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Wo der Wind Nachts nachlassen sollte…

Meine Tour
Deutscher Winter 1998. Nieselregen und Kälte. Reiseziel: Radeln bei Nieselregen und Kälte im Süden Chiles (so versprach es der Reiseführer) entlang der Carretera Austral, einer Schotterpiste, die in Puerto Montt beginnt und in Villa O’Higgins endet. Da Sackgassen aber des Radlers Alptraum sind, bog ich am Lago General Carrera nach Argentinien ab, nahm den Bus nach Norden bis Bariloche (um die berüchtigte Ruta 40 zu umgehen) und schwang mich von dort aus erneut in den Sattel, um über die Sieben-Seen-Route wieder hinüber nach Chile ins dortige Seengebiet nach Pucón zu holpern und nach einigen fürchterlichen Kilometern auf der Panamericana wiederum den Bus zurück zum Abflugort Santiago de Chile zu nutzen.

Warum Carretera Austral?
Der Süden Chiles fasziniert durch seine ausgedehnten Urwälder, unzählige Seen, Flüsse und natürlich Vulkane, Berge und Gletscher, die einen dazu verleiten, nur noch zu knipsen, statt sich auf die Tücken der teilweise doch recht üblen Piste zu konzentrieren. Hat man genügend Zeit und stattet einem die Defekthexe nicht allzu häufig einen Besuch ab, lohnen sich diverse Abstecher ins nahezu unbesiedelte Land links und rechts der Straße, speziell im südlichen Teil, denn dort kratzt die Carretera fast das patagonische Inlandeis, und auf einigen Schleichwegen ist es auch möglich, hinüber nach Argentinien ganz in die Nähe des Perito Moreno-Gletschers zu gelangen, um anschließend auf dem Weg nach Norden in der argentinischen Pampa eine neue Dimension von „Wind“ zu erfahren, bevor die zumeist aufgeweichten Erdpisten im Seengebiet lauern…

Wie ist denn das Wetter nun wirklich?
Entlang der Carretera und im Seengebiet zwischen Bariloche und Pucón wirklich wechselhaft, aber mit etwas Glück kann auch schon mal 2 Wochen am Stück die Sonne scheinen. Die Tageshöchstwerte pegelten sich in etwa bei 20-25°Celsius ein, der Wind hielt sich meist zurück. Um so heftiger dröhnt das Gebläse in der argentinischen Pampa (14km/h bergab und plötzlich fährst du 4 Meter weiter links…).

Wo darf ich mein Zelt aufschlagen?
Überall, wo es niemanden stört; in den Nationalparks eigentlich nicht, aber wer die Regeln des „Draußen-Knigge“ beherrscht, findet auch hier eine Lösung. In größeren Orten kleine Pensionen, die gelegentlich ihren Hof zum Zeltplatz umfunktioniere.

Wie versorge ich mich am besten?
In Puerto Montt und Coyhaique die Trockensachen (Nudeln, Grieß, Mehl) einsacken, unterwegs dann den täglichen Bedarf an Obst, Gemüse und Brot am Straßenrand kaufen – Die Versorgungslage entlang der Carretera ist erstaunlich gut! – Und ebenso dürftig, wenn man auf der anderen Seite der Grenze durch die argentinische Pampa kurbelt… – In den Städten sollte man sich keinesfalls das Fast Food der Region entgehen lassen: empanadas, gefüllte Teigtaschen, lecker und preiswert!

Fahrradläden unterwegs?
Selbst ist der Mann oder die Frau. Man sollte kein schlechtes Gewissen haben, ordentliche Mengen an Schrauben, ein paar Schläuche, Ersatzreifen und das nötige Werkzeug dabeizuhaben. Werkstätten in allen größeren Orten, Ersatzteile sind aber Mangelware. Universalhelfer waren für mich Lochplatten aus Weißblech und tapir-Spannriemen, mit deren Hilfe ich sogar die weggebrochenen Anlötpunkte für den Gepäckträger und die kopflose Sattelschraube ersetzen konnte…selbstredend handelt es sich bei den Pisten um Wege, die eher mit dem Mountainbike als einem Trekkingrad oder Straßenrennrad zu bewältigen sind.

Defekthexe hat zugeschlagen, was nun?
Busse fahren täglich (einfach den Daumen raus), Jeeps und LKW halten gern und ihre Fahrer helfen mit einem mitleidigen Lächeln ob des selbstgewählten Schicksals.

Gefahr im Verzug?
Nein! Sauberstes Trinkwasser, keinerlei Diebstahl und auch keine wirklich bösen Insekten, sieht man mal von den nervenden großen Fliegen ab, deren Erlegen (der Tierschutz verzeihe es mir!) sich irgendwann zur liebsten Tagesbeschäftigung während des Tretens entwickelte…

Ist das nicht das Land der Mapuche?
Ja, hier leben die Nachkommen der Ureinwohner, die sich bis 1873 erfolgreich gegen die spanischen Eroberer wehrten. Einen kleinen Einblick in ihre Lebensart vermittelt die Region rund um Temuco, wo es viele Mapuche-Kommunen gibt und man sich auf den Märkten mit allerlei Schmuck und Souvenirs eindecken kann.

Mythos Panamericana?
Die meistbefahrene Straße Chiles ist nichts für Radfahrer, deshalb unbedingt auf Nebenstraßen ausweichen!


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