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Auf den Spuren von James Bond

Der letzte Urwald. Foto: privatMontenegro ist ein sehr kleines Land mit gerade einmal 700.000 Einwohnern. Reiseautorin Sandra Haubold war wirklich überrascht, als ihr Freund ihr dieses Land als diesjähriges Urlaubsziel präsentierte. Wandern wollten sie, das Meer sehen und etwas Neues entdecken. Montenegro kann all das:

All meine, wie ich finde, fantastischen Urlaubsvorschläge wurden mit einem verständnislosen Kopfschütteln abgelehnt. Die Begründung des Herrn: Er WILL ins Ausland fahren (obwohl für ihn Deutschland schon Ausland ist), ins WARME soll es gehen, an einen Ort mit Meer, aber auch Möglichkeiten zum Bergwandern und bitte bitte bloß nicht nach Spanien…da fliegen sie doch alle hin.

Jetzt hatte ich keine Lust mehr. Sollte er doch selbst etwas organisieren, wenn MEINE Vorschläge alle nicht seinen Vorstellungen entsprachen.

In den letzten Urwald des Kontinents

Am nächsten Abend kam ich nach Hause und der Europaatlas war aufgedeckt: MONTENEGRO. Mein Kopf ratterte: Wo war das noch mal? Was gibt es da überhaupt?

Ein kleiner Blick in mein schlaues Telefon half mir weiter: Das ausgesprochen kleine Land mit nicht einmal 700.000 Einwohnern war Teil des ehemaligen Jugoslawiens und seit 2006 eines der jüngsten Länder der Welt. Beim Weiterlesen wurde mir schnell klar, das schon eine Kurzbeschreibung Montenegros sich wie ein Auszug aus dem Buch der Rekorde liest: die tiefste Schlucht Europas, der größte Binnensee des Balkans, der einzige Fjord des Mittelmeerraums, der längste Strand der Adria, der letzte URWALD (!) des Kontinents – kaum ein Landschaftstyp ohne einen Eintrag der kleinen Republik in die Bestenliste.

Ist es dort auch sicher?

Mit sorgenvollem Augenaufschlag nach der Sicherheitslage befragte ich meinen Reiseplaner: Ist es dort auch sicher? Was ist mit dem Balkankrieg und möglichen aktuellen Konflikten oder Minenfeldern oder oder oder? Darauf wusste mein Freund mit Diplom in europäischer Geschichte sofort eine Antwort: Tatsächlich war Montenegro im Laufe seiner Geschichte häufig Schauplatz von Kriegen und bewaffneten Auseinandersetzungen. Der letzte Krieg war allerdings der Zweite Weltkrieg. Den jugoslawischen Bürgerkrieg der Jahre 1991-95 und den Kosovo-Konflikt von 1999 erlebte Montenegro nicht direkt. Kampfhandlungen fanden auf montenegrinischem Gebiet nicht statt.

Ok, überzeugt!  Eine Woche später, nach einer Low-Cost-Landung und einem gemütlichen zweistündigen Spaziergang durch Dubrovniks alte Gassen in Kroatien sowie einer vierstündigen Busfahrt in die Hauptstadt Podgorica wurden wir gegen Mitternacht in einer kleinen grünen Oase im Hostel Nice Place von dem Besitzer Backo und einer kleinen internationalen Backpackerrunde mit Bier, Wein, Chips und netten Gesprächen empfangen.

Auf Transformer-Suche in Montenegros Hauptstadt

Obwohl wir wussten, dass die Hauptstadt in den touristischen Planungen allerhöchstens eine verkehrstechnische bedeutende Rolle spielt, konnten wir hier ein Stück weit mitbekommen wie Montenegriner leben und arbeiten. Außer dem gemütlichen Hostel, dem direkt dahinter liegendem Park mit Aussichtshügel und einem super leckeren von Backo empfohlen günstigen Restaurant   (Zweigänge-Menü inkl. Weinflasche für zwei Personen = 15 Euro), badeten wir im sauberen und erfrischenden Fluss Moraca und aßen die leckersten frisch gebackenen Burek. So frisch habe ich sie noch nie zubereitet bekommen, obwohl ich die letzten Jahre in Berlin/Neukölln lebte.

Aber das größte Highlight waren die meterhohen Transformers, die ein montenegrinischer 22-jähriger Künstler aus Autoteilen zusammengeschweißt hat und die sich über das Stadtzentrum verteilten. Er baute sie für das Durmitor Art Eco Festival, um darauf Aufmerksam zu machen, dass man auch Autoschrott sinnvoll und schön wiederverwerten kann.

Wie James Bond in Casino Royale

Nach einem weiteren gemütlichen Abend in der Oase des Hostel Nice Place mit intensiven Gesprächen mit Backo über die Geschichte des Balkans und seiner Zukunft, ging es mit dem lebensfrohen Veganer Basti und meinem eigenen Abenteurer-Mann früh morgens um sechs Uhr endlich so richtig in die Berge…und zwar mit der Bahn:

Für zwei Euro pro Person hieften wir uns gerne auch ohne Bahnsteig selbst in den Zug. Außerdem ist der Zug, der direkt nach Belgrad weitertuckelt für seine Laaaaangsamkeit bekannt. Aber so hatten wir in unserer Sechser-Kabine ausreichend Zeit uns die atemberaubende unberührte Berglandschaft anzuschauen, die Tunnel zu zählen, das überraschend moderne Klo auszuprobieren und etwas ins Quatschen zu kommen…

Z.B. darüber, wie man in Montenegro als Veganer zurecht kommt: nämlich am besten, wenn man selbst kocht oder im Restaurant Fotos von dem gewünschten Essen zeigt. Außerdem offenbarte mir mein Liebster, warum er sich Montenegro als Reiseziel ausgewählt hatte:

Er wollte schon immer mal wie James Bond in dem Film Casino Royale im Zug in Montenegro sitzen und durch die Berge fahren…:) Am Ende verging die zweistündige Fahrt bis nach Mojkovac so schnell, dass wir beinahe verpassten auszusteigen. Doch dank der schon erwähnten Laaaangsamkeit konnten wir samt Gepäck noch schnell rausspringen. Ein bisschen wie bei James Bond…

Vegane Kochpläne mit frischen Pilzen an der Tara-Schlucht

Wir befanden uns nun Mitten im Durmitor Gebirge. Gipfel mit über 2000 Meter Höhe, zahlreiche Gletscherseen und Schmelzwasserteiche aus den steinigen Hochebenen und Tälern begrüßten uns. Hier gab es vielseitige Möglichkeiten zum Wandern, Bergsteigen, Klettern, Rafften und Kajaken.

In unserem liebgewonnenen Reiseführer von Achim Wigand stand auch geschrieben, dass das Durmitor Gebirge wie die Alpen vor 100 Jahren ist: wild und unberührt. Nur magere drei Prozent der Montenegro-Reisenden verbringen zwei oder mehrere Tage abseits der Küste. Das war ganz nach unserem Geschmack. Auch wenn wir leider nur eine Woche Zeit hatten, suchten wir genau diese Bergruhe weit weg vom touristischen Zirkus am Strand.

Unser nächstes Tages-Etappenziel war die tiefste Schlucht Europas: die Tara-Schlucht, die sich mit 1.300 Meter ein tiefes Bett gegraben hat. Doch erst einmal gab es eine kleine Frühstücksverschnaufpause mit dem „Turska“-Kaffee. Hierzu wird Wasser zusammen mit sehr fein gemahlenem Kaffee und eventuell  Zucker zusammen aufgekocht und noch im Messingkochgefäß serviert, erst am Tisch füllt man den Kaffee in kleine Tässchen. Und man darf es natürlich nicht sofort trinken, sonst hat man die Krümel zwischen den Zähnen.

Mit einem Minibus ging es die Serpentinenstraße hinauf, immer entlang der Schlucht. Aber nicht nur die Fahrt entlang einer landschaftlich aufregenden Strecke lies unsere Herzen höher schlagen. Auch der Busfahrer, der bis zur berühmten Tara-Brücke andauernd telefonierend und ausdauernd rasend unterwegs war, bereitete uns ziemliches Herzrasen.

Die Brücke bietet seit 1941 den einzigen für den modernen Straßenverkehr nutzbaren Übergang am Unterlauf des Flusses. Hier gab es zahlreiche touristische Stände mit Postkarten, Souvenirs und sogar leckere frisch gepflückte Pilze und Beeren.

Auch wenn Letzteres überteuert war, hätte ich mir hier wirklich Postkarten kaufen sollen, denn das wäre die letzte Chance gewesen. Zusätzlich gab es die angeblich längste Zip-Line Europas, die direkt über die Schlucht führte. Im Nachhinein ärgern wir uns ein bisschen, dass wir diese Fahrt für je zehn Euro nicht gewagt haben…

Wasserausfall in der höchstgelegenen städtischen Ansiedlung des Balkans

Nach einer weiteren ausgiebigen türkischen Kaffeepause und der festen Planung eines veganen Kochabends mit montenegrinischen Pilzen an diesem Abend, nahmen wir den nächsten Bus in die Kleinstadt Zabljak. In der über 1.455m über Meereshöhe höchstgelegene städtische Ansiedlung des Balkans checkten wir für diesen Tag erst mal in ein Hostel ein und stürzten uns auf die nächste Bäckerei.

Jetzt zahlte sich aus, dass wir am Morgen so früh aufgebrochen waren. So konnten wir um 15 Uhr noch eine gemütliche Wanderung um den nahe liegenden karibisch blauen See unternehmen und die Urwälder etwas beschnuppern. Die Landschaft um den See ähnelte den schottischen Highlands.

Wendeten wir unseren Blick, änderte sich die Szene radikal: Hochalpenpanorama. Im dicht bewachsenen Wald entdeckten wir noch ein verlassenes Hüttendorf aus den 80ern, was davon zeugte, dass Zabljak bereits schon einmal ein beliebter Urlaubsort war. Derzeit herrscht hier ein ungeahnter Bauboom mit dem Ziel, aus dem Ort eine Metropole des Bergtourismus zu machen. So weit ist es aber noch lange nicht, denken wir. Für wenig Geld kann man hier noch in den zahlreich angebotenen Privatzimmern unterkommen.

Hätten wir noch ein paar Tage mehr Zeit gehabt, wären wir auf eine dreitägige Schutzhüttentour gegangen. Doch so verabschiedeten wir uns von unserem veganen Reisefreund Basti an diesem Abend mit einer einfachen Brotzeit in unserer Herberge.

Aus der Kochaktion wurde leider nichts mehr, da es im ganzen Ort über mehrere Stunden einen Wasserausfall gab. Dafür freuten wir uns kurz vor Mitternacht, als das Wasser dann wieder ging und wir nach dem langen aufregenden Tag doch noch Duschen konnten.

Romantische Zweisamkeit in einem Öko-Hüttendorf

Die nächsten zwei Tage verbrachten wir auf der Hochebene zwischen Zabljak und Pluzine in der romantisch kleinen Öko-Hüttenanlage-Milogora im Dorf Trsa in kleinen Holzhütten.

Kleiner Tipp:
es ist ZWECKLOS zu reservieren. Wir haben es jeweils per E-Mail, Buchungssystem und per Telefon versucht. Englisch wird kaum ein Wort gesprochen und so genau konnten wir nicht herausfinden, wieso sich das Dorf „Öko“ nennen darf.

Dafür sind das Frühstück und die Abendessen sehr reichhaltig und für zehn Euro inklusive Frühstück lässt es sich prima speisen. Jeder frei rumlaufende Bewohner vom Huhn über Fohlen, Kühe, zwei kleine Hundewelpen statteten uns einen kleinen Besuch ab und auch das Nachbarsmädchen schaute neugierig vorbei.

Öffentliche Verkehrsmittel gab es dort übrigens auch nicht, aber es fahren immer wieder Truckfahrer oder Touristen über diese Hochebene, die einer der landschaftlich schönsten Straßen des ganzen Landes sein soll. Wir stimmen zu!!!

Zurück zur Küste kamen wir dann auch per Anhalter. Der Bürgermeister eines bekannten Küstenortes und seinem Serbischen Kumpel, der für das Königshaus arbeitete, nahm uns höchstpersönlich mit. Dadurch erfuhren  wir die eine oder andere Anekdote.

Dank ihnen genossen wir noch zwei erholsame Tage an einem ruhigen Insider-Strand in der Bucht von Kotor, die an ein Fjord erinnert. Zuletzt erkundeten wir noch die historische Stadt Herzog Novi und aßen lecker Fisch.

Dann war unsere Montenegro Woche leider auch schon vorbei, aber wir haben große Lust auf mehr Balkan bekommen mit möglichst etwas mehr Zeit, damit unser Bergwandergeist auf seine vollen Kosten kommen kann. Jetzt bleibt mir nur noch James Bond zu danken, dass er meinem Freund auf das tolle Reiseziel aufmerksam gemacht hat.

PS.: Später erfuhren wir übrigens, dass der James Bond Film eigentlich in Tschechien gedreht wurde.


One Response to Auf den Spuren von James Bond

  1. Liebe Leute,
    heute habe ich am Strand in Perast Montenegro, Bucht von Kotor einige freundliche Jungs vom Stamm Sperber kennengelernt und mit ihnen über die Plastikmüll Verschmutzung des Meeres gesprochen. Ich bin regelmässig in Montenegro und habe das Projekt: KOLLEKTIV DER FISCHE ins Leben gerufen. Wir erarbeiten ein Umweltheaterprojekt, daß sich mit der Vermüllung der Meere beschäftigt. Gerne würden wir mit euch Kontakt aufnehmen. Mit freundlichem Gruß Regula Steiner-Tomic

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