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Und wieder einmal die Pyrenäen!

Ausblick auf Ordesa. Alle Bilder: Henning Dieses Jahr ging es auf dem wohl spektakulärsten Abschnitt des HRP (Haute randonnée pyrénéenne) weiter Richtung Westen. Im Gegensatz zum letzten Jahr der totalen Einsamkeit gab es dieses Mal an einigen Orten ein ziemliches Gedränge zu beobachten; bei dem Naturspektakel das einem im Nationalpark Ordesa y Monte Perdido oder in Gavarnie geboten wird aber auch nachvollziehbar. Dank überragenden Wetters wieder eine hervorragende Tour im Hochgebirge der Pyrenäen.

Dieses Jahr stand für mich und meine Reisegefährtin von Anfang an fest, wo es hingehen sollte – der letzte Abschnitt des wilden Hochgebirges der Pyrenäen sollte angegangen werden. Schon bei der Planung schwang für mich ein Hauch Wehmut mit; schließlich sollte ich das Kapitel HRP für mich dieses Jahr erst einmal abschließen – auch wenn ich in nicht allzu ferner Zukunft sicher noch einmal einen Thru-Hike angehen muss.

Aber natürlich überwog die Vorfreude, denn dieses Jahr sollten die großen Highlights der Pyrenäen drankommen; auch eine letztes Jahr so schmerzlich vermisste Gipfelbesteigung sollte zum Programm gehören.

Ausrüstung die sich bewährt

Nachdem ich zum letzten Jahr meine Ausrüstung nach ultralight-Aspekten modernisiert hatte, gab es dieses Jahr enttäuschenderweise wenig zu beschaffen. Im Prinzip hatte sich alles bewährt; selbst die ultralight-Carbon-Wandertöcke, von denen mir jeder in Hinblick auf meine Hochgebirgstour abgeraten hatte, haben ihren Zweck voll und ganz erfüllt. Im Endeffekt gab es noch etwas Icebreaker-Merino-Ware; der Rest blieb beim Alten.

Unsere Route sollte dieses Mal etwas weniger weglos verlaufen; nach den Strapazen des letzten Jahres konnte man sich ja zur Abwechslung mal etwas Erholung gönnen. Geplant waren 14 Wandertage mit wahnsinnigen drei Ruhetagen, von denen nur einer für zusätzliche Gewaltmärsche genutzt wurde. Größtenteils auf dem HRP führte uns unsere Route von Bagnères de Luchon bis nach Gabas beim Pic du Midi d’Ossau; es wurden dann ca. 220km und 17000 Höhenmeter – alles bestens also.

Ein guter Anfang

Am 2. August um 10:30 Uhr war es dann soweit; wir stiegen im altbekannten Luchon aus dem Bus der SNCF. Dieses Mal gab es keine direkte Nachtzugverbindung von Paris nach Luchon; ab Toulouse mussten wir uns mit langsameren öffentlichen Verkehrsmitteln herumschlagen, die aber nicht weniger zuverlässig unterwegs waren.

Bei strahlendem Sonnenschein plagten wir uns dann mit etwas zu wenig Wasser die veranschlagten 1700 Höhenmeter bis über den ersten Pass hoch. Anfangs ging es noch durch ein Skigebiet mit perfekten Wanderwegen, die natürlich von pilgernden Massen bevölkert wurden – die gute Erreichbarkeit mit dem Auto machts möglich.

Nach dem Pass wurde die Landschaft dann endlich etwas rauer; auch die Dichte der oberkörperfreien Junggesellenabschieds-Wandergruppen ließ glücklicherweise nach, sodass wir wie erhofft ein wunderbares Tal zum Zelten für uns alleine hatten.

Der nächste Tag bot dann gleich eins meiner persönlichen Highlights – unseren höchsten Pass, den Col de Gourgs Blacs mit 2877m. An der Hütte vor dem Pass riet uns der freundliche Hüttenwart eine Alternativroute zum Pass, die uns über einen der vorgelagerten Gipfel führen sollte.

Eine gute Entscheidung wie sich herausstellte; der ursprüngliche Weg führte über ein unschön steiles Schneefeld. Ab 2700 Höhenmetern wurde es dann auch gleich wieder weglos; dank des Wetters und der sehr abwechslungsreichen Route mit kleineren Klettereinlagen und einigen Schneefeldern konnte man sich einmal richtig austoben.

Am finalen Anstieg zum Pass konnten wir uns dann vor lauter Übermut nicht einmal auf eine gemeinsame Route einigen; schließlich ging jeder den Weg, den er oder sie für am besten geeignet hielt. Meine Variante stellte sich leider als brandgefährlich rutschender Schutthang heraus; aber immerhin war der Weg etwas kürzer.

Unsere zweite Nacht bot eine gute Gelegenheit das Vertrauen ins eigene Zelt etwas aufzufrischen; es entlud sich ein derart kräftiges Gewitter über uns, wie ich es bisher selten erlebt habe. Beide Zelte haben die Herausforderung aber wie erwartet mit routinierter Gelassenheit ertragen …

Supermärkte und wahnsinnige Pferde

Die folgenden zwei Tage führten uns durch wunderschöne Bergwildnis und spannende Bergbau-Kulturlandschaft in das spanische Parzan; selbstverständlich bei bestem Wetter. Hier durften wir die Anwesenheit von gewaltigen drei großen Supermärkten genießen, die anscheinend dank der Tunnelverbindung nach Frankreich koexistieren können. Weniger schön wurde dann erwartungsgemäß eine 5km-Passage an der Hauptstraße Richtung Frankreich bis man auf den nächsten Wanderweg stößt.

Spätestens beim Verlassen von Parzan stand das nächste große Zwischenziel fest – der legendäre Cirque de Gavarnie. Dazu durchquerten wir zahlreiche, mehr oder minder von Tagesausflüglern bevölkerte Täler; ständig auf nahezu perfekten Wegen bei bestem Wetter.

Weite Teile führten uns durch den französischen Parque National des Pyrénées – von dem ich annahm, dass es sich um einen Nationalpark handeln musste. Die enorme Menge der Weidetiere die den Park abweiden und verwüsten sprechen allerdings gegen diese Annahme. Daher wurde unsere Haltung gegenüber den Huftieren mit der Zeit immer feindseliger; auch wenn es an sich feine Tiere sind.

Als kleine Wiedergutmachung durften wir dann ein tierisches Spektakel beobachten; bei dem mehrere prächtige Pferde im Galopp einen Hund verfolgten und versuchten diesen mit Huftritten zu Fall zu bringen. Da keine Fohlen anwesend waren konnte ich mir die Situation bis heute jedenfalls nicht erklären; sie ließ uns jedenfalls leicht traumatisiert weitertaumeln.

Regen in Gavarnie – Warum?

Als wir Tage später schließlich auf dem Pass mit Blick ins Tal nach Gavarnie hinein standen, war klar, dass unser so herbeigesehnter Gavarnie-Tag keine Freude werden würde – uns erwartete ein kompletter Tag Gewitter-Dauerregen.

Es erwies sich im Laufe des Tages, dass meine treue Mammut-Hardshell ihre besten Tage bereits hinter sich gelassen hatte – welch ein Wunder. Durch ein Missgeschick beim Packen wurde sogar mein Schlafsack nass und sollte mir dadurch eine sehr ungemütliche Nacht bescheren. Notiz für die Zukunft: niemals, wirklich niemals den Schlafsack in einem wasserdichten Packsack verstauen der unverschlossen ist!

Das von den Sturzfluten touristengereinigte Gavarnie hatte etwas Tristes an sich; für uns wurde es zu einem kalten Vergnügen. Immerhin fanden wir eine winzige Épicerie, in der uns die extrem alte Dame hinter dem Tresen mit den feinsten Köstlichkeiten aus der französischen Provinz versorgte. Da wurde uns auch schnell wieder der gewaltige Unterschied zwischen der französischen und der spanischen Küche bewusst.

Gavarnie und Ordesa – besser wird’s nicht!

Nach einer akzeptablen Nacht auf einem Feld direkt bei Gavarnie wurden dann endgültig alle Hoffnungen auf freie Sicht im Cirque vernichtet; der Felskessel war komplett zugenebelt. Frustriert und enttäuscht schleppten wir uns bis in den Cirque hinein, entschieden uns dann aber eine Weile auf eine Wetterbesserung zu warten.

Und wie gerufen kam diese dann auch – unglaublich. Der Nebel, der die atemberaubenden Felswände verhangen hatte, gab diese Stück für Stück frei, so dass wir schließlich unter blauem Himmel im menschenleeren Cirque du Gavarnie unseren Aufstieg zur Brèche de Roland wagten. Um die Situation noch weiter zu verbessern fanden wir während der netten Kletterpartie büschelweise Edelweiß; seine Anwesenheit ist also doch keine Legende!

Der nun anstehende Pass, die Brèche, ist der wohl spektakulärste Pass auf dem HRP. In einer gewaltigen, auf beiden Seiten mindestens senkrechten Felswand befindet sich ein zahnlücken-ähnlicher Durchbruch, durch den man auf 2807m die Grenze in den spanischen Ordesa-Nationalpark überschreitet.

Ab der Hütte vor dem Pass nahm die Menschendichte mit einer derartigen Rasanz zu, dass man sich schließlich fast nur noch in einer Menschenschlange zum Pass hinaufwälzen musste, nur um dann auf Passhöhe eine Schulklasse dabei beobachten zu können, wie sie an die Alpendohlen Chorizo-Scheiben verfütterten. Ansonsten natürlich ein großartiger Pass; nach Spanien hinein bot sich ein fabelhafter Ausblick.

Schwindelfreiheit und Gipfelglück

Bei schönster Morgensonne durften wir am Nächsten Tag den Ordesa-Canyon in seiner vollen Pracht bewundern – es ging über die Faja de las Flores, ein schmales, gefahrlos begehbares Felsband in der senkrechten Nordwand des Canyons. Dank unseres frühen Abmarschzeitpunktes konnten wir die Faja in kompletter Menschenleere genießen. Ohne ein gutes Maß an Schwindelfreiheit sicher ein absoluter Albtraum, für uns aber ein großes Erlebnis.

Um die Güte des Wandertages noch weiter in die Höhe zu treiben, entschloss ich mich am Nachmittag den Gipfel des Monte Perdido mit seinen 3355m zu besteigen. Da meine Wandergefährtin diesen Wunsch nicht so brennend verspürte; machte ich mich dann mit drastisch verringertem Gepäck (in der Hütte am Gipfelanstieg gab es Schließfächer) alleine zum ersehnten Anstieg auf.

Die vom Hüttenwirt prognostizierten drei Stunden schaffte ich auf gut zwei Stunden zu reduzieren; ohne Rucksackgewicht flog ich förmlich die 1000 Höhenmeter hinauf. Trotz der mir entgegenströmenden, bunt bekleideten Massen hatte ich den Gipfel dann gegen 18 Uhr für mich alleine. Einfach nur fantastisch!

Die letzten Tage Richtung Paris

Von nun an gab es nur noch das eine große Ziel: Paris! In unseren letzten Tagen kamen wir durch das touristische Torla und überschritten danach noch so einige Pässe. Der Ausblick auf das fantastische Massiv du Vignemale (3298m) war einer der Höhepunkte; ansonsten konnte nichts mehr an die Gavarnie/Ordesa-Erlebnisse heranreichen.

Angetrieben von der Paris-Vorfreude akzeptieren wir die plötzlich eingebrochene Kältewelle (mit Neuschnee) und schafften schlussendlich den Abstieg vom Pic du Midi d’Ossau zur Bushaltestelle im winzigen Gabas, von wo aus wir mit diversen Verkehrsmitteln ins ersehnte Paris aufbrachen.

Insgesamt eine perfekte Tour, es hätte wenig besser laufen können. Ich freue mich schon jetzt auf meine nächste Tour in den mir ans Herz gewachsenen Pyrenäen – auch wenn es sicher noch ein Weilchen bis dahin dauern wird.


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