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Reisebericht: Balkan – Mit breitem Grinsen durchs verfluchte Gebirge

Der Balkan ist für viele Leute noch immer ein unbeschriebenes Blatt. Aber innerhalb weniger Tage kann man als Wanderer mehrere Länder erkunden. Eine 10-Tages-Wanderung durch Kosovo, Albanien und Montenegro.

Im verfluchten Gebirge

In der kalten Jahreszeit machten wir uns auch dieses Mal Gedanken, wohin der große Sommerurlaub 2017 denn führen sollte. Inzwischen ist eine Trekkingtour durch die europäischen Berge zur Tradition geworden und unser buntes Grüppchen hat in den letzten Jahren zwischen Schottland und Korsika so einige Pässe erwandert. Der letzte Urlaub in den Karpaten hatte unseren Blick nach Osten gelenkt und dieses Jahr wollten wir noch einen draufsetzen.

Nach den üblichen Recherchen in Trekkingforen und dem Durchblättern der letzten Alpenvereinshefte kristallisierte sich ein Ziel heraus: Das Prokletije, was auf Deutsch so viel heißt wie das „verfluchte Gebirge“. Mit bis zu 2600 m hohen Gipfeln liegt es auf dem Grenzgebiet zwischen Albanien, Montenegro und Kosovo. Das Gebirge ist seit Jeher ein Rückzugsgebiet für Minderheiten, entgingen trotz der Unzugänglichkeit aber nicht den Kämpfen des Kosovokrieges in den 90er Jahren. Seit der Stationierung von Nato-Truppen herrscht Friede und der deutsche Alpenverein hat 2013 einen Wanderweg in den Bergen eingerichtet um die drei Länder zu verbinden und mit Hilfe der Touristen den Bewohnern der Bergdörfer eine Perspektive zu sichern. Der Wanderweg heißt „Peaks of the Balkan“, und genau den wollen wir gehen.

Moscheen statt Kirchen in den Bergen des Kosovos

Auf in die Berge

Unsere Reise startet in Pristina, der Hauptstadt des Kosovos. Vom Flughafen kann man unproblematisch und zu Preisen, die in Deutschland der Bus kostet, mit dem Taxi in der Berge fahren. Bei einem Zwischenstopp in Peja versorgten wir uns mit den nötigen und unnötigen Wandervorräten. Wir wollen den Weg entgegengesetzt des Urzeigersinns laufen und der nächste Ort, wo wir Essen einkaufen können ist Teth, den wir nach 7 Tagen erreichen werden. Mittags – so der Plan – wollen wir in den Bergdörfern essen und abends immer auf halber Strecke der Etappen in größtmöglicher Abgeschiedenheit zelten. Wir kaufen also „Halbpension“ für 7 Tage und einen Reservetag ein. Wobei unsere Missachtung der altbewährten Regel „1 Person, 1 Woche, 1 Flasche Schnaps“ zwar zu leichteren Rucksäcken, aber im Verlauf der Wanderung zu Rationierungen führte. Wir futterten noch eine Wassermelone für 35 Cent weg und machten uns mit dem nächsten Taxi auf den Weg nach Drelei, dem Startpunkt unserer Wanderung.

Durch die Hochweiden des Kosovos

Und los geht es!

Unsere Wanderung sollte uns in den nächsten Tagen von Drelei über Doberdol, Vusanje und Teth bis zu unserem Ziel nach Plav bringen. Damit hätten wir alle bis auf zwei Etappen der Rundwanderung gemacht und sowohl den Kosovo, Albanien und Montenegro besucht. Da die einzelnen Etappen in den beiden Wanderführen (s. unten) gut beschrieben sind, soll in diesem Beitrag auf eine detaillierte Etappeninfo verzichtet werden. Nur eine Sache machte uns Probleme: Weil wir entgegen der eigentlichen, im Führer beschriebenen Laufrichtung unterwegs waren (wir wollten danach noch in Montenegro an die Adria), standen wir immer wieder vor Problemen der Wegfindung. Gerade im kosovarischen Teil ist der Weg schlecht markiert und viele Hirtenpfade, die oft ausgetretener sind als der eigentliche Wanderweg, erschweren die Orientierung. Beschriebene Objekte, gerade solche, die auch für private Zwecke umgenutzt und transportiert werden können (Bänke, Unterstände, etc…) sind nicht mehr auffindbar. Nach anfänglich regelmäßigen Karte studieren und häufigem Nachschlagen im Führer konnten wir uns in den nächsten Tagen aber besser orientieren und nahmen die Wegfindung entspannter („Dort hinten links irgendwo über den Pass drüber“).

Alter Grenzstein aus Sowjet-Zeiten

Begegnungen auf dem Weg

Wie geplant konnten wir mittags einkehren. In den kleinen Bergdörfern gibt es eine rudimentäre Infrastruktur, einige Bauern haben sich bereits auf Gäste eingestellt und bieten Kost und Logis. Das sieht ungefähr so aus: Die Schafe aus dem Stall geworfen, danach wurde kurz ausgemistet und dann der Schuppen für 2-3 Euro pro Nacht an die Gäste vermietet. Für weitere 3 Euro bekommt man zusätzlich ein Abendessen. Wir schliefen lieber in unseren eigenen 4 (Zelt)-Wänden, konnten uns aber über das Mittagessen nicht beschweren! Abends fanden wir fast immer schöne Zeltplätze, oft umgeben von Himbeeren und Heidelbeeren, die am nächsten Tag unser Frühstück aufwerteten.

Edelfrühstück mit Beeren und Blumen

Die Verständigung in den Bergdörfern war selten ein Problem. Schon beim Einkaufen in Peja und auf der Taxifahrt liefen uns immer wieder Deutsch sprechende Kosovaren über den Weg. Jeder hier scheint einen Onkel in Düsseldorf oder Köln zu haben oder hat selbst schonmal in Westeuropa seine Brötchen verdient. Auf Französisch unterhielten wir uns mit dem Taxifahrer, auf Norwegisch fragten wir nach dem Weg und einer Italienisch sprechenden Frau kauften wir Gemüse und Honig aus dem eigenen Garten ab. In Doberdol trafen wir auf einen Bauern, der uns zum „minimum price“ Honig, Brot und Käse zum Mittag anbot. Wir lehnten trotz unseres Hungers ab, hatten wir doch Angst, übers Ohr gehauen zu werden. Ein konkreter Preis war nicht aus dem alten Mann herauszubekommen. Dann kamen dessen Enkel vorbei und sie diskutierten eine Weile miteinander auf kosovarisch. Plötzlich erklärte uns ein kleiner Junge im besten Oxford-Englisch, dass das Essen 2 Euro pro Nase kosten würde. Woher er so gut Englisch konnte? Er wohne mit seinen Eltern in London und die Familie fährt zum Sommerurlaub immer hier her und besucht die Verwandten. Mit Freude machten wir uns über das Essen her und unterhielten uns mit dem alten Mann. Einen Dolmetscher hatten wir ja nun!

Schäferhunde und zottelige Schafe in Montenegro

Ansonsten war es sehr heiß! Im August im Prokletije unterwegs zu sein heißt jeden Tag fünf Liter Wasser zu trinken und sehr viel zu schwitzen. Da die rar gesäten Quellen im Spätsommer versiegen, fragten wir die wenigen uns entgegenkommenden Wanderer und die Hirten stets nach den nächsten Wasserquellen. Das Wasser aus den Flüssen mieden wir lieber wegen der Weidewirtschaft auf den Talhängen. Das führte dazu, dass wir zusätzlich zu unseren 15 kg Gepäck oft noch 5 Liter Wasser trugen. In der Mittagshitze machten wir zwei Stunden Siesta, spielten Karten und dösten.

Die Hitze bringt uns zum Schwitzen und die Wälder zum Brennen

Nach 6-8 Stunden Wanderung, quasi immer mit 1000 HM Aufstieg und 1000 HM Abstieg kamen wir erschöpft an unserem selbst gewählten Tageszielen an. Doch der Weg und die Menschen entschädigten uns für die Strapazen der Wanderung: Ein tolles Gebirge, ähnlich der Kalkalpen, mit herrlichen Ausblicken und wunderschön gelegenen Zeltplätzen. Der spezielle Reiz der Wanderung, da waren wir uns einig, lag allerdings in der komplett verschiedenen Infrastruktur. Die interessanten Begegnungen mit Hirten und die wiederholten Einladungen zu Tee in den Almhütten gepaart mit wenigen anderen Touristen machen diese Wanderung so lohnenswert – und zaubern jedem der sie geht ein breites Grinsen auf das Gesicht, trotz des „verfluchten Gebirges“.

Nach der Wanderung ist vor der Entspannung: Die Adriaküste lädt zum Baden ein.

Hinweise

Es existieren zwei Führer, die den Peaks of the Balkan Wanderweg beschreiben: Ein „Rother Wanderführer“ und ein „OutdoorHandbuch“. Die Führer sind von guter Qualität und sich dabei äußerst ähnlich. Wer von wem abgeschrieben hat, konnten wir allerdings nicht herausfinden. Das verfügbare Kartenmaterial ist dagegen äußerst dürftig. Unsere Karte der Huber Kartografie GmbH war nicht viel besser als google-maps. Eingezeichnete Häuser, Flüsse und Wege wichen oft grob von der Realität ab oder existierten schlichtweg nicht. Wer keine Freude an Wegfindung und dem „sich Verlaufen“ hat, kann natürlich auf GPS-Tracks zurückgreifen.

Im Internet finden sich Infos auf der offiziellen Website: www.peaksofthebalkans.com. Zbulo (www.zbulo.org), eine deutschsprechende Reiseagentur führt Wanderer durch das Gebiet und vermittelt die offiziell notwendigen Permits, die auf unserer Wanderung aber niemanden interessierten.

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