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Gechilltes Drill-Camp auf Bosnisch

slider2Wer den Weg über Österreich, Slowenien und Kroatien nach Bosnien und Herzegovina wagt, findet keine 15 Minuten Fahrt entfernt von Banja Luka, der zweitgrößten Stadt des Landes, den Tijesno Canyon. Malerische Idylle, durchflossen vom Vrbas, steiler Kalk. Bosnien hat eine Menge zu bieten!

Viele wissen das allerdings noch nicht. Tijesno Canyon ist bisher noch kaum erschlossen, kein Kletter-Winter-Mekka wie Spanien, Griechenland, die Türkei oder Marokko. Noch nicht jedenfalls. Zusammen mit engagierten Locals des Penjački klub Extreme Banja Lukahat der Wiener David Lemmerer letztes Jahr das „Drill and Chill Climbing and Highlining Festival“ ins Leben gerufen.

Entwicklungshilfe am Fels

Dieser Outdoor-Tourismus soll eine Chance für die ökonomisch seit dem Jugoslawienkrieg zerrütteten Region sein. Entwicklungshilfe am Fels quasi. Etwa 150 Mitstreiter der europäischen Kletter- und Highline-Szene trafen sich vom 8.-18. September, um am riesigen Potential des Tijesno Canyon zu schnuppern.

Und für 40€ Teilnahmegebühr zur Non-Profit-Kostendeckung (inklusive Camping, Duschen, Shirt und Dinner) war das Programm ein Hammer. Letztes Jahr sind bereits etwa 80 Seillängen zwischen 5 und 9a in den verschiedenen Sektoren zwischen Amfiteater un Oker entstanden. Auch 5 Highlines waren es bisher zwischen 25m und 110m.

Dieses Jahr wurde nochmal draufgesetzt! Es wurde bei hochsommerlichen 30°C und mehr zehn Tage lang gebohrt, was der Bohrhammerakku hielt. Denn im Kalk des Tijesno Canyon gibt es echt alles. Lange wie kurze Linien zwischen 20m und 250m, Plaisir-Touren und krass-harte Brocken zum Krallen an Platten, in der Vertikale und Dächern.

Hier und da sind die Touren mit Rissen und Sintern gespickt, einfach alle kommen auf ihre Kosten, egal, ob nur zum Klettern und Highlinen dort oder auch mit Bohr-Interesse.

Viel mehr als nur Leisten, Henkel und Risse

Die Atmosphäre des Drill & Chill macht halt vor allem aus, dass es ein unglaublich offenes Camp ist: Niemand muss – alle wollen aber. Der unermüdliche Dzenan Hozic war Tag ein Tag aus am Felsen mit den absoluten Frischlingen unterwegs – wie mit mir zum Beispiel.

Viele kamen, wie ich, ohne Bohrerfahrung aber einem Sack voll Motivation nach Bosnien, um mit Spaß zu lernen. Harter Drill? Keinesfalls! Es gab Bolter’s Workshops für Kletterrouten und Highlines, bei denen man die Basics gelernt hat.

Durch die vielen angereisten Highliner war die Stimmung zwischen allen extrem locker und es hat sich nicht rund um die Uhr alles nur um Leisten, Henkel und Risse gedreht – voll die Bereicherung! Nebenbei wurde übrigens von Julian Mittermaier ein Highline-Weltrekord auf der 413m (!) langen Sonic-Line (aus Polyamid/Nylon) quer über den Canyon aufgestellt. Die ist er, ganz nebenbei erwähnt, onsight gelaufen. Hin und zurück. Bei einem Slack von 50m schindet das Eindruck.

Hänger versenken als Belohnung

Zurück zum Bohrer: Kein Preis ohne Schweiß. Denn der überwiegende Teil des Routenbohrens wurde für uns – vor allem in den einfachen Touren – vom Säubern eingenommen. Dann ging das Bohren selbst eigentlich ganz fix. Die von Fischer, AustriAlpin und Kinobi gesponserten Expansionsbolts, Hänger und Ketten in der Wand zu versenken, war dann eher die Belohnung.

Und die Absicherung im „Kanjon Vrbas“ braucht den Vergleich zu vielen schon lange etablierten Klettergebieten Europas in der Tat nicht scheuen. Wenn dann das Auswählen eines passenden Routennamens nur nicht so großes Kopfzerbrechen am Abend bereiten würde.

Doch dafür gab es zurück im Camp für alle so viel Gelegenheit zum Entspannen – Chill halt. Bosnien ist wirklich nicht ohne Grund für seine immense Gastfreundschaft, Bohnensuppe und den selbstgebrannten Rakia berühmt. So vergingen die zehn Tage Festival, wie jedes gute Festival, viel zu schnell.

Ein Filmabend, Parties mit Local-DJs und Lightshow, Workshops, Kletter-Trips zum nur wenige Minuten entfernten Kameni Most („Steinbrücke“) Bogen, der das größte Felsentor der Region ist, und und und…

Beim Drill & Chill sind nicht nur Kletterrouten entstanden, sondern eine Drill & Chill Familie ist gewachsen, die bereits sehnsüchtig nach 2017 schielt. Denn dann wollen die Organisatoren den ersten offiziellen Bosnien-Topo seit 20 Jahren an den Start bringen.

Da freuen wir uns jetzt schon drauf!


One Response to Gechilltes Drill-Camp auf Bosnisch

  1. chrichri says:

    Hi Hannes,
    super Bericht, danke fürs Anheizen fürs nächste Jahr :)
    Chrichri

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