ciobanului, was im Nachhinein nur als sehr glücklich bewertet werden kann.

Konnten wir die ersten Schneefelder (Erinnerungen wurden wach) noch verhältnismäßig leicht passieren, stellen wir fest, dass der zu passierende Sattel komplett verschneit war. Umkehren oder versuchen … wir entschieden uns für den Versuch. In einem größeren Kraftakt schufteten wir uns erneut ohne Steigeisen den Sattel hinauf und waren wohl alle gleichermaßen überrascht, dass dieser auf der anderen Seite nicht viel besser aussah.

Da die Rückwärtskletterstrategie nach Mittwoch nichtmehr in Frage kam, quetschten wir uns bei nun erneut stark einsetzendem Regen zwischen Schneefeld und Gestein nach unten. Unsere Rucksäcke hatten wir vorher bereits nach unten schlittern lassen.

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Nachdem diese Technik tatsächlich aufging, ging es darum, dem Weg auf den letzten paar hundert Meter weiter zu folgen, um in der Hütte Cabana Belea Lac zu nächtigen. Nach ein paar Metern entdeckten wir allerdings schon von weitem, das bei der nächsten Biegung kein Durchkommen war, ganz gleich wie waghalsig man ist. Die dünne steile Schneeschicht machte ein Passieren auch für uns unmöglich und somit saßen wir bei Kälte und Regen mit nasser Kleidung in einem quasi unerschlossenen Tal fest.

Die einzig denkbare Richtung war die entlang des Flusses stromabwärts zwischen den Klüften in der Hoffnung, irgendwann einen Hinweis zu finden. Nach mühevoller Kletterei vom Sattel und etwa drei Stunden Marsch durch äußerst unwegsames Gelände, fanden wir eine verlassene Hütte, in der wir unser Lager aufschlugen. Nicht ohne vorher die Augen erschrocken zu weiten, denn unser Weg war gesäumt von Bärenspuren.

Damit Chris und Micha in Ruhe schlafen konnten, wurden die Stümpfe vor der Nacht vor die Tür gestellt, um den Eingang zu blockieren. Nur für alle Fälle. Der Bär kam nicht, so richtig schlafen konnten die beiden dennoch nicht.

Tag fünf: Zurück in die Zivilisation ist nicht einfach
Um acht erwacht machten wir uns alsbald auf, den Weg zurück in die Zivilisation zu finden. Wir konnten bereits von weitem sehen, dass der Weg durch das Tal aus dem Gebirge sehr lang und umständlich ist, doch war dies unsere erste Wahl. Auch weil wir die Hoffnung hatten, doch einen der vereinzelt in der Karte markierten Wege zu finden.

Dies setzte allerdings auch voraus, zu wissen, wo man sich befindet. Was folgte, war ein stundenlanger Hindernislauf über Gestrüpp, Baumstämme, Moose, Erdlöcher und immer wieder neue Bergflüsse, die zu umzulaufen mehr als umständlich war.

Auch nach vier Stunden waren wir nicht der Meinung, ernsthaft vorangekommen zu sein. Wir entschlossen uns daher, auf den rechten Kamm zu steigen, wo zum einen ein Weg sein sollte, und selbst wenn nicht, wir zumindest wussten dass die Transfagaras, die bekannteste Gebirgsstraße Rumäniens, vorbei führt.

Dieser Anstieg, zumal in meinem Fall ohne Stöcke, war das wohl anstrengendste, was ich jemals getan habe. Nicht nur die körperliche Anstrengung, auch die Gefahr doch einmal an den steilen Hängen abzurutschen, die Enttäuschung beim Erklimmen jedes Hügels wenn man doch noch nicht oben war und die Ungewissheit, ob der Plan tatsächlich aufgeht, waren ebenso kräftezehrend. So kamen wir nach wohl 90 min Anstieg ohne Weg und mit jeweils 100 ml Wasser in der prallen Sonne auf dem Kamm an und sahen … zunächst nichts.

Nach einer kurzen Pause beschlossen wir, auf dem Kamm weiter taleinwärts zu laufen in der Hoffnung, doch irgendwo weiter zu kommen. Und tatsächlich fanden wir bald einen Forstweg und frisches Wasser. Eine Stunde später waren wir an der großen Gebirgsstraße, riefen Andre an und ließen uns erst in ein exquisites Restaurant mit eigener Fischzucht und dann in ein Hotel fahren. Wir hatten die Reise tatsächlich überstanden und zumindest mir war vollkommen egal, dass die Route gänzlich anders und kürzer als geplant gelaufen ist.

Fazit:
Erwähnenswert ist im Nachhinein, dass die Wege regelmäßig und eindeutig markiert waren. Handyempfang hatte man in den höheren Ebenen, doch längst nicht überall. Zugriff auf Wasser hatten wir immer mehrmals innerhalb eines Tages, was jedoch sicher auch durch den Regen bedingt war. Dies mag im Hochsommer anders sein.

Zusammenfassend war dies zumindest für uns die anstrengendste und durch unser sicher auch etwas übermütiges Verhalten gefährlichste Tour. Dass wir nur annähernd den halben Weg geschafft haben, ist uns nicht nur egal, weil wir dennoch Beeindruckendes erlebt und gesehen haben, sondern auch weil alle wieder gesund nach Hause gekommen sind.

Unbedingt zu empfehlen sind neben dem Gebirge selbst ein paar freie Tage in Sibiu. Eine fantastische Stadt, in der schon das bloße Anwesendsein großen Spaß macht und sowohl exzellentes Essen als auch reichhaltige Kultur angeboten werden. Auch wenn aufgeschlossenes Auftreten und Lächeln nicht so ganz in der rumänischen Natur zu liegen scheinen, haben wir uns überall zu jeder Zeit sehr wohl und sicher gefühlt. Bis zum nächsten Mal.