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Die Schlei ist schön

„Die Schlei ist schön“, empfahl mir ein Kollege aus dem Norden. Ich selbst, mit einem noch neuen Boot im Paddelfieber, hatte in Kiel zu tun und gefragt, ob es dort in der Nähe ein interessantes Revier gäbe.

„Die“ Schlei ist kein Fluss, wie der Artikel suggeriert, sondern ein Meeresarm, der sich von Schleimünde an der Ostsee etwa 40 km südwestlich bis Schleswig teils seenartig, teils flussähnlich in das oft hügelige Land ausdehnt. Die Ufer sind abwechslungsreich und zerklüftet: mal schilfbewachsen, flach, mal steinig, steil oder sogar sandstrandartig.

Wir – meine Freundin und ich – hatten nach der Westwindprognose geplant, uns von Schleswig nach Osten zum Meer „treiben“ zu lassen.  Windstärken bis 9 waren dann aber doch zu viel des Guten, so haben wir den Einsetzort nach Missunde hinter die ersten beiden großen Seen – Kleine und Große Breite genannt – verlegt, um uns auf den folgenden etwa 25 „schmalen“ Kilometern vorsichtig am windabseitigen Ufer entlang zu tasten. Daraus wurde am ersten Tag eine rasant rauschende Fahrt auf windgepeitschter kabbeliger See, bei der das Steuern manchmal anstrengender war als das Paddeln selbst (Anm. der Freundin: Von wegen!). Belohnung war ein wunderbar einsamer Uferabschnitt zum Zelten, eine kleine Strandbucht vor Steilufer mit Schilf und Salzwiesengewächs etwa 2km vor Arnis.

Der nächste Tag brachte ruhigeres Wetter. Wir glitten mit  sanften Paddelschlägen durch die Engen von Arnis und Kappeln, durch Häfen und Brücken, an altem Gemäuer vorbei, bis sich die Schlei plötzlich zum weiten Haff öffnet und das nahe Meer ahnen lässt. Das Wasser wird hier sehr klar, man fühlt sich schwebend über Muschel-, Stein- und Seegrasbänken, gleitet über Ohren- und Feuerquallen dahin, es riecht nach Tang und Salz, mein seesehnsüchtiges Herz schlägt höher.                                                                                              Am weiten östlichen Horizont ein flacher Graslandstreifen mit einsamer Baumgruppe, dahinter weiße und braune Segel auf der Ostsee. Am südlichen Ende dieser Landzunge befindet sich an der Durchfahrt zum Meer, mit Leuchtturm, Mole und wenigen Gebäuden, der kleine, nur auf dem Wasserweg erreichbare Hafen und Wasserwanderrastplatz  Schleimünde, unserem heutigen Ziel. An Wildrosenhecken und mit freiem Blick in alle Richtungen kann man hier für 3,-€ zelten, genießen und beim Bier aus der „Giftbude“ den Yachties lästernd beim Anlegen zusehen. Ein wirklich besonderer Ort, der trotz seiner hohen Besucherfrequenz bisher einen ursprünglichen Inselcharakter bewahren konnte.

Und nun? Schlei zu Ende, Tour zu Ende, nach nur zwei Tagen? Tatsächlich könnte man hier sein Faltboot zusammen bauen und mit einem der täglich anlegenden Ausflugsdampfer Richtung Kappeln zurückfahren. Nach kurzer Korrespondenz mit dem Wetterbericht ergaben sich zwei Möglichkeiten. Der inzwischen wehende leichte Ostwind würde uns bequem wieder zurück in eutrophierte Brackwassergefilde paddeln lassen. Aber mein maritimes Herz sagt: ideale Bedingungen, raus aufs Meer! Meine Mutter allerdings flüstert mir bestimmend von innen ins Ohr: Aber nur am Ufer entlang! Okay Mutti, machen wir!

Ich rede meiner Freundin und mir gut zu und wir paddeln am nächsten Morgen leuchtturm- und molenbeflankt „wie die anderen Yachten“ raus in die sanfte Dünung der Ostsee. Zunächst sollte es nur eine Probeseemeile werden, aber das Erlebnis Meer ist so bewegend (auch im wahrsten Sinne des Wortes), dass wir auf Südkurs bleiben. Glitzerndes Wasser, Sonnenstrahlen bis zum Grund. Weiße Muscheln grüßen herauf. Links am Horizont verbinden sich Himmel und Meer, über uns  Seevögel, rechts am Strand sitzen Urlauber in  Körben fröstelnd in kühler Brise. Uns ist nicht kalt, wir paddeln und sind auch ein bisschen aufgeregt durch die neue Dimension. Ein großer Tag! Ganz allmählich werden auch die Wellen größer. Aus friedlichem Gekräusel wachsen erste Schaumkronen auf  langen Wogen. Zeit genug, uns daran zu gewöhnen. Auch hier scheint es sich wieder zu bestätigen: Keine Angst vor bellenden Hunden! Locker bleiben! Vor allem in der Hüfte, um den Schwerpunkt unserer schmalen Nussschale stetig auszugleichen. Es ist wie beim Tanzkurs, man muss lernen sich führen zu lassen. In diesem Fall ist der Partner der Wellengang.                                                                                                                                   Nach zehn Kilometern nutzen wir den molen- geschützten Hafen von Damp für eine unkomplizierte Anlande- bzw. Rastmöglichkeit. Schöne Neue Welt! Strandboulevard vor Betonburgfassade, unter Sonnenschirmen beleibte Reha-Patienten beim Sahnekonsum – die Gesundheitsfabrik Damp 2000. Der neueste Seewetterbericht vom Hafenmeister gibt grünes Licht, weiter geht’s an steiler Küste und steinigen Stränden nach Süden.

An einem der vielen Campingplätze in der Eckernförder Bucht wollen wir übernachten, aber das Rauschen der Brandung flößt uns Respekt vor dem Anlanden ein. Wir hoffen jedesmal auf bessere Bedingungen beim nächsten Platz und als uns endlich eine Landung ohne Schiffbruch gelingt, beginnt gerade das Fußball-EM-Spiel Deutschland – Italien. Unbeeindruckt von dessen Ergebnis, genießen wir es, direkt am Meer zu zelten, und lassen nachts ein gewaltiges Sommergewitter über uns ergehen. Die letzten zehn Kilometer auf geglättet dunstiger See führen uns, salutierend an  Kriegsschiffen und U-Booten, nach Eckernförde. In warmem Regen bauen wir das Boot auseinander, packen alles ein und lassen uns per Taxi etwa 20 km nach Schleswig – unserem eigentlich geplanten Startpunkt – bringen.

Der letzte Tag, der eigentlich der erste sein sollte, bringt uns schließlich mit feierlicher Sommersonntagsbrise über die Kleine und Große Breite nach fünf intensiv erlebten Paddeltagen  zurück zum Auto nach Missunde.
Tatsächlich, die Schlei ist schön!
(Und die Ostsee erst!)


One Response to Die Schlei ist schön

  1. Tobias says:

    Das nächste mal sagt Ihr aber Bescheid – dann paddel ich mit! :)

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