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Rund um Sizilien: Hinaus in die Elemente!

startbildEs ist der 18. April 2015, ein Sonnabend. Das Flugzeug landet in Catania. Im Anflug leuchtete der zur Hälfte schneebedeckte Vulkan Ätna mir bis in das Herz hinein. Auf den wollte ich. Aber bei Schnee auf dem Gipfel? Nun, ja. Ich hatte 46 Tage Zeit. Vielleicht bekam ich am Ende doch noch die Gelegenheit für die Betrachtung des Vorhofs zur Hölle. Bis dahin galt es für mich, den Ätna weitest möglich zu umrunden.

Nicht mit dem Auto oder Motorrad, auch nicht mit dem Fahrrad. Nein, zu Fuß, „a piedi“, auf Italienisch. Weitest möglich heißt, immer dicht an den Gestaden des Mittelmeeres entlang, im Uhrzeigersinn. Eine Streckenplanung hatte ich nicht. Immer, wenn ich auf meiner linken Seite das Meer sah, mal herrlich blau, wenn die Sonne schien oder fast schwarz, wenn es stürmte und der Himmel voller Wolken hing, stimmte die Richtung meines Weges.

Meine Ausrüstung

Rucksack, Zelt, sehr leichte Luftmatratze, Schlafsack, wenig Wechselwäsche, Körperpflegemittel, Regensachen, Kartenmaterial auf Tablet-PC, Handy, italienischer Stromadapter, Reparaturmittel für Zelt und Sonstiges, Fotoapparat, Medikamente (ich bin Insulin abhängiger Diabetiker), Tagebuch und Schreibzeug, ganz wichtig Trinkflaschen und etwas Notverpflegung und eine Mütze gegen Sonne und Regen. Alles in Allem etwa 16-17 Kg auf dem Rücken. Für mich Nordic-Working-Stöcker zur Entlastung des Rückens sowie zur Stabilisierung und Beschleunigung meiner Schritte.

Mitten im Leben der Sizilianer

Mich interessierte diesmal nicht die große Geschichte der Insel, sondern das soziale Alltagsleben, mit dem ich sehr eng in Berührung kam. Meine Sprachkenntnisse sind mangelhaft, aber da, wo ein Verständigungswille besteht, ist eine vielfältige Kommunikation möglich. Außerdem lernt man schnell, wenn man Hunger, Durst und allerlei Bedürfnisse hat.

Die vielfältigen Landschaften, die man durchstreift, Wetter, Klima, die Natur, das Essen, der Fisch, Obst, Gemüse, die äußerst gut schmeckenden Backwaren, das alles häuft sich zu einem erinnerungsträchtigen Berg an Erlebnissen. Doch das Beste sind die Menschen, auf die man trifft. Als Wanderer ist man unweigerlicher Exot in sizilianischen Augen. Sizilianer wandern nicht. Sie fühlen sich aber in ihrem sizilianischen Nationalstolz befeuert.

Da gibt es also Einen, der ihre Insel zu Fuß umrundet. Ich habe sehr viel Anerkennung bekommen. Einige Wenige haben mir auch mal den Vogel gezeigt, was ich mit fröhlichem Grinsen zur Kenntnis nahm. Mein Rucksack und die Stöcke machten mich auffällig. Das führte zu vielen Gesprächen auch mit Ausländern. Die Fragen glichen sich irgendwie. Woher kommst du, wohin gehst du, wer bist du, warum machst du das, wie alt bist du, hast du Frau und Kind, was kostet dich das alles, wie viel Kilometer  läufst du am Tag, wo schläfst du?

Eigentlich nur Kopfsache

Nach dieser Wanderung kann ich das alles schon im holprigen Italienisch erzählen. Aber warum gerade Sizilien? Ganz einfach, weil ich von Berlin bis Sizilien in jährlichen Abschnitten von jeweils etwa 40 Tagen dahin gewandert bin. Dann kann man den letzten Rest auch noch laufen.

Das Wandern ist zwar auch eine Sache der Beine, aber mehr noch eine Sache des Kopfes. Der Entschluss muss reifen und die praktische Vorbereitung muss stimmen. Der wichtigste Schritt ist der Allererste. Alle anderen Schritte folgen dem bloß. Wie lang meine Wanderstrecke war,  kann ich nicht sagen. Ich hatte einen Schrittzähler mit dabei. Demnach lief ich 1 328 250 Schritte von Catania bis eben nach Catania, die Besteigung des Ätna nicht mit gerechnet. Welcher Eigenschaften bedarf es, um eine doch nicht ganz so übliche Wanderung machen zu können?

Man muss halbwegs gesund sein, nicht unbedingt kerngesund. Man muss auch etwas leidensfähig sein, denn Blasen lassen sich nicht ausschließen und der Rucksack ist auch nicht immer freundlich zu seinem Träger. Weiterhin muss man alle bisherigen Gewohnheiten zu Hause lassen. Man muss Abstriche an Hygiene und Komfort zulassen. So sind zum Beispiel Zeltplätze ein Segen, aber leider in einer Minderzahl der Nächte erreichbar.

Schlafen mal hier und da

Aber wie schön ist es doch, am Strand übernachten zu können oder in einem Olivenhain aber auch manchmal am Straßenrand. Da viel Straße zu begehen ist, wird man im Laufe der Zeit zu einem italienischen Autofahrerversteher, was unbedingt erforderlich ist. Es gibt keine Chance, auf Wanderwegen um die Insel herum zu kommen.

Die vielen Bars (bei uns Imbisse) in den Dörfern und Städten, an Tankstellen oder einfach zwischendurch waren eine sehr wichtige Grundlage für meine Ernährung und für die Deckung meines Trinkwasserbedarfs. Die Bars öffnen zumeist sehr frühzeitig, in denen die Sizilianer fix frühstücken, ihren tollen Kaffee trinken, in die Zeitung schauen und Informationen mit anderen Sizilianern austauschen. Die Bar ist eine Institution, die viel über das Leben dort aussagt.

Es ist so leicht Hilfe, Aufmerksamkeit und Zuwendung zu bekommen, wenn man sich den Sizilianern gegenüber empathisch verhält.

Ich denke an Johann Gottfried Seume, der ab dem Nikolaustag 1801 sich auf den Weg zu Fuß bis nach Siracus auf Sizilien machte. Meine Hochachtung vor seiner Leistung. Einige Gedanken ähnelten den Meinen: „Das beständige Leben im Zimmer wird bald zur kränkelnden Vegetation. Wer Kraft und Mut und Licht mehren will, gehe hinaus in die Elemente.“


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