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Reisebericht: Schottland – Cape Wrath Trail


Zu Hause auf der Couch blättere ich mit reichlich Fernweh in „1001 Wanderwege“ auf fast eben so vielen Seiten und verliebe mich in ein Foto – ein Leuchtturm an einer traumhaften Steilküste. „Die Expedition Ihres Lebens: 200 Meilen durch Schottlands wildeste und schönste Landschaft.“

Das wird mein großes Abenteuer! Im Spätsommer soll es losgehen – aber leider macht mir der Job zunächst einen Strich durch die Rechnung. Na gut, über ein halbes Jahr länger die Vorfreude genießen.

Fähranleger in Camusnagaul

Irgendwie zieht es mich im Urlaub meist nach Norden. Schottland ist im Vergleich zu meinen letzten Trekkingtouren in Polarkreisnähe dabei schon fast südliches Gefilde. Bei ein paar Tageswanderungen auf der Insel Skye vor einigen Jahren hat mich die Landschaft sehr beeindruckt. Als ich vom Cape Wrath Trail, vom CWT, lese, will ich herausfinden, ob ich den packe. Der CWT führt von Fort William zum nordwestlichsten Punkt Schottlands, dem Cape Wrath.

Cona Glen

Er ist kein offizieller Wanderweg und nicht ausgeschildert. Dafür hat man streckenweise die Wahl zwischen verschiedenen Varianten. DEN CWT gibt es nicht. Auf weiten Strecken ist man fernab der Zivilisation und auch vernünftige Wege machen sich teilweise rar. Karte und Kompass oder GPS-Gerät sollten unbedingt dabei sein. Die Länge der Strecke und der schwierige Untergrund, die Navigation und die Abgeschiedenheit werden für mich auf jeden Fall eine Herausforderung. Aber ich habe ja ausreichend Zeit mich vorzubereiten.

Und kein Mensch zu sehen.

Und so besorge ich mir Literatur (Iain Harper „Walking the Cape Wrath Trail“) und Karten (Cape Wrath Trail South/North von Harvey Maps, Maßstab 1:40.000), durchforste das Internet nach Informationen und Reiseberichten. Einige lange Abende fiebere ich mit Bloggern, notiere mir Hinweise zu Strecke, Ausrüstung und Übernachtungsmöglichkeiten. Ich sauge alles in mich auf, gehe Freunden und Kollegen auf die Nerven.

Barrisdale Bay

An Ausrüstung ist schon vieles da. Das Zelt ist in die Jahre gekommen und wird genau wie die Isomatte durch eine leichtere Variante ersetzt. Der Rucksack wird trotzdem schwer genug. Und die Kamera? Ich fotografiere leidenschaftlich gern und knapp 2 kg Kameraausrüstung waren auf meinen bisherigen Touren immer der große Luxus. Nach vielem Abwägen beschließe ich, dass diesmal die Tour im Vordergrund steht und nehme nur eine Kompakte mit.

Und auf einmal ist es Mitte April. Am Morgen des Abflugs schlafe ich immerhin bis halb vier (der Wecker geht um sechs). In Glasgow angekommen, habe ich schnell meine Gaskartusche und mein Zugticket. Im gemütlichen Dachzimmer des Hotels ist genug Platz, den Rucksack für die Tour zu sortieren. Am folgenden Tag geht es nach Fort William. Dort schaffe ich mit meinem vollgepackten Rucksack im Laufschritt im letzten Moment – der Fährmann macht sich schon an den Tauen zu schaffen – die Mittagsfähre nach Camusnagaul, den Startpunkt des CWT. Und dann geht es los, vor mir liegen drei Wochen und gut 350 km Abenteuer.

Maol Bhuidhe Bothy

Bereits am ersten Tag mache ich gefühlt alle Stimmungen durch, bin begeistert vom Cona Glen, motiviert, die Tour zu schaffen und immer wieder auch fertig. Am Ende des Tages finde ich einen traumhaften Zeltplatz an einer Ruine mit Bach. Nur die vielen schwarzen Punkte an meinen Händen, alles Zecken, stören etwas.

Meine Entscheidung, über die Halbinsel Knoydart zu laufen, konfrontiert mich, wie in den Foren versprochen, schon sehr früh auf meiner Tour mit einem der schwersten und wildesten Streckenabschnitte. Und das natürlich an einem der regnerischsten Tage. Beim Zusammenpacken fängt es bereits an. Ich brauche noch über 2 Stunden bis zur Bothy Sourlies, taste mich vorwärts auf rutschigen Steinen. In der Bothy werde ich von 4 jungen Männern, die ich schon am Vortag getroffen hab, mit einem heißen Tee begrüßt.

Kurz hinter Sourlies rutsche ich am Strand auf einem glitschigen Stein aus. Es schmerzt erst heftig, bleibt aber bei einem Schreck. Den ganzen Tag geht es nur mühsam voran. Und auch wenn die Landschaft atemberaubend ist, machen mir die Flussquerungen zu schaffen. Besonders an einer in Hanglage geht der Adrenalinspiegel ganz nach oben. Ich weiche nach und nach durch, verliere meine Gamaschen und auch kurz die Orientierung. Was für ein Tag! Ich liebe Wanderkarten und würde mein Handy nur im Notfall benutzen.

Bernais Bothy

Aber an meiner Navigation muss ich noch arbeiten. Dafür gibt es abends ein trockenes Dach über dem Kopf. Ich übernachte in der Bothy in Barisdale in Gesellschaft von drei Schotten. Mein Vorhaben beeindruckt und ich werde von ihnen mit zusätzlichem Proviant versorgt, bin noch Tage später vom Inhalt der einen oder anderen Tüte überrascht. Leider muss ich am nächsten Morgen feststellen, dass die Sachen in so einer Hütte kaum trocknen.

Am Ende der ersten Woche kämpfe ich mich bis Morvich durch. Mein fester Vorsatz vom Vorabend für ein Hotelzimmer hat sich bei dem passablen Wetter tatsächlich in Luft aufgelöst. Im Zelt ist es so schön kuschelig:-) Aber die Dusche auf dem Campingplatz tut gut. Und auch der Kontakt per Handy in die Heimat. Jetzt geht es noch an die Planung für die kommenden Tage.

Am nächsten Tag komme ich gut voran. Der Weg ist tatsächlich ein Weg. Nach einigen Furten bei Wind und teilweise Hagel und Sturm freue ich mich aber über ein festes Dach über dem Kopf. Ich erreiche die Maol Bhuidhe Bothy.

Lochan Fada

Auf dem Trail liegen einige Bothies, frei zugängliche Hütten der Mountain Bothies Association. Sie sind unbewirtschaftet und sehr einfach gehalten, bieten Lagerplätze für Isomatte und Schlafsack. Daneben gibt es weitere Übernachtungsmöglichkeiten in Hostels und Hotels. Das eigene Zelt sollte trotzdem dabei sein und ich habe es fast ausschließlich genutzt.

Abendstimmung am Lochan Fada

In Schottland gilt das Jedermannsrecht und abends vor einer Kulisse wie am Lochan Fada das Lager aufzuschlagen und die Highlands (fast) für mich allein zu haben, ist ein unglaubliches Gefühl. Die Sonne schaut zwischen düsteren Wolken durch und leuchtet die Berge an. Das Wasser des Sees ist spiegelglatt. Das sind die Momente, für die ich draußen bin.

Nach knapp 2 Wochen auf dem Trail stelle ich fest, dass Berge immer noch anstrengend sind. Die Sonne bessert zwar die Laune, aber trägt ihren Teil zur Erschöpfung bei. Hilfreich wäre es, wenn ich nicht immer erst zu spät feststellen würde, dass auch ein halbwegs vernünftiger Weg existiert. Ich liebe Wege. Zumindest in den Momenten, in denen es nur durch Sumpf oder über Steine geht. Nie ohne Wanderstöcke nach Schottland! Bei Flussquerung, Steine hüpfen und sumpfigem Untergrund – und alles andere hatte ich auf dem ersten Teil der Tour selten – sind sie für mich unentbehrlich, gerade mit dem schweren Rucksack.

Brücken sind auch toll! Und wasserdichte Socken! Zu Beginn der Tour bleiben sie tief im Rucksack verschwunden, aber nach dem ersten Ausprobieren mag ich sie nicht mehr missen. Nasse Handschuhe sind doof. Nebel auch. Bin erschrocken, wie schnell man die Orientierung verliert. Die Stimmung wechselt mehrmals am Tag, wird von ganz einfachen Dingen beeinflusst. Und irgendwie ist es spannend, dass so bewusst wahrzunehmen.

Ein paar Tage später laufe ich wieder in eine Nebelwand und freue mich, dort ein vom Trail schon bekanntes Gesicht zu sehen. Ist zu zweit ja auch viel sicherer bei solchem Wetter! Blöd nur, sich gemeinsam so zielgerichtet zu verlaufen. Mit einem kleinen Umweg beheben wir unseren Navigationsfehler und als ich mich am späten Nachmittag gegen Windböen stemme, würde ich die gern wieder gegen den Nebel tauschen. Als wir schließlich an der Glendhu Bothy ankommen, ist diese mit etwa 15 Leuten, Wanderern und Radfahrern, ziemlich voll und wir schlagen lieber unsere Zelte auf.

Die letzten Tage laufe ich nicht mehr allein. Wir nähern uns langsam dem Cape. Im Westen ist das Meer zu sehen. Nach einer Übernachtung in der Strathan Bothy ist es nicht mehr weit bis zur Sandwood Bay. Irgendwie fühlt es sich gerade schon nach Zieleinlauf an. Auf dem letzten Stück wird es nochmal richtig sumpfig und geht dann an einem See entlang. Wir beschließen, direkt am Ufer auf den Steinen weiterzuhüpfen. Und dann der Strand. Der Anblick ist traumhaft.

Feiner Sand und dazwischen ein paar schroffe Felsen. In der Ferne die Felsnadel im Meer. Am Abend steht das Zelt zwischen den Dünen und ich bin immer wieder einfach nur begeistert von diesem Ort. Klar laufe ich noch bis zum Leuchtturm. Aber eigentlich fühlt sich das hier wie das Ziel an und wir beschließen, dass das Cape noch einen Tag warten muss.

Loch Beag

Nach der zweiten Nacht am Strand setzen wir den Rucksack zum letzten Mal auf. Der Weg entlang der Steilküste gibt einige beeindruckende Ausblicke frei. Immer wieder ist auch der Leuchtturm zu sehen. Kurz vor dem Ziel bleibt in einiger Entfernung ein Kleinbus stehen. Nanu, wartet der auf uns? Aber wir wollen doch laufen! Wir lassen uns überreden, einzusteigen, haben so noch etwas Zeit am Leuchtturm, aus dieser Perspektive aber nicht übermäßig beeindruckend. Also laufen wir wieder los, finden in einiger Entfernung noch einen Blick auf den Turm mit Steilküste im Vordergrund.

Sandwood Loch

Wie auf dem Foto in meinem Buch. Wieder zurück fahren wir mit dem letzten Bus Richtung Fähre. Ich kratze mein restliches Bargeld zusammen. Bezahlen ist in Schottland weitestgehend bargeldlos möglich, fernab von der Zivilisation gibt es aber doch ein paar Ausnahmen. Am Abend sind wir auf dem Campingplatz in Durness, genießen frisches Essen und warme Duschen und ich mache den letzten Eintrag in mein Reisetagebuch. Mein großes Abenteuer ist zu Ende.

Leuchtturm am Cape Wrath

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