Archiv des Autors: Philipp

Japan. Mit Rad.

von , 18. Januar 2024

Nachdem ich in den letzten Jahren wieder Vergnügen an Radreisen gefunden hatte sollte es im Herbst 2023 in die Ferne gehen, auf ein paar Inseln im Westpazifik. Zuvor war ich bereits einmal im Winter dort und befand es als lohnenswertes Reiseziel. Nun also war der Plan von Osaka aus über die japanischen Alpen an die Westküste Tohokus zu fahren, nach Hokkaido mit der Fähre überzusetzen, dann den Japan Rail Pass zu aktivieren, mit diesem nach Süden zu fahren, und dann weiterzusehen bzw. zu radeln.

Anreise

Das Rad wurde in den Koffer geworfen, das Restgepäck auf zwei kleine Handgepäckstücke verteilt und in Frankfurt ein Flugzeug nach Hongkong bestiegen. Meine Flüge hatte ich so gebucht, dass ich dort bei Hin- und Rückflug jeweils gute 10 Stunden Lay-Over hatte, um mir diese Stadt anzusehen, was sich auf jeden Fall gelohnt hat. Ich habe zwar einige asiatische Metropolen gesehen, aber Hongkong ist irgendwie etwas Besonderes; die vielen bergigen Inseln, die unglaublich hohen (Wohn)Gebäude, das omnipräsente Meer und die schwer zu bestimmende Differenz zu chinesischen Festlandsstädten. Nervös, hektisch, gigantisch, unglatt. Osaka erreichte ich dann nach einem weiteren nicht so langen Flug am Abend und fand meine ‚warmshowers‘-Gastgeber unweit des Airports, wo ich vor allem meinen Radkoffer für 4 Wochen lassen konnte, aber auch eine Nacht blieb.

Nach Hokkaido

Der erste Tag war dann gleich die Feuertaufe: Linksverkehr, mit 1000 Ampeln, im Großraum Osaka, vom Jetlag noch nicht im Vollbesitz meiner Kräfte, aber ich meisterte es, wie auch die Navigation. Die erste Nacht zeltete ich wild an einem Fluss zwischen Osaka und Kyoto, Kyoto durchfuhr ich, als ignoranter Tourist, am nächsten Morgen nur, und dann ging es relativ entspannt an den Ufern des Biwa-Sees entlang, bevor ich am Abend unweit von Gifu wieder an einem Flussufer nächtigte. Das Wetter war ganz gut, wenn auch ziemlich windig und ziemlich warm und ziemlich feucht. Dann ging es in die Alpen, der nächste Tag schlug mit über 2000 Höhenmetern (auf 120km) zu Buche, dazu gab es leichten Nieselregen. Am nächsten Tag wurde es nicht besser und leider sah ich von der Passhöhe auf 1800m nichts außer Wolken, und ich war froh, nicht noch einen tausend Meter höheren Pass angesteuert zu haben. Hinab ging es dann durch viele Tunnel bis Matsumoto, ein mir bereits bekanntes sehr angenehmes Städtchen mit einem ziemlich alten, hölzernen Wasserschloss.

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Von hier fuhr ich mit einigem Auf und Ab über Nagano Richtung Norden und erreichte nördlich von Niigata das Japanische Meer. Langsam wurde ich besser im Navigieren. Sehr oft gibt es nämlich mehr oder weniger parallel zu großen, vielbefahrenen Straßen kleine oder sehr kleine Straßen, die sich zwar in der Regel nicht so schnell fahren lassen, aber dafür viel entspannter. Schnell fahren, wie dann an der Küste entlang bis hinter Akita, wo die Straßen oft breit und glatt waren und viel geradeaus gingen, muss aber auch mal sein, und so fuhr ich bis in die Dunkelheit hinein mal knappe 250km und nächtigte in einer ziemlich guten Bushaltestelle. (Diese diente auch als Umschlagplatz für Druckerzeugnisse; nachts wurde ich von einer älteren Dame mit einem Packen Zeitungen in der Hand geweckt, ich nahm diese entgegen und lagerte sie auf dem vorhandenen Sitzkissen, und früh morgens wurden diese von einem älteren Herren abgeholt.)

Nicht zuletzt war auch die Wetterprognose nicht so rosig, und da ich am Folgetag über einen weiteren Gebirgszug nach Aomori wollte, galt es Strecke zu „machen“. Ich folgte dann einer kleinen Passstraße, die ziemlich weit oben mal wieder gesperrt war. Umkehren war keine Option und ich folgte ihr weiter, bis ich irgendwann schieben musste: massive Erdrutsche hatten die Straße ins Tal, oder massive Felsbrocken auf diese befördert. In Aomori nahm ich mir mal ein Zimmer und setzte am nächsten Morgen mit der Fähre nach Hakodate über. Hokkaido zeigte sich stürmisch und regnerisch,  bald fuhr ich an der Ostküste entlang nach Norden. Am nächsten Tag ging es nach ein paar Höhenmetern zum Shikotsu-See, wo ich mal einen offiziellen Zeltplatz am Ufer ansteuerte. Ursprünglich hatte ich vor, noch länger auf Hokkaido zu fahren, aber angesichts mieser Wetteraussichten für die kommenden drei Tage, fuhr ich noch über Umwege nach Sapporo, trank ein Sapporo, aktivierte meinen Zugpass für den nächsten Tag und reservierte auch ein paar Shinkansen-Sitzplätze. Den Nachmittag und Abend verbrachte ich mit dem Spazieren durch die Stadt, etwas, was ich ja bis dahin nicht getan hatte.

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Inselhopping im Süden

Am nächsten Vormittag verpackte ich mein Fahrrad am Bahnhof und bestieg den Bummelzug, der dann ziemlich voll wurde, nach Hakodate. Von da brachte mich ein Shinkansen bis Tokio, ein weiterer bis Osaka, wo ich den Anschlusszug in 8 Minuten Umsteigezeit(!) erreichte. Der Tag endete für mich im mitternächtlichen Hiroshima. Wäre ich früher am Tag gestartet, wäre ich weiter gekommen, aber so war ich etwas verloren. Kurzentschlossen schraubte ich das Rad zusammen und machte eine nächtliche Stadtrundfahrt, schlief dann noch ein paar Stunden auf einer ruhigen Parkbank am Fluss, um dann den ersten Zug nach Kagoshima, ganz im Süden von Kyushu zu nehmen. Die Natur hier zeigte sich tropisch und es war deutlich wärmer als auf Hokkaido. Ich fuhr entlang der Westküste und schlief am Strand. Am nächsten Tag wurde das Radfahren durch zwei Fährfahrten unterbrochen und abends befand ich mich ganz im Westen, auf Kakinoura. Von hier aus wollte ich mit einer weiteren Fähre nach Nakadori übersetzen, aber nach langem Warten im Hafen wurde irgendwann klar, dass wegen eines nahen Taifun diese Fähre ausfallen würde, und da es unsicher war, ob es am nächsten Tag besser werden würde, disponierte ich um. Ich wollte zurück auf die Hauptinsel. Ein Hafenmitarbeiter brachte mich wegen des Dauerregens in seinem Minikastenwagen, wo wider Erwarten mein Rad reinpasste, zum anderen Hafen, wo ich eine Fähre nach Sasebo nahm. Hier fand ich kurzfristig einen sehr netten Gastgeber via ‚warmshowers‘, was nach einem so vermasselten Tag sehr angenehm war.

Am nächsten Tag ging es nach Hirado, wo ich eine große Rundfahrt machte und final nach Iikitsuki, wo ich strandnah einen Platz zum nächtigen fand. Zwischenzeitlich hatte ich die Idee, nach Busan/Südkorea überzusetzten ad acta gelegt, weil die eine Fähre ziemlich teuer war und die andere immer ausgebucht für die in Frage kommenden Tage. Also war der Plan Shikoku zu bereisen, wo ich aber auch erstmal hinkommen musste. Dafür fuhr ich am nächsten Tag ziemlich geradeaus nach Osten und befand mich am Abend in den Bergen südlich von Hita, um am nächsten Tag nach Südosten nochmal eine Bergetappe zu fahren, die mit knapp 3000hm auf 170km ziemlich gut war. Den letzten Tag auf Kyushu fuhr ich am nächsten Tag küstennah(trotzdem über 2000hm) nach Saganoseki, wo ich auf den Stufen eines Stadions, bewacht von der Stadionkatze nächtigte, um am nächsten Morgen die Fähre nach Misaki (auf Shikoku) zu nehmen. Angesichts eines weiteren nahen, tropischen Wirbelsturms fuhr ich aber nicht nach Süden, sondern machte ein taktisches Ausweichmanöver nach Norden, immer am Meer entlang, um bald auf den wohl bekannten, mir aber bis dahin unbekannten Radweg namens Shimanami Kaido zu treffen, der über einige Inseln und viele Brücken nach Honshu führt. Ich zeltete auf einer dieser kleinen Inseln und drehte dann am Folgetag noch auf Honshu eine kleine, bergige Runde, fuhr am nächsten Tag wiederum Fähre zurück nach Shikoku, mit einem Zwischenstop auf Nagoshima.

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Meine Tage ähnelten sich sehr, ich stand auf wenn es hell wurde und fuhr einfach bis zum Einbruch der Dunkelheit oder auch mehrfach in sie hinein. Stopps machte ich bei Convenience Stores, an Plätzen mit guten Aussichten, an Kreuzungen zur Reorientierung. Größere Ortschaften umfuhr ich meist, kleinere durchkreuzte ich und generell ignorierte ich allerlei Sehenswürdigkeiten, ich passierte einfach sich abwechselnde Landschaften – Küsten, Berge, Täler, Wälder, Felder. Leider waren die Tage nicht mehr allzu lang; ansonsten wäre ich auch, da gut in Fahrt, öfter noch länger gefahren, aber so waren es nur ein paar Mal über 200 Kilometer am Tag, ohne mich sonderlich anzustrengen oder besonders schnell zu fahren.

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Zurück nach Osaka

Auf Shikoku wiederum fuhr ich im Inselinneren ordentlich Höhenmeter(über 3200 auf 150km) um westlich von Kochi wieder auf das Meer zu treffen, nach zwei Tagen erreichte ich dann Tokushima, nächtigte in einem Park, um am nächsten frühen Morgen nach Wakayama(Honshu) überzusetzen. Lange folgte ich dem Fluss, um dann rechts ins Gebirge abzubiegen und bei Shingu wiederum die Küste zu erreichen. Zwei weitere Tage auf der Straße und ich befand mich nach dieser Abschlussrunde wieder in Wakayama, wo ich nördlich der Stadt nahe am Meer in einem Unterstand des örtlichen Sportplatzes nächtigte. Am frühen Morgen wurde ich von sich dort zum Frühsport, mit sehr lauter Musik verabredeten, freundlichen Pensionisten geweckt. Auf den wenigen verbleibenden Kilometern zurück zum Kofferparkplatz sprang ich noch mal ins Meer und putze das Rad. Dann wurde es in den Koffer verfrachtet und ein Hotel in unmittelbarer Flughafennähe aufgesucht, das Flugzeug am nächsten Morgen nach Hongkong bestiegen, dort ein paar Stunden herumgelaufen, eine Fährfahrt bei Sonnenuntergang durch den Victoria Harbour gemacht, nachts nach Frankfurt geflogen, morgens der ICE nach Berlin genommen und in Berlin sich direkt zum Arbeitsplatz begeben. Kostbare Freizeit will optimal genutzt sein.

 

 

Neuseeland – Mit Packraft, zu Fuß, per Anhalter. Plus zwei Heimwegstops.

von , 16. Dezember 2023

Neuseeland – am ziemlich genau anderen Ende der Welt – ist bekannt für seine äußerst vielfältigen Landschaften und der zahlreichen möglichen Outdooraktivitäten. Vor über einem Jahrzehnt hetzte ich, zumeist per Daumen, in etwas über zwei Wochen über Nord- und Südinsel, trekkte am Mt.Cook (permanent wolkenverhangen und Schneesturm bei der ‚Mueller Hut‘), beging den Kepler-Trek, traversierte den Tongariro-Nationalpark und schaute mir noch die eine oder andere Ecke an. Diesmal hatte ich über 4 Wochen Zeit, und da ich mein Rucksackboot dabei hatte, war der Plan auf der Südinsel ein paar Überquerungen der Alpen zu versuchen. Dieser Plan ging nicht ganz auf.

Start

Der Weg nach Neuseeland ist weit, aber meist in unter 30h in der Luft zu realisieren. Mein Flug führte von Frankfurt nach Seoul – ein Traum; die Auslastung von 30% und der Sonnenaufgang über den schneebedeckten Gipfeln des Tien Shan – und dann weiter nach Auckland, wo ich vormittags ankam. Ich suchte das Quartier auf und musste mich dazu zwingen statt zu schlafen, das Tageslicht zu nutzen und herumzulaufen. Am nächsten Tag merkte ich dann noch etwas Jetlag, aber da ich die dann folgende Nachtbusfahrt nach Wellington fast durchschlief, erreichte ich frisch und munter das Ziel am nächsten Morgen, erstand ein Ticket für die Fähre, schaute mir wegen einer Verspätung das Hauptstädtchen noch etwas an, schaukelte über die Cook-Straße um am anderen Ufer in Picton direkt mit einer kleinen Wanderung zu beginnen. Ich nächtigte am Queen-Charlotte-Sound, ging am nächsten Tag noch weiter und trampte dann bis Hokitika an der Westküste.

Und dies lief wie am Schnürchen, und so sollte es in den folgenden Wochen zur Regel werden: eine junge deutsche Touristin mit Wohnmobil, 2-3 Kiwis die mich kurze Strecken, immer zur nächsten, besseren Trampstelle mitnahmen, dann ein mittelaltes Ehepaar, vor Jahrzehnten von den britischen Inseln emigriert, ein Chilene, via Work-and-Travel-Visa vor Jahren ins Land gekommen, mit mittlerweile Absichten, zu bleiben, klassenbewusste Minenarbeiter mit derbem Humor, Fischer, Farmer, Bauarbeiter. Kurzum, interessante Reisebekanntschaften. Bezeichnend für meine Geschwindigkeit war, dass es mir gelang, einen Konvoi von alten Bedford-Schaustellertrucks mit röhrenden Dieselmotoren immer wieder einzuholen. Ich blieb eine Nacht in Hokitika und trampte dann am nächsten Morgen zu meinem ersten Trailhead am Whataroa River.

Backcountry

Das Wetter war gemischt, zuerst kam ich auf gut markierten Wegen ganz gut im rutschigen Regenwald voran, musste einige Flüsse durchwaten und erreichte nachmittags am Perth River eine Hütte, wo ich auch nächtigte. Am nächsten Tag wurde es wegen schwieriger Wegfindung im Unterholz komplizierter, aber es war warm und sonnig und ich erreichte bald eine weitere Hütte wo ich wiederum blieb. Dann wurde das Wetter wechselhaft und ich mühte mich über Blockfelder und durch wegloses Unterholz bis ans Ende des Tales des Bettison Stream hinauf, von wo aus ich den Dennistoun Pass queren wollte. Dies scheiterte am nächsten Tag an Null Sicht; ich wusste nicht 100%ig, ob ich wirklich in Passnähe war (mein GPS-Gerät war ausgestiegen und die Karten waren nicht so detailliert), also nächtigte ich auf dem Grat und hoffte auf Wetterbesserung, die aber auch am Folgetag ausblieb. Von riskanten Versuchen in Fels und Eis sah ich ab, da ich keine 20 mehr bin und auch nur begrenzt Werkzeug dafür mitführte.

Also kehrte ich um, nachdem ich eine weitere Geröllrinne auf der Suche nach dem Pass hochgekraxelt war, was wiederum bedeutete, mich durch wegloses Gelände und die erwähnten, nun regennassen Blockfelder zu mühen. Gerade rechtzeitig mit einbrechender Dunkelheit befand ich mich zu Glück wieder auf dem Pfad der mich zur Hütte führte. Ich brauchte wiederum 2 Tage zurück zur Straße, wobei die letzte Nacht und der Folgemorgen sehr unangenehm waren: massiver Dauerregen, Sturm, und die Durchquerung des letzten Sturzbaches war mehr als waghalsig. In Whataroa nahm ich mir ein Zimmer, und trampte am nächsten Tag im anhaltenden Regen in einem Ritt bis Wanaka, wo es fast 30 Grad warm war und die Sonne schien.

Ich überlegte kurz was ich nun tun könnte und trampte noch ein Stück weiter Richtung Mt.Aspiring- Nationalpark, ging noch 1-2 Stunden ein idyllisches Tal hinauf und schlug mein Lager auf. Am nächsten Nachmittag erreichte ich die Ruth Flats und zeltete unweit eines Baches. Nachts setzten Sturm und Regen ein. Ich war genötigt nicht nur alle Zusatzabspannungen zu nutzen, sondern auch alle Verankerungen mit Steinen zu beschweren, was aber nur begrenzt half. Auch nach Tagesanbruch besserte sich nichts an der Situation, ich blieb also im Zelt statt weiter Richtung Pass zu laufen. Da der Bach neben mir stetig anschwoll zog ich irgendwann auf höheren Grund um.

SAR-Beifang

Irgendwann nachmittags hörte ich einen Hubschrauber das Tal hinauffliegen, nach vielleicht einer halben Stunde wieder umkehrend, sich nähernd und 50 Meter von mir entfernt landend. Ich kroch aus dem Zelt und mir entgegen kam ein SAR-Typ, fragte was ich vorhatte, erklärte, dass das Wetter so schnell nicht besser werden würde, sie soeben jemanden gerettet hätten und ob ich mitwollen würde. Ich musste nicht lange überlegen, der Heli wurde zum Parken etwas weiter weggeschickt und mir wurde beim Zusammenwerfen meines Krempels geholfen. Der Heli wurde zurückbeordert, ich nebst Gepäck verfrachtet und wir waren in der Luft. Beeindruckende Wassermassen stürzten unter mir ins Tal, das Fluggerät schwankte in den Böen und Fallwinden, und nach weniger als 30 Minuten setzten wir zur Landung bei strahlendem Sonnenschein in Wanaka an. Die SAR-Basis war unglaublich gut ausgerüstet, und im Gespräch mit einem der Retter erfuhr ich, dass in Wanaka über 50 Freiwillige für multiple Rettungsarten (Alpin, Wildwasser etc.) zur Verfügung stehen würden, und dass sie in der Regel nach Eintreffen des Notrufsignals keine 30 Minuten brauchen würden, um in der Luft zu sein, und dies mit requirierten Helis, was mehr als beeindruckend ist. Zudem erklärte er, dass das seit eh und je unvorhersehbare Wetter in dieser Gegend seit ein paar Jahren noch unvorhersehbarer geworden sei und Prognosen für mehr als 24 Stunden kaum möglich wären. (Jene Person, die den Notruf abgesetzt hatte (Anfang 20, sehr teuer und ultraleicht ausgerüstet) gab an, Zelt und Schlafsack verloren zu haben. Wie dies passiert ist entzieht sich meiner Kenntnis wie mir auch rätselhaft ist, warum er darob einen Notruf abgesetzt hatte, da die nächste Straße 7-8 Gehstunden entfernt war und davon maximal die erste Hälfte in anspruchsvollem, aber markiertem Gelände; das Wetter war zwar sehr hässlich, aber die Temperatur um die 20 Grad nicht lebensbedrohlich.)

Zick-zack

Ich trocknete etwas meinen Krempel und begab mich dann auf den örtlichen Zeltplatz. Angesichts des Wetters war es wenig ratsam, ein weiteres Mal gegen die Alpen anzurennen, also beschloss ich den Clutha hinunterzufahren, um das mitgeschleppte Boot auch mal zu nutzen. Die Fließgeschwindigkeit war hoch und es dauerte nicht lange bis ich am Lake Dunstan ankam, ich rollte das Boot zusammen und trampte bis Alexandra mit einer Studentin aus Dunedin, die auf Heimatbesuch war. Von dort fuhr ich am nächsten Morgen weiter den Fluss in einem Canyon hinab, und stieg wiederum kurz vor einer Stauung aus, trampte ein Stück und setzte dann wieder ein. Aber nicht lange, da der Fluss nicht nur Hochwasser führte, sondern auch komplett unberechenbar war; mit zahlreichen Strudeln, Felsblöcken, Unterströmungen und ähnlichem, wovor man mich auch gewarnt hatte. Also stieg ich aus und wanderte auf einem Weg entlang des Flusses und schlug mein Zelt am Ufer auf.

Bald erreichte ich am nächsten Tag die Straße und beschloss, mal eine Stadt zu besuchen, Dunedin. Nun, ganz angenehm, wenn auch eher unspektakulär. Die Wetterprognose sah nun wiederum ganz gut aus, so dass ich einen weiteren Sturm auf die Gebirgskette wagen wollte, und zwar unweit vom Mt.- Cook-NP. Die gut 400 km bis dahin lagen wie üblich in unglaublichem Tempo hinter mir und ich trottete am späten Nachmittag die Schotterpiste entlang des Lake Ohau hinauf. Ich zeltete bald an einem Bach, wo ich die schlimmste Sandfly-Heimsuchung bis dato erlebte, und so versuchte ich am nächsten Morgen vor Tagesanbruch unterwegs zu sein, um nicht allzu stark belästigt zu werden, was auch beinahe geklappt hat.

Relativ zügig kam ich dann voran, die Sonne schien, und auf verhältnismäßig ausgetretenen Pfaden erreichte ich am Abend eine Hütte am Talende, wo ich auf zwei US-Amerikaner traf, die bereits das zehnte Mal in Neuseeland waren und so Spezialisten auf dem Feld der Backcountry-Hütten. Am nächsten Tag suchte ich nach einer Möglichkeit über die Gebirgskette zu kommen, und scheiterte wieder grandios an weglosem Geröll und Unterholz, kehrte also ein weiteres Mal um und ging dann noch bis zu einer Stelle zurück, wo ich am nächsten Tag das Boot in den Hopkins River einsetzen konnte. Dies klappte dann auch super, teilweise war die Abfahrt, dann auf dem Dobson River, ganz sportlich, teilweise aber auch anstrengend, da der Wasserlauf immer wieder zerfaserte und ich das Boot in Niedrigwasser ziehen musste. Kurz vor dem Lake Ohau stieg ich wiederum aus und begab mich auf die Schotterpiste wo ich auch schon bald einen Lift auf einer Pick-Up-Ladefläche bekam. Mein Ziel war nun der nicht allzu ferne Mt.-Cook-NP wo ich gen Abend am Tasman River entlang nach Norden lief. Die umliegenden Gipfel erstrahlten im Abendlicht und der nahe Tasman-Gletscher rumorte.

Am nächsten Morgen kehrte ich allerdings kurzentschlossen um, da ich angesichts vielversprechender Wetterprognosen, statt einer kleinen Runde hier, es noch einmal wagen wollte Nähe Mt.Aspiring eine mehrtägige Tour zu machen. Also befand ich mich wieder auf der Straße nach Wanaka und am nächsten Tag unweit des Mt.Aspiring. Die letzten Kilometer nahmen mich Alpinisten aus Lettland mit, die den Mt. Aspiring besteigen wollten, wir tauschten uns über diverse Hochgebirge der Welt aus, und als ich sie auf ihre wenig zeitgemäßen sehr hoch beladenen Rucksäcke ansprach, erklärten sie augenzwinkernd, dass sie sowjetische Alpinisten und für wirklich alles gerüstet wären.

Die bald hochalpin werdende Landschaft zeigte sich bei bestem Sonnenschein und ich zeltete unweit des Cascade Saddle, die Nachtruhe wurde allerdings immer wieder von Keas gestört, die es auf die Zeltheringe abgesehen hatten. Am nächsten Tag ging es hinab und dann einen weiteren Pass hinauf, hinter dem ich mein Lager aufschlug. Bald folgte ich dem Rees River und versuchte mein Glück auf dem Wasser. Dies war aber ziemlich schnell zum Scheitern verurteilt, da er einfach zu wenig Wasser führte.

Finale

Das Datum meiner Abreise nahte unaufhaltsam und so machte ich keine allzu großen Sprünge mehr, sondern begab mich, nach einem weiteren untauglichen Paddelversuch (Niedrigwasser) unweit von Arthur’s Pass auf einen Zeltplatz am Meer auf der Banks-Halbinsel südlich von Christchurch, wo ich 1,5 Tage lang einfach mal fast nichts tat, außer spazieren, baden und lesen. Das nach wie vor vom letzten Erdbeben gezeichnete Christchurch sah ich dann an einem sehr verregneten Tag und verließ Neuseeland am nächsten Morgen.

Heimweg mit Stopps

Wenig später landete ich in Sydney. Dummerweise zogen meine Freunde dort just an diesem Wochenende um, also half ich dabei. Es ergaben sich aber auch entspannte gemeinsame Stunden, wie auch Zeit zum Schlendern durch die Stadt.

Mein nächster Flug brachte mich dann nach Bali, per se nicht eine unter den Top-Ten meiner Destinationen, aber ein Freund weilte zu dieser Zeit dort, wie auch eine Bekannte dort seit längerem lebt. Da es auf dem Weg lag, machte ich einen 7-tägigen Stopp. Es war noch Regenzeit, und die imposanten Vulkankegel, die ich ansonsten versucht hätte zu besteigen, waren meist in Wolken gehüllt. Ich verbrachte ein paar Tage an der Ostküste mit den erwähnten Freunden oder ging spazieren, saß auf dem Balkon, starrte aufs Meer oder las. Um noch etwas anderes zu sehen fuhr ich dann nach Ubud, wo mich touristischer Overkill übermannte. Ich mietete mir aber ein Rennrad für 2 Tage, um in den bergigen Norden zu fahren, wie auch die nähere Umgebung zu erkunden. Meist fuhr es sich ziemlich gut, zumindest wenn man auf kleineren Straßen blieb und die Mittagshitze mied, durch bilderbuchartige Terrassenreisfelder und Regenwälder. Die Woche war dann ziemlich schnell vergangen und ich musste die Heimreise antreten.

Kurzum, auch wenn die Touren in Neuseeland wegen objektiver und subjektiver Behinderungen nicht so wie angedacht zu realisieren waren, gelang es mir trotzdem eine sehr gute Zeit zu haben indem ich täglich die Pläne anpasste. Dabei legte ich unglaublich viele Kilometer, mutmaßlich ein paar Tausend, trampend zurück, wobei ich nicht zuletzt wegen der nicht vorhandenen Sprachbarriere Einblicke gewann, die mir sonst und anderswo verwehrt geblieben wären.

 

Shortcuts:

Transport: Flüge ans andere Ende der Welt sind nicht gerade günstig und das frühe Buchen, wie auch das Durchspielen verschiedener Optionen (bestimmte Strecken separat buchen bspw.) kann sich lohnen. Im Land gibt es ein Fernbus-Netz, was aber gerade auf der Südinsel seine Grenzen hat, angesichts geringer Bevölkerungsdichte und mehrheitlich Campervan-fahrenden Touristen. Die Fortbewegung per Anhalter funktionierte unglaublich gut und in der Regel saß ich in einem Auto, bevor die erste Zigarette aufgeraucht war, und das bei den exorbitant hohen Preisen für Tabakwaren im Land. Einen Spitzenplatz in puncto Mitnahmefreundlichkeit haben US-Amerikaner, gefolgt von Einheimischen, es gab aber auch Chilenen, Franzosen, Argentinier, Briten, Österreicher, Chinesen, Deutsche und Koreaner.

Karten: Es gibt ziemlich gute topografische Karten online bzw. auch zum Ausdrucken unter topomap.co.nz in den Maßstäben 1: 250 000 und 1:50 000.

Generell: Wer sich jenseits der Rudeltrekkingpfade ins Hinterland der Westküste wagt, sollte sich in weglosem Gelände zurechtfinden können. Es gibt ein Netz an Backcountry-Hütten, für deren Nutzung der Erwerb eines Backcountry-Hut-Passes notwendig ist. Das Unterholz (Bush) wie auch das unberechenbare Wetter sind Faktoren, die dem an Mitteleuropa oder Skandinavien gewöhnten Reisenden schnell die Tour vermasseln können, vergleichbare Bedingungen gibt es meines Erachtens nur in Patagonien. Ratsam ist in jedem Fall das Anmieten eines Personal Locator Beacons(PLB’s), eines mit GPS versehenen Notrufsenders. Die Kiwis rennen alle damit rum, er kostet für 4 Wochen um die 100 Euro und kann im Ernstfall angesichts exquisiter SAR-Infrastruktur lebensrettend sein.

Ziemlich gute Hosen – die Arc’Teryx Gamma QuickDry Pants und Shorts

von , 9. Juni 2023

ArcTeryx-Gamma-QuickDry-ShortsZiemlich gute Hosen – die Arc’Teryx Gamma QuickDry Pants und Shorts

Die wenigsten Reisenden werden, wenn überhaupt und abhängig von der Art und Länge der Tour, kaum mehr als drei Beinkleider mitnehmen; weniger geht immer. Die drei wären eine kurze Hose, eine lange Hose und eine Regenhose. Damit ist man für so ziemlich alles gerüstet, einzig bei Unternehmungen in kalten Gefilden dürfte die kurze Hose durch eine lange Unterhose bzw. gefütterte Hose ersetzt werden.

Pants:

Bei Touren in gemäßigten Klimazonen von Frühling bis Herbst und nicht zu schweißtreibenden Aktivitäten dürfte die meiste Zeit eine lange Hose getragen werden. Sie sollte generell ein paar Taschen haben, robust sein, relativ schnell trocknen und bewegungsfreundlich geschnitten bzw. aus leicht elastischem Gewebe zusammengenäht. Die Gamma QD Pant hat und ist all dies. Zudem punktet sie nicht nur mit einem geringen Gewicht, hoher Windundurchlässigkeit und erstaunlich gutem wasserabweisendem Obermaterial, sondern auch mit einer sehr dezenten Optik. Ich trug sie eine Woche lang ununterbrochen bei einer kleinen Tour in Südosteuropa. Die Hälfte der Zeit reiste ich wetterbedingt nur herum, saß also in Bussen oder schaute mir Ortschaften an, die andere Hälfte verbrachte ich in den Bergen. Bei Anstiegen im Sonnenschein schwitzte ich weniger als erwartet, da die Hose recht dünn ist. Auf Graten war es stürmisch, die Hose hielt den Wind aber ziemlich gut ab. Und kalt war mir auch nicht in größeren Höhen beim Queren von Altschneefeldern. Da sie an den Knöcheln relativ eng geschnitten ist gelangte auch kein Schnee in die Stiefel. Kürzere Regen- und Hagelschauer waren ebenfalls kein Problem. Und kurz vor dem Wiedererreichen der Zivilisation spülte ich die Dreckspuren an den Waden einfach am letzten Bach ab und schon sah sie aus wie neu und ich stadtfein.

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Kurzum, diese Trekkinghose ist eine der besseren von mir genutzten weil sie wirklich enorm vielseitig ist und Potential hat, meine Lieblingsreise-Trekking-Wander-Tourenhose zu werden. Dafür, dass das Material relativ dünn und so gerade richtig für schnelles Vorankommen ist, ist sie erstaunlich robust. Außerdem schätze ich an ihr sehr, dass sie angenehm zivil und nicht nach „Bushcrafting“ oder wie aus der Bonbonabteilung aussieht.

…und Shorts:

Deutlich länger nutzte ich bereits die QD Shorts, und zwar vor allem bei einer 6-wöchigen Tour in Neuseeland, Australien und Bali. In Neuseeland hatte ich sie fast nur an, da es Sommer war. Die oben erwähnten Vorteile (geringes Gewicht, schnelles Trocknen, bewegungsfreundlich) machten das Tragen sehr angenehm, sei es in Städten, auf der Straße, im Boot, und vor allem im Backcountry; bei Regen, Sonnenschein und Sturm. Erstaunt war ich wirklich, wie unempfindlich das Material ist. Wer sich schon mal tagelang in weglosem Gelände durchs Unterholz an der Westküste der Südinsel geschlagen hat, weiß wovon ich rede. Meine Knie waren derbe zerschrammt (die Unterschenkel hatte ich nach Kiwiart mit Gamaschen geschützt) und die Hose steckte alles weg, von dornigen Ästen bis zu scharfkantigen Felsen. Zudem trug sie sich angenehm, sie trocknete sehr schnell, da ich meist keine Regenhose verwendete(obwohl es sehr viel regnete), da es einfach zu warm dafür war. Ähnliches lässt sich vom tropischen Bali zur Regenzeit berichten, wo ich sie ausschließlich trug, auch bei einigen Ausflügen mit dem Rennrad. Bei diesen sehr schweißtreibenden Aktivitäten bei fast 100% relativer Luftfeuchtigkeit zeigte sie erst erstaunlich spät Schweißränder (sind die Salze einfach verdampft?), aber ein schnelles abendliches Durchspülen machte sie wieder tragbar.

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Fazit

Diese sehr bequemen Beinkleider namens Gamma Quick Dry, aus der hauseigenen Entwicklung Terratex, sind unglaublich vielseitige, sportlich-elegante Hosen für eine Vielzahl von Anwendungen. Die 5 Taschen sind gerade richtig, weder zu groß noch zu klein, und sie lassen sich alle mit einem Reißverschluss schließen. Ich schätze an diesen Hosen vor allem das dünne aber robuste Material wie auch die zivile Optik. Und selbst mit den integrierten Gürteln, denen ich anfangs feindselig gegenüber gesonnen war, freundete ich mich irgendwann an, da sie doch relativ praktisch sein können.

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Hier gehts zur Gamma QuickDry Pants

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Hier gehts zur Gamma QuickDry Shorts

 

 

Mal schnell nach Armenien

von , 2. Juni 2023

titel-armenienSpazieren im Schnee und Cognac trinken –  Ein Kurzausflug nach Armenien.

Was tun, wenn sich ein paar arbeitsfreie Tage ergeben, sich die Turbulenzen einer Pandemie beruhigt und dadurch der Radius möglicher Reisen erweitert haben? Den Blick auf die Weltkarte richten und Möglichkeiten erörtern. Aufwand und Nutzen sollten nicht wieder in zu krassem Verhältnis stehen, wie „kurz mal für eine Woche nach Thailand“ – mit diversen Covid-Tests und Quarantäne. Nicht zuletzt wegen unaufwendiger Verbindungen, aber vor allem weil es von diversen Reisen in sehr guter Erinnerung geblieben ist, beschloss ich Anfang Mai 2022 wieder nach Armenien zu reisen. Bei der letzten Reise hatte ich den Aragats, ebenfalls im Frühjahr, bestiegen, also gedachte ich noch einmal über die zwischen Sevansee und der Araratebene gelegene Geghama-Kette zu gehen.

Anreise:

So begab ich mich an einem Freitagabend direkt aus der Fabrik zum Flugplatz, bestieg eine von mir sehr geschätzte Turboprop-Maschine nach Warschau, dort stieg ich um und befand mich früh um 5 Uhr am Flughafen Zvartnots unweit von Armeniens Hauptstadt im Nieselregen. Nachdem ich Geld getauscht und gefrühstückt hatte nahm ich ein Taxi nach Garni. Und, wie hätte es anders sein können in einer ehemaligen Sowjetrepublik, der Taxifahrer hatte natürlich in den 1980er Jahren bei den Westtruppen der Roten Armee in der DDR gedient, allerdings als Zivilangehöriger. Er sprach sehr gutes und gewähltes Deutsch, kannte alle Bezirke, schwärmte vom FKK-Strand in Warnemünde und fuhr nun nicht nur Taxi, sondern arbeitete auch als Guide für Touristen. So verging die Fahrt in angenehmer Konversation und im Morgengrauen befand ich mich an meinem Startpunkt.

Über die Geghama-Kette

Das Wetter hatte sich etwas gebessert und ich lief, nach einem sehr guten Kaffee aus den landesweit omnipräsenten Automaten am Wegesrand los, erst durch den erwachenden Ort und dann nach Nordosten, auf Straßen, Feldwegen und Pfaden. Langsam an Höhe gewinnend passierte ich hügeliges Weideland, sah Lagerstätten halbnomadischer Hirten und immer mehr Altschnee. Da ich das letzte Mal vor über 30 Stunden geschlafen hatte und die Sonne schien, nutzte ich dies für ein kleines Nickerchen im grünen Gras. Ich kam dann ganz gut voran, einzig die dunklen Wolkentürme hinter mir verhießen nichts Gutes. Bald setzte Donner ein, näher kommend und lauter werdend, und die damit einhergehenden Blitze waren durchaus respekteinflößend. Es gab weit und breit nichts, was hätte Schutz gewähren können, außer grüne Hügel und Gesteinsbrocken. Bald hagelte es und als Blitz und Donner sehr, sehr nahe waren kauerte ich mich hin. Doch das Gewitter zog vorbei, und ich spazierte weiter und erreichte bald Höhen mit einer geschlossenen Altschneedecke. Diese war oberflächlich verharscht, aber darunter teilweise sehr tief. Ich hatte mit Schnee gerechnet, neuem wie altem, aber die Dimensionen überraschten mich, und ich war dementsprechend suboptimal vorbereitet. Auf jeden Fall lag deutlich mehr Schnee als bei meinem letzten Ausflug in dieses Gebiet, obwohl dieser früher im Jahr stattfand. Schneeschuhe wären jetzt sehr praktisch gewesen, sie haben allerdings keine Handgepäcksdimensionen.

armenien-wandernMühselig war das Vorwärtskommen, immer wieder brach ich Knie-bis hüfttief ein, aber ich näherte mich langsam, laut fluchend und mit nassen Füßen, den höchsten Erhebungen. Die Wegwahl war die zwischen Pest und Cholera: entweder auf dem Schnee bleiben und hoffen, dass er möglichst gut trägt, oder über vereiste Blockfelder schlittern. Meist präferierte ich ersteres.

armenien-schneeZudem blies ein ziemlicher Wind, glücklicherweise von hinten. Gen Tagesende hatte ich nach über 30 Kilometern den Fuß des Azhdahak auf über 3000 m Höhe erreicht, entschied mich aber noch etwas weiter zu gehen. Zum einen waren mir die Mühen einer Besteigung in dieser Situation nicht plausibel, zum anderen wollte ich auf die Windschattenseite der Kette. Ich baute das Zelt auf, aß etwas Kaltes – einen Kocher hatte ich nicht mit – und schlief sofort fest und tief ein.

Der Morgen war frostig, aber nachdem die Sonne sich sporadisch zeigte und meine Stiefel aufgetaut waren, packte ich meine Sachen und ging relativ spät frohen Mutes weiter und bald bergab, und irgendwann hatten auch die elenden Schneefelder ein Ende und ich musste keine Angst mehr haben, beim nächsten Schritt wieder mit einem Bein zu verschwinden.

armenien-schnee-wandernEs wurde langsam wieder grün, hin und wieder ließ sich die Sonne sehen, in der Ferne der Sevan erahnen und die Luft wurde nun fast frühlingshaft warm.

…zum Sevan

Bald erreichte ich die erste Ortschaft, Tsaghkashen, und nachdem ich diese passiert hatte hielt neben mir ein Lada mit einer jungen Familie, der Sprössling lenkte auf dem Schoß des Vaters, die mich bis in den nächsten größeren Ort, Hatsarat, mitnahmen und mich an der Marshrutka-Haltestelle aussteigen ließen. So befand ich mich also auf dem Weg nach Jerewan, überlegte es mir aber anders und ließ mich in Sevan rauswerfen. Ich lief durch den Ort, nahm mir wegen des anhaltenden Nieselregens ein Taxi zur Sevan-Halbinsel, da ich wusste, dass die ehemalige Residenz des armenischen Schriftstellerverbands – ein Juwel moderner sowjetischer Architektur – nun ein Hotel war.

armenienIch hatte Glück, sie war geöffnet, wenn sie auch eindeutig bessere Zeiten gesehen hatte. Ich nahm mir ein Zimmer, duschte und spazierte über die Halbinsel. Ich genoss den Blick auf diesen faszinierenden See und die angrenzenden Berge, und auch die kleine alte Kapelle besuchte ich.

sevan-halbinsel-armenienEs hatte sich eine relativ dezente touristische Infrastruktur seit meinem letzten Besuch in Form von ein paar Buden und einem größeren Hotel entwickelt, die aber erst aus ihrem Winterschlaf erwachten. Abends speiste ich mit Panoramablick im Restaurant, unterbrochen von Einladungen zum Wodka vom Nebentisch, und begab mich bald ins Bett.

Jerewan

Am nächsten Tag lief ich auf Wegen oberhalb der Hauptstraße im Sonnenschein nach Sevan, fuhr dann nach Jerewan und bezog mein Quartier. Etwas ziviler gewandet spazierte ich dann durch Straßen und Parks und über Plätze dieser sehr angenehmen kleinen Metropole, was ich auch am Folgetag fortsetzte.

genozid-memorial-tsitsernakaberd-armenienDie Temperaturen waren frühlingshaft, die Einheimischen flanierten, und auch die Sonne ließ sich öfter mal blicken. Hin und wieder setzte ich mich vor ein Café und genoss zum Mokka auch den exquisiten armenischen Cognac.

opernplatz-kaffee-cognac-armenienBloß der Ararat war leider permanent in Wolken gehüllt und weder von Tsitsernakaberd noch vom Park des Sieges über der Stadt sichtbar. Wie beim letzten Besuch gab es wieder Straßenproteste, damals gegen die alte, nun gegen die neue Regierung, der vor allem Versagen beim letzten aserbaidschanischen Angriffskrieg gegen Artsakh 2020 vorgeworfen wurde. Ein Indiz einer anderen jüngsten postsowjetischen Grenzverschiebung mittels Waffengewalt war die auffällige Präsenz vieler junger russischsprachiger Menschen, deren Einkauf von Haushaltsgeräten weniger auf einen touristischen Aufenthalt als auf ein Einrichten fernab des Kremls schließen ließen. Ähnliches berichtete eine Freundin, die zur gleichen Zeit in Georgien weilte. Abends traf ich auf den Platz der Republik, wo zu klassischer Musik eine Choreographie aus Licht und Wasserfontänen ein wunderbares Ensemble bildeten.

platz-der-republik-armenienDoch auch dieser vierte Tag meiner Reise ging vorbei, ich ging früh ins Bett, da ich nachts um 3 zum Flughafen musste, melancholische Weisen aus dem Radio passten zu meiner Stimmung während der Taxifahrt durchs nächtliche Jerewan, da ich es schon wieder verlassen musste. Da ich ein Upgrade in die Business-Class ergattert hatte genoss ich das Frühstücksbuffet in der Lounge einschließlich eines Schlückchens Cognac.  Bei Morgendämmerung befand ich mich schon über dem Schwarzen Meer, schlief etwas, und am späten Vormittag wieder dort wo ich gestartet war: in der Fabrik. Kurzum, effektiver hätte ich die kostbare Freizeit kaum nutzen können.

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Nordkalifornien und Nevada – Eine Runde mit dem Rad

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titelbild patagonien

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