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Endlich leichter Wandern

sliderZelt oder Tarp? Zahnbürste und Zahnpasta? Zu kurze Isomatte? Zeltunterlage? Was braucht man und was braucht man nicht? Unser Autor hat sich nach einer schmerzvollen Wanderung genau darüber Gedanken gemacht. Was brauchte er, um endlich einen leichteren Rucksack zu haben? Ultraleicht ist das Stichwort. Ein Erfahrungsbericht mit vielen wertvollen Tipps und Tricks zum leichter Wandern.

Nach meiner dritten Wandertour in den Bergen beschloss ich, dass ich mir Wanderstöcke zulegen muss. Sie sollen bei der nächsten Tour eine große Unterstützung werden. Die Knieprobleme sind dann hoffentlich kein Thema mehr und das Gewicht auf dem Rücken ist dann auch egal. Die nächste Tour kam und mein Rucksack wog zwischen 27 und 30 kg je nach Wasserstand.

Schon am ersten Tag nach nur 300 Höhenmetern, welche am Ende vom Tag kamen, war ich fix und fertig. Das Zelt wurde aufgebaut, alles eingerichtet und wir aßen etwas. Ich habe mich dann noch ausgiebig mit meiner mitgebrachten Ausrüstung beschäftigt und der Tag war rum. Viel Erinnerung muss ich zugeben, an all die Landschaft vom ersten Tag, habe ich nicht.

Wie anstrengend und überfordernd das alles war, war jedoch so prägend, dass ich es wohl nicht so schnell vergessen werde. Im Verlaufe der Tour änderte sich rein gar nichts, bis auf das hinzukommen von Knieschmerzen. Wir reisten sogar zwei Tage früher ab, denn als wir das erste mal begannen die Karte zu lesen, wurde klar, dass wir nicht weiter machen können/wollen.

Weniger ist leichter

Jeden Tag mit diesem Gepäck 1000 m hoch und auch wieder runter hätte auf dem Plan gestanden. Nein, Danke! Ich schwor mir was an meinem „Stil“ zu ändern. In kurzen Wanderungen und Kletterwochenenden begann ich nach und nach Dinge wegzulassen. Interessanterweise fehlte es mir auch nie an etwas.

Ich konnte auch feststellen, dass man mehr und mehr Zeit für die eigentliche Sache bekommt. Einen Fokus auf die Natur, nicht auf den Rucksackinhalt. Diese Erlebnisse waren toll und ich wollte mehr. Durch einen Kollegen kam ich dann auf die Idee alles nochmal mehr zu überdenken. Denn was er mir über sein mitgenommenes Gepäck und vor allem dessen Gewicht erzählte haute mich schlichtweg aus den Latschen. So richtig glauben wollte ich es nicht…

Ich hatte nun zwei bis drei Monate Zeit zu gucken, was man besser machen kann. Es sollte in die niedere Tatra gehen. Sechs Tage wandern mit Zelt, Essen etc. Wie geht man da jetzt ran, wenn man leichter sein möchte als 20 kg?

Hilfreiche Fragen die du dir stellen solltest beim nächsten mal packen

1. Wo geht es hin?

Skandinavien, Süd-und Mitteleuropa oder die Tropen haben alle sehr unterschiedliche Klimata. Dauerhafter Regen, ausschließlich Sonne und Trockenheit oder hohe Temperaturen bei extremer Luftfeuchtigkeit. So kann ein weiteres paar trockene Socken in Skandinavien sehr sinnvoll sein, wenn der Fluss mal wieder tiefer war als der Schuh hoch ist. Wiederum eine Regenhose mit einpacken, bei einer Niederschlagswahrscheinlichkeit von 5% und Nachttemperaturen von 20-25 °C, macht wenig Sinn (200-700g gespart je nach Modell).

2. Wann geht es in diese Region und was für Wetter ist zu erwarten?

Klimatabellen, Wanderkarten, Reiseberichte und Fotogalerien geben Unmengen an Informationen, die man dafür nutzen kann sein Rucksack leichter zu machen oder auch um das passende Schuhwerk zu finden. So trage ich wasserdichte, knöchelbedeckende, natürlich ultraleichte (900g das Paar/Schlechter bis gar kein Umknickschutz!), Schuhe für Skandinavientrips und in der Slowakei reichten auch luftige Halbschuhe (es gab keine schwierigen Wege und selten Nässe).

War es doch mal zu nass oder zu frisch habe ich mir Neoprensocken (150g/Paar) angezogen. Die atmen nicht, aber halten ewig was sie versprechen im Gegensatz zu Membransocken. Auch die Kosten, mit weniger als 15 Euro, sind mehr als erträglich.

4. Wann geht die Sonne auf und wieder unter?

Wer Strecke machen möchte ohne sich arg dafür anstrengen zu müssen läuft früher (Sonnenaufgang) los als andere und hört später (Sonnenuntergang) auf. Und immer schön entspannt laufen. Wer den ganzen Tag läuft hat viel Zeit für seine Kilometer. Bei der letzten Tour kam ich nach ca. fünf Kilometern Strecke in einer Hütte an und alle frühstückten grad erst. Gewiss muss die erste Müdigkeit weggewandert werden, aber man hat auch ebenso rein gar keinen Stress schnell sein zu müssen.

Ich mache viele Bilder, Trinkpausen oder setze mich mal in die Sonne, wenn mir danach ist. Kein Problem, denn ich habe so viel Zeit wie kein anderer für die gleiche Strecke oder man läuft schneller und macht umso mehr Kilometer. So wie es einem in den Kram passt.

5. Was für einen Kocher brauche ich?

Kochersysteme sind auch ein äußerst interessantes Thema. Ich werde Euch aber nur ein kurzes Beispiel geben. Die Überlegung war, einen Gaskocher mit in die Slowakei zu nehmen. Der Brenner selber wiegt 97g, eine mittelgroße Kartusche mit 250g Gas wiegt 450g(nicht nur der Inhalt wiegt), mein Lieblingstopf 350g (ohne Deckel). Macht Summa Summarum 897g.

In den Wochen der Planung und Selbstfindung wurde mir klar, dass das so nicht sein kein-da muss doch noch was gehen! Ich legte mir einen kleineren Topf ohne Wärmetauscher und Beschichtung zu. Bei Trangia bekommt man für knapp 25 € einen 1 L Topf (es passen nur 700-800ml rein) der mit 86g seinesgleichen sucht. Ich habe nichts Leichteres gefunden in dieser Größe und ich habe wirklich den ganzen Markt durchwühlt.

Dann baute ich mir doch noch einen Spirituskocher selber. Der wiegt 8g. Dabei handelt es sich um eine kleine Dose (z.B. Thunfischdose) die mit zwei Reihen Löchern unterm Rand versehen wird. Der Spiritus kommt in eine 100ml Flasche (6 Tage Tour und viel testen und rechnen ergaben diese Menge, die meinen Kochgewohnheiten gerecht wurde = 120g ).

Der Windschutz und der Deckel sind aus dicker Alufolie. Topf, Deckel, Windschutz, Brenner und Spiritus wiegen zusammen  220,3 g.

Einen zerschnittenen Schwamm gönnte ich mir auch. 3,2 g 😉 Und der war Gold wert sag ich Euch. Ich wusste durch mein Testkochen, dass der Topf schwer sauber wird. Macht im gesamten einen Unterschied von 676,7 g. OH YEAH!

Nachträglich muss ich sagen, dass mir kochen mit einem Gaskocher mehr Spaß macht. Einfach an und aus wie man will geht mit dem Spirituskocher nicht. Auch schnell geht es nun wirklich nicht, dafür leise. Aber ich koche meist nur abends (bei Sommer /- Herbsttouren) und dafür über einen halben Kilo mehr tragen?

6. Erste Hilfe Set

Das berühmte Erste-Hilfe-Set: Volle Pakete mit sonst was für Binden und Tüchern etc. Hier muss jeder selbst entscheiden was er für sinnvoll hält. Ihr solltet über vergangene und die anstehende Tour nachdenken. Was brauchte ich immer, was nie, was kann man nicht weglassen?

Wenn man mit Steinschlag und ähnlich schwerwiegenden Einflüssen rechnen muss darf das Paket auch schwerer sein. In der Slowakei hatte ich zwei Blasenpflaster, Fußsalbe (Blasenvorbeugung = 38,9 g ) Tape für wunde Füße, Sonnencreme (47,1 g) Desinfektionsmittel, was gegen Durchfall und Chlortabletten zur Wasserentkeimung (auch die Tabletten wog ich).

Zahnpasta habe ich vor der Tour entwässert (50% zur leichtesten Variante gespart) in dem ich sie auf einem Teller verbreitete. Dann habe ich mir Portionen zurechtgeschnitten (genauso viele wie ich brauchte versteht sich). Meine Zahnbürste ist komplett! 😉 Toilettenpapier 46,7 g. Jeden Tag 10 Blatt. Hier muss man sich selber kennen und mutig sein.

7. Welchen Wetterschutz brauche ich nachts?

Zelt und Schlafwelt: Innenzelt und Original-Unterlage blieben zu Hause. Die Isomatte war nur 120 cm lang und die Beine lagen auf dem Rucksack wenn er leer war. Die Matte wurde durch silikonisiertes Ripstop-Nylon geschützt. Diese nötige Unterlage wog nur 70 g.

Der Original Footprint (Zeltunterlage) wiegt 250 g. Ich war nach der Tour noch auf einer weiteren in Skandinavien unterwegs, wo ich durch meine Laufkumpanen zu einem kompletten Zelt genötigt wurde. Durch die Erfahrung in der Slowakei und der in Norwegen, habe ich für mich entschlossen, nur noch komplette Zelte (keine Tarps etc.) zu nutzen. Der Komfort überwiegt das Eigengewicht um Längen. Im Nachhinein würde ich doch auf Komplett-Zelte verzichten, wenn es ultraleicht werden soll.

Auch eine komplette Matte zu tragen befinde ich für äußerst sinnvoll. In der Slowakei rutschte ich viel hin und her mit der Matte. So ein Sil-Nylon (Footprint) ist schon sehr glatt. Kondensfeuchtigkeit im Zelt, die durch Regentropfen von der Wand abgeschlagen wurde machte meinen Schlafsack ziemlich feucht.

Aber da hatte ich ausreichend Wärmepuffer eingeplant. Die ca. 500-700 g Innenzelt trage ich beim nächsten Mal definitiv mit. So hätte ich für sechs Tage Slowakei keine 12,8 kg Startgepäck gehabt sondern einen knappen Kilo mehr Zelt getragen. Ich spreche auch lieber von „leichter Wandern“ als von Ultraleicht. Denn manche schaffen die gleiche Tour mit vielleicht acht Kilo oder gar weniger.

Norwegen

Auf der Norwegen-Tour habe ich von 6,5 kg Gemeinschaftsausrüstung (wir waren zu dritt) in den ersten Tagen 4,5 kg auf mich genommen. Wir waren elf Tage unterwegs. Die Nächte waren zwischen -5 und -10°C kalt. Mein Rucksack wog zu Beginn der Tour ca. 18 kg. Am Abreisetag am Flughafen waren es dann nur noch neun Kilo.

Baseweight (BW)

Ziel ist es, das „Baseweight“ zu minimieren so gut man kann. Das BW ist die komplette Grundausrüstung (auch der Rucksack) für eine Tour ohne Essen und Trinken. In der Slowakei hatte ich ein BW von 6,5 kg. In der Szene spricht man glaube erst unter 4,5 kg von Ultraleicht. Und so mancher Amerikaner spricht auch von „super ultra light“ wenn man, wenn ich mich recht entsinne, unter drei Kilo kommt 😀 Absurd!

Aber auch höchst interessant. Denn sie leiden bei ihren Touren nicht. Sie haben schlichtweg verrückte Ideen vor dessen Umsetzung nicht zurückgeschreckt wird. Auf das BW sollte am meisten acht gegeben werden. Legt die Tabelle so an das unten drunter immer die Gesamtsumme steht. Das pusht enorm.

8. Wie viel Essen brauche ich? (Im Idealfall bleibt nichts übrig. Das braucht allerdings Übung und Disziplin. Auf schwierigen Touren birgt es zusätzlich Gefahr.)

Essen und Trinken: Es geht letztendlich um den zu deckenden Kalorienhaushalt. Im Sommer isst man tendenziell weniger, trotz langer Tage, als im Winter mit langen Zeltabenden- das konnte ich für mich feststellen. Essen und Trinken zu rationieren bedarf einiger Übung. Viele haben Angst davor zu wenig mit zu nehmen und packen deswegen immer mehr als genug ein. 500 g Nahrung zu viel mitzunehmen bei einer 3-4 Tagestour ist unsinnig. Bei Kurztrips muss deswegen vielleicht sogar der größere, schwerere Rucksack mitgenommen werden.

Auf Sommertouren nehme ich mir 3000 Kcal pro Tag mit. 100 ml Öl haben ca. 830 Kcal. Davon bräuchte man nur 360 ml pro Tag. Da sind in 7 tagen 2,5 kg für Essen. Das geht natürlich nicht. Aber die Idee sollte sein einen möglichst hohen Kaloriengehalt pro 100 g zu fokussieren. So kann man beim Frühstück Müsli wählen der 430 Kcal/100 g hat statt nur 315 Kcal/100 g. Man muss sich selber kennenlernen um die Brücke zwischen Volumen und Inhalt zu finden. So habe ich mehr als ausreichend Kalorien auf meiner Letzten Norwegentour dabei gehabt aber litt etwas an Hunger da der Magen nicht voll genug war. Ich hätte wohl die abendliche Schokolade besser mit niedrigkalorischen Müsliriegeln oder ähnlichem ersetzen sollen.

Trinken: Kurz um – Wie viel Wasser brauche ich bis zur nächsten Quelle?

In Norwegen’s Rondane Nationalpark habe ich nie mehr als 250 ml mit mir umhergetragen. Ich hätte auch keins nehmen können. Man muss dazu sagen es war verschneit und entsprechend kühl. Der Bedarf war sehr niedrig und die Quellen an jeder Ecke. Vielleicht war man mal eine oder zwei Stunden an keiner vorbeigekommen.

Hingegen konnte ich in den Pyrenäen, im September, nicht genügend Wasser mitnehmen. Man war ich durstig und glücklich über diesen winzigen Wasserlauf auf einer Wiese. Auch hier gilt: Übung macht den Meister! Wanderkarten studieren und gezielt Flüsse oder Quellen merken und ansteuern kann sehr hilfreich sein. Im besten Fall liegen sie auf dem Weg. Wenn es nicht so gut läuft muss man die eigentliche Wanderung unterbrechen. Dabei stellt sich dann die Frage ob man vielleicht hätte mehr tragen sollen…

Zu guter Letzt möchte ich aus meiner Erfahrung sagen. Mir hat diese übermäßige Vorbereitung bedeutend mehr Vorfreude bereitet, als ich sie je zuvor hatte. Es ist eine intensive Auseinandersetzung mit der anstehenden Tour und eben genau das hat mir die große Freiheit gegeben während der Wanderung mehr abzuschalten. Auch weil man nicht all diese unnützen Gegenstände mit sich schleppt, die einem draußen alles erleichtern sollen. Erleichtern? :)

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2 Responses to Endlich leichter Wandern

  1. Micha Micha says:

    Ohne gußeiserne Pfanne und Bademantel unterwegs – wo bleibt da der Komfort? Und überhaupt, in einer Pulka ist doch viel Platz. Warum sollte diese halbleer sein?

  2. Andreas Hille andreas says:

    Marius ist noch jung und Asket, da wird Komfort noch nicht so hoch bewertet.
    Schwierig wird es, wenn die Stirn höher und das Haar grau ist. Dann ist Komfort durchaus wichtig und leider auch das Gewicht. Aber Gott sei Dank braucht man mit über 50 nicht mehr soviel Essen schleppen. Vielleicht demnächst mehr zum Thema „Altherrentrekking“?

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