„We go ultra-light, don’t worry!” Das sagte Yangxiao, unser chinesischer Bergführer, Pfadfinder, Freund und Outdoor-Freak, als wir anfingen unsere Wanderroute zu planen. Auf über 5000m sollte es gehen. Schaffen wir das auch? Mit der richtigen Ausrüstung, etwas Vorbereitung und gesunder Einstellung sei das kein Problem.
Den Westen der chinesischen Provinz Sichuan bedecken die Ausläufer des östlichen Himalayas. Die Region ist kulturell tibetisch geprägt, hat hohe Berge, deren Namen man noch nie gehört hat und viel schöne unberührte Natur, was in China (so wie bei uns in Deutschland ja auch) nicht unbedingt mehr selbstverständlich ist.
Wir reisen zu dritt an, nehmen den Bus von Kangding, der sich bis nach Litang auf gute 4100m regelrecht hochschraubt. Die Täler hier sind so steil, dass die Straßenarchitekten des Sichuan-Tibet-Highways entschieden haben, die Passstraßen nicht nur über Serpentinen sondern auch schraubenförmig die Pässe rauf und runter führen zu lassen. In Litang treffen wir Yangxiao und hier wollen wir uns auch zwei Tage akklimatisieren, unsere Ausrüstung sichten und packen sowie die Umgebung kennenlernen.
In der nächste Woche werden wir keine oder wenn dann nur sehr wenig Leute sehen. Den einen oder andern Yakhirten oder buddhistischen Eremiten vielleicht, definitiv keine anderen Touristen. Unsere Zelte, Matratzen und Rucksäcke sind allesamt sehr leicht, sodass wir noch genug Verpflegung mitnehmen können. Diese besteht hauptsächlich aus fruchtigen Powerriegeln und kiloweise sättigendem Quinoa. Unsere nicht sehr abwechslungsreiche aber täglich immer wieder herbeigesehnte Kost wird auf kleinen Gaskochern zubereitet, die auch in solch einer Höhe ordentlich funktionieren. Wasser entnehmen wir unterwegs den frischen Gebirgsbächen.
Los geht’s mit einem Jeep ca. 3 Stunden westwärts über Pässe und durch Schluchten, bevor sich vor uns „unser“ Massiv auftut: Der Genieshan. Wir wandern in eins der Täler hinein, welches in den nächsten Tagen unsere Route vorgibt. Hier war auch Yangxiao noch nicht, er nimmt uns mit auf eine seiner Erkundungstrips. Am Ende des Tales gibt es einen Pass, den es zu überqueren gilt, um aus dem Nachbartal wieder hinaus zuwandern. Laut Satellitenbildern, unsere einzige Informationsquelle, sollte es machbar sein.
Unsere Zeltplätze übertreffen sich ein ums andere Mal an Schönheit und wir fühlen uns, als ob wir durch einen Hochglanz-Katalog spazieren. Mal auf einer Wiese neben grasenden Yaks, mal machen wir Rast neben einer dampfenden heißen Quelle. Über uns kreisen Raubvögel, nachts heulen weit entfernt Wölfe.
Aus unserem Tagebuch:
„Fr 29. Sep, 4. Wandertag
Nach dem üblichen Müslifrühstück mit Tee bauen wir die fast trockenen Zelte zusammen und machen uns auf den Weg in Richtung Pass. Immer am Fluss entlang geht’s aufwärts bis irgendwann nur noch Geröllfelder übrig sind. Den Pass können wir schon sehen, uns trennt „nur“ noch ein steiler Geröllhang. Diesen zu erklimmen dauert letztendlich gute zwei Stunden! Alle sind auf 5113m Passhöhe ziemlich fertig aber auch froh. Wie es die tibetische Tradition will, werfen wir bunte Papierschnipsel in den Wind, was die Berggötter gütig stimmen soll. Ein paar Erinnerungsfotos werden im leichten Schneeregen auch noch gemacht, bevor wir den Abstieg auf der anderen Seite in Angriff nehmen. Hier ist das Wetter auf einmal ruhig und sonnig. Auf einer Felsnase überm Nachbartal machen wir Pause und entscheiden dann, über Nacht zu bleiben. Platz ist nur für 2 unserer Zelte also macht es sich Yangxiao unter einem windgeschützten Felsvorsprung bequem. Wir verbringen die Zeit damit, die Aussicht übers Tal zu genießen, kochen Quinoa mit Trockengemüse wie schon zuvor und trinken viel heißes Wasser. In der Nacht ziehen wir uns mehr an als sonst und nehmen auch eine heiße Wasserflasche mit in den Daunenschlafsack. Auf 4800m kann man schlecht einschlafen. Insbesondere wenn’s stark windet und immer wieder der Regen auf die Zeltplane peitscht.“
Auf unserer Wanderung aus dem Nachbartal hinaus kommen wir an verlassenen Hirtenbehausungen und entlegenen Tempeln vorbei. Hier begrüßt uns nach einer knappen Wanderwoche wieder ein Mensch: ein grinsender Mönch in weinroter Kutte, der uns zum Yakbuttertee einlädt. Zunächst sind wir alleine mit ihm, später kommt noch eine Familie auf einem Motorrad zum Beten vorbei. Ein klares Zeichen, dass wir uns wieder der Zivilisation nähern.
Nach insgesamt acht Wandertagen holt uns wie verabredet unser Fahrer wieder ab. Zurück in Litang machen wir uns mehr oder weniger sofort über einen riesigen Feuertopf mit frischem Gemüse und Yakfleisch her. Wir haben auch noch etwas Quinoa übrig aber das muss nun wirklich nicht sein!
- Um Tibet zu erleben muss man nicht unbedingt ins „politische Tibet“ reisen, wo man an geführten Trips teilnehmen muss, um eine Reisegenehmigung zu bekommen. Ein simples und relativ billiges chinesisches Touristenvisum für 30 Tage reicht aus und die tibetische Kultur samt Landschaft kann man unkompliziert und „unbewacht“ in den Provinzen Yunnan, Qinghai oder eben Sichuan kennenlernen.
- Bei Hochgebirgswanderungen immer dran denken, sich Zeit zu lassen und lieber zu viel als zu wenig Wasser trinken. Mindestens vier bis fünf Liter täglich!
- Auch bei solchen Wanderungen entsteht leider (Plastik) Müll. Am besten auf dem allabendlichen Lagerfeuer komplett und heiß (!) verbrennen. Alternativ kann man den Müll auch mitnehmen und in der Stadt entsorgen, wo er dann aber auch auf einer Halde verbrannt wird…
Du hast Fragen, Anregungen oder Verbesserungsvorschläge?
Schreib uns eine E-Mail: [email protected]
Sagenhafte Wanderung und schön geschrieben!
So ist man natürlich wirklich noch viel naturnäher als mit dem Fahrrad.
Plastikmüllverbrennen klingt krass. Aber gut, wenn der zurück in der Stadt auch nur, teils mit Schwelbrand, verbrannt wird…
Tobias
Danke! Nichts besonderes eigentlich. Canon Powershot G16, recht klein und robust. Eine kompakte Sony Kamera war auch noch dabei, Modell weiß ich aber nicht mehr.
Toll geschrieben! Und schöne Bilder! Darf ich fragen, was für eine Kamera Du mitgenommen hast?