Es ist Ende März, der Frühling hat angefangen, es liegt aber noch Schnee und der Wind weht kalt über die Felder. Eine Stunde sind wir aus der Stadt rausgefahren und schon stehen wir im Nichts. Vater und Sohn, unterwegs für einen Tag.
Ein Betonplattenweg führt weg vom Bahnhof. Nach den ersten (und letzten) Häusern folgen wir einem verschneiten Feldweg, dann geht es hoch, in den Wald hinein. Abends wird das Zelt aufgebaut und gekocht und geschlafen und morgens geht’s schon wieder zurück.
Zweifache Testtour
Theo ist jetzt sechs und möchte auch mal im Schnee zelten und ich bin zum vielleicht ersten Mal ganz ohne Fahrrad und ohne Rucksack unterwegs. Ich habe einen speziellen Hüfgurt um, der eigentlich von einer Pulka, einem Zugschlitten, stammt. Daran hängt aber der Fahrradanhänger. Auf den breiten Wegen in der Ebene läuft sich das gut, der Schnee ist teils verweht, nicht so tief oder fest. Im Wald liegt der alte Schnee, 20 cm tief, mit Unmengen an Tierspuren.
Die Spur des Wagens ist hier deutlich breiter als der ausgetretene Pfad und ich hänge mich in den Gurt, bis mein Oberkörper geradeaus nach vorne zeigt. Da schallt von hinten der Ruf: „Der Weg ist schief! Der Wagen kippt.“ Ich bleibe stehen und schau mich ganz vorsichtig um. Der Wagen hängt bedrohlich schief. Ganz sanft anfahren, leichter Kurswechsel, und es geht gut. Beim ersten hohen Hügel lasse ich den Wagen unten stehen, und Theo stapft in meinen Fußspuren hinter mir her. Die Aussicht vom Gipfel wird von Bäumen verstellt, aber der Wald ist wunderhübsch.
Für die Bilder ist Theo verantwortlich: Er hat die Kamera in seiner Jackentasche. Er fotografiert, was er will, und wenn ich ein bestimmtes Bild haben möchte, dann darf ich – kurz – selber ran. Ich hätte die Schneeklumpen nicht bemerkt, er sieht sie und macht gleich ein Bild davon. Und natürlich von dem leuchtend roten Motorrad auf dem Heimweg.
Wir möchten morgens die aufgehende Sonne sehen und finden eine hübsche kleine Kuppe im lichten Wald. Nach Osten versperren nur ein paar Baumkronen den freien Blick auf den Horizont. Mir kommt unser rotes Zelte wie eine Warnfahne vor, aber die Spuren im Schnee hatten schon gezeigt, wie wenig Menschen hier unterwegs sind. Kein Förster, nirgends (oder sieht er uns und lässt uns gewähren?) Jetzt kann Theo sich im Zelt verkriechen. Stolz wickelt er sich in seinen neuen Schlafsack. Er hat ein schönes Erbstück, ein 3-Jahreszeiten Daunenschlafsack in Kindergröße, mit Etikett „Yeti Daunensportprodukte 1993“. Aus seiner warmen Höhle schaut er hinaus, wie ich koche. Die Sonne ist weg, aber es liegt ein blauer Schimmer auf dem Schnee. In zwei Tagen ist Vollmond.
Dreigängemenü
Ich trage jetzt auch meine gefütterte Hose und eigentlich wäre ja Zeit genug, ausgiebig zu kochen, aber bei der Kälte will ich mich auch bald verkriechen. Drei Gänge dürfen’s aber doch schon sein, Suppe mit Trekkingmahlzeit und Fertigpudding. Wasser zum Kochen bringen, schon mal Suppe machen, Trekkingmahlzeittüte öffnen, kochend Wasser aufgießen, verrühren, Tüte oben zudrehen, währenddessen Suppe schlürfen und schon nach etwa zehn Minuten gibt es etwas Warmes zu Essen.
Der neue Benzinkocher klingt wie ein startendes Flugzeug. Ist das etwa die Kindersicherung, die man immer hört, oder das Zeichen ob er an ist?! Einen so schnellen Kocher hatte ich jedenfalls noch nie. Theo ist satt und müde, wir verzichten auf den Pudding zum Nachtisch. Ich befülle zwei kleine Nalgene-Flaschen mit heißem Wasser und stecke sie in seine Schuhe, zum Trocknen. Noch einmal raus, Zähne Putzen, letzte Duftmarke setzen, und ab in die Falle.
Theos Bett besteht diesmal aus vielen Schichten. Zwei Isomatten mit einem Schaffell und zwei Schlafsäcke. Dazu noch den Reiz des ansonsten Verbotenen: Hose und Pullover dürfen an bleiben. Das soll auch das Aufstehen in der Kälte erleichtern. Ich geh noch ein allerletztes mal raus und versuche vergeblich, die Kamera dazu zu bewegen, den Wintermondwald aufzunehmen, dann ist auch für mich Feierabend.
Frostiger Tagesstart
Beim Aufwachen sehen wir zuerst nur einen orangenen Streifen im Osten, kurz darauf ist die Sonne da. Die Wärme lässt noch auf sich warten. Erst gibt’s einen Schluck warmen Tee aus der Thermoskanne, dann kriechen wir raus aus den Federn. Es hat bestimmt minus zehn Grad. Ich packe ein und fange an, das Zelt abzubrechen.
Theo steht wie ein kleiner verfrorener Zwerg da. Er geht zwar ein bisschen hin und her, aber so richtig warm wird ihm nicht. Ich zerre den Wagen bergab durch den Schnee. Unten, auf dem Waldweg, geht es sich etwas leichter. Bis alle Zehen warm sind, dauert’s noch eine Viertelstunde. Wieder Schnee, wieder Sonne, wieder die vielen Tierspuren.
Pause mit Tee, und jetzt ist die gefütterte Hose mir auch viel zu warm geworden. Kleiner Luxus: die Tasche mit Essen liegt gut greifbar oben auf dem Wagen. Da kann man schnell was suchen oder auch mal die volle Tasse Tee abstellen. Auf dem Weg zum Bahnhof springen wir schnell zur Seite für den Bagger, der den Schnee wegschiebt. Unsere Fußspuren im Matsch sind hier über Nacht festgefroren. Am Bahnhof sitzen wir eine halbe Stunde in der Sonne und genießen das Frühstück mit Brot mit Marmelade bis der Zug kommt. Butter haben wir nicht dabei, die ist im Sommer zu weich und im Winter zu hart. Aber Gouda schmeckt auch prima als Zwischenschicht.
Testergebnisse
Doppelt bestanden. Ich freue mich schon auf eine längere Strecke mit Wanderkarren, aber dann ohne Schnee, wo der Wagen noch besser rollen kann. Fast alles zwischen Garmisch – oder sagen wir Dresden – und Flensburg ist damit meines Erachtens erwanderbar. Auch wenn man hie und da auf die größeren Wege statt auf die ganz schmalen Pfade zurückgreifen müsste. Ich kann gerade stehen, der Rücken ist wenig belastet und ich schwitze deutlich weniger als mit Rucksack. Theo hat auch längst angefragt, wann wir wieder im Schnee zelten. (Anm. d. Red.: Kleiner Tipp, Fortsetzung folgt, aber pssst)
PS: Bei vollem Gepäck kann Theos kleiner Bruder sogar obendrauf sitzen! Mit vierzehn Kilo Wagen und gut 40 Kilo Zuladung, Gepäck plus Kind, kam ich auf dem Brandenburger Endmoränenbogen immer noch prima voran.
Das klinkt ja wunderbar! Und die Bilder sind super, Theo! Schön, wie ihr so ein Erlebnis in nächster Nähe gefunden habt.
Mir ist übrigens was ähnliches gelungen als ich heute 40 km gen Süden unsere Stadt verlassen habe per Rad. Mir sind kaum 10 Fahrradfahrer begegnet auf der ganzen Strecke, dazu noch mal 8 Jogger und ein paar Fussgänger.. im Nebel war alles stil und leer…
Liebe Sophie,
hast du nicht auch Lust einen Bericht über deine Radtour zu schreiben? Vielleicht hast du ein paar tolle Fotos gemacht und deine Erinnerungen sind noch frisch?! Dann her damit! [email protected] Wir würden uns freuen und es winken nicht nur Ruhm und Ehre sondern auch ein 50 Euro Gutschein.