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1700 km radeln: Von Paris nach Amsterdam

Wildcampen auf der Apfelwiese und die Ein Mann Polizei. Alle Bilder: privatWie man in zwei freien Wochen hippe Großstädte, atemberaubende Landschaften, Leben im Rhythmus der Natur und eine Menge sportlicher Herausforderungen zu einem Studentenbudget erreicht, verrät dir der folgende sehr ausführliche Bericht über zwei Studenten, die sich Europas Westen erradelten – 1700km pedalling: Paris to Amsterdam.

Unser erstes Etappentziel sollte Versailles sein. Vorher erkundeten wir allerdings noch zwei Tage die Stadt der Liebe: Paris. Mit Fahrrädern macht sich das übrigens wunderbar, denn man entgeht nicht nur den überteuerten Nahverkehr-Preisen sondern ist auch überall sehr schnell und flexibel unterwegs

Frühstück gab es auf dem Vorplatz der Notre Dame. Für die Strecke nach Versailles  hatten wir keine genauen Pläne und dachten es würde schon nicht so schwer werden aus Paris gen Westen nach Versailles rauszukommen. Stark getäuscht! So dauerte es einige Stunden bis wir endlich das Pariser Ortsausgangsschild hinter uns ließen und einen Weg gefunden hatten, dem wir bis Versailles folgen konnten.

Leider immer entlang der Straße und mit vielen gefährlichen Situationen, da französische Autofahrer wohl noch nie etwas vom Schulterblick gehört hatten. Nach drei Stunden erreichten wir so dann das 21 km entfernte Versailles. Na wenn das so weitergeht, schaffen wir es nie in zwei Wochen nach Amsterdam!

Das Versailler Schloss hätten wir vor lauter Touristen beinahe übersehen und so blieb es bei einem flüchtigen Blick und einem kurzen Besuch der königlichen Gärten. Von nun an hatten wir endlich einen Plan und so folgten wir nun für 500 Kilometer dem  Paris – Mount St. Michel-Radweg weiter gen Westen zum nächsten großen Etappenziel.

Chateau, Mücken und Dusche aus der Flasche
Der Radweg führte uns durch große Orte wie Chartres und Alencón und sonst durch eine Menge kleiner, authentisch französischer Dörfer, wo man überall mindestens ein kleines Chateau findet. Nur die Weinberge haben noch gefehlt. Die Kathedrale in Chartres ist besonders zu empfehlen: in meinen Augen viel eindrucksvoller als Notre Dame in Paris und durch die Lage auf einer Anhöhe hat man einen wunderbaren Blick über das umliegende Tal.

Unsere erste Nacht verbrachten wir  auf einem Acker, direkt neben einem Naturschutzgebiet. Eigentlich hatten wir uns das anders vorgestellt und wollten irgendwo an einen See, um uns zu waschen. Jedoch gaben wir dann nach einiger Suchzeit auf und blieben auf eben diesem Acker, malträtiert von Mückenschwärmen. So musste gleich am ersten Abend die PET-Flaschen-Dusche mit eiskaltem Inhalt für die Befriedigung des Hygienebedürfnisses herhalten. Aber immerhin konnten wir so halbwegs sauber in die Schlafsäcke.

Das zweite Nachtlager war da schon um einiges beeindruckender. Zwar fehlte auch hier der See, jedoch hatten wir dafür einen wunderbaren Blick auf den Sonnenuntergang beim Abendessen im Zelt. Die auserkorene Stelle lag auf einem Hügel  an einem kleinen Wäldchen unweit eines Sportplatzes.

Wie die Pfadfinder: Spurensuche nach dem Radweg
Nun ein paar Worte zu dem Mont- St. Michel-Radweg: Die ersten paar hundert Kilometer legten wir zwar schnell und ohne größere Probleme zurück, doch die Beschilderung war oft missverständlich. Irgendwann war diese dann einfach vollständig verschwunden und auch nicht mehr auffindbar. Es lohnt sich also eine Karte dabeizuhaben, um sich zu orientieren.

Wir radelten dann unseren eignen, ganz persönlichen Weg weiter nach St. Michel durch Erfahrung und der Himmelsrichtungs-Bestimmung via Sonnenstand. Kurz vor Mont St. Michel fanden wir dann auch den Originalweg wieder. Deshalb können wir leider nur wenig zu dem genauen Streckenverlauf des Radweges sagen. Wir können aber auf die Berge bzw. hohen Hügel hinweisen, die wir in Frankreichs Norden nun einmal gar nicht erwartet hatten.

So wurde der Weg zur Küste von Tag zu Tag immer beschwerlicher. Wir freuten uns aus diesem Grund umso mehr auf das Flachland um Mt. St. Michel…besonders in Hinblick auf mein Knie, das schon seit dem 2. Reisetag  schmerzte. Ich hatte es wohl die ersten Tage etwas übertrieben und sollte noch die ganze weitere Tour mit dem überbelasteten Knie zu tun haben. Man muss sich auf so einer Tour eben die ersten Tage noch einfahren und nicht gleich 120 km täglich bergauf-bergab sprinten. Ich hätte es eigentlich besser wissen müssen. Aber Aufgeben ist keine Option!

„We don’t speak FRENSCH“
Richtung Meer wurde es immer schwerer einen Platz zu finden, wo wir halbwegs unbeobachtet unser Zelt aufstellen konnten. Entweder gab es nur geschlossene Ortschaften oder alles war privates Acker- bzw. Weideland, wo wir uns die Wiese mit Kuhherden hätten teilen müssen.

So ließ es sich nicht vermeiden, dass wir eines Abends, von der hereinbrechenden Dunkelheit gezwungen, unser Lager auf einer großen Wiese mit Apfelbäumen errichten mussten. Wir waren hungrig und wollten nur noch schnellstmöglich in die Schlafsäcke. Doch irgendwo hinter den Bäumen bellte ein Hund ununterbrochen, der uns wohl gewittert hatte.

Als wir das Zelt aufgestellt hatten und Alex gerade fertig mit Kochen war, näherte sich ein älterer Mann über die Wiese. Alex hatte ihn gar nicht bemerkt, doch ich war mir sicher, dass wir nun alles gleich wieder zusammenpacken dürften und uns erneut auf die Suche machen mussten. Er hielt etwas Abstand zu uns und fragte uns etwas auf Französisch.

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Auf die Frage, ob er Englisch könnte, schüttelte er den Kopf. Ich hatte nie Französisch und verstand somit kein Wort, konnte mir jedoch denken was er wollte. Alex übersetzte mit seinem rudimentären Schul-Französisch, dass er wissen wollte, ob wir eine Erlaubnis hätten, hier zu zelten. Natürlich nicht! Und so holte er auf einmal einen Polizeiausweis aus seiner Tasche. Nun war die neue Schlafplatzsuche unser kleinstes Problem!

Vielleicht erinnerte er sich plötzlich an seine eigene Jugend zurück oder er hatte einfach Mitleid mit uns müden, riechenden, hungrigen Jungspunden, denn plötzlich entschied er sich anders und ließ uns mit der Aufforderung, am nächsten Morgen verschwunden zu sein und keinen Müll zu hinterlassen, zurück.

Wir wissen bis heute nicht, warum er das tat. Es hätte in diesem Fall gar nicht besser laufen können und so verschwanden wir am nächsten Morgen in aller Frühe-selbstverständlich – wie immer -mit unserem Müll. Und nun war es auch nur noch eine Halbtagestour bis Mont St. Michel.

Der Berg im Meer
Auf den letzten 30 km konnten wir dann Mont St. Michel schon von weitem aus sehen und traten, nun das erste Etappenziel vor Augen, nochmal richtig in die Pedale. Der Original-Radweg führt auf den letzen Kilometern nochmal recht umständlich in Schlängellinien durchs Umland von St. Michel.

Es wunderte uns, dass es noch 25 Kilometer bis dorthin sein sollten, als wir hinter Pontaubault das Delta von La Selune erreichten. Immerhin konnten wir  den „Berg im Meer“ schon deutlich am Horizont erkennen. Deshalb entschieden wir uns für einen alternativen Weg, der immer möglichst nah am Wasser blieb. Dieser Weg führt zwar teilweise entlang einer recht stark befahrenen Straße, jedoch erreichten wir so nach maximal 15 Kilometern endlich den Mont St. Michel.

Mt. St. Michel ist echt beeindruckend und so zögerten wir nicht lange, die „Fahrrad-verboten“-Schilder ignorierend, und fuhren über die kleine Landverbindung direkt bis an den Eingang. Alternativ ist es auch möglich einen Busshuttle vom Besucher-Informationszentrum am Festland für den knappen Kilometer zu nehmen- ist vielleicht eher eine „Ältere-Leute-Variante“.

Eingetreten durch die alten, schweren Tore der Stadtmauer, erlebten wir dann auch gleich das moderne Stadtgewimmel. Man merkte sofort, dass es sich hierbei um einen weltbekannten Touri-Hotspot handelt, da man vor lauter Menschen kaum den alten Pflastersteinweg unter seinen Füßen sah. Wo früher einst Krämer, Schmiede und Zaubertränke-Brauer ihre Waren feilboten, reihten sich nun Souvenirläden und Fressbuden aneinander.

Natürlich konnten auch wir dem verführerischen Duft von frischem Käsebaguette nicht widerstehen… So gestärkt erklommen wir die steinernen Stufen ins Kloster. Der Eintritt ist für EU-Bürger bis 25 frei! Es gab pompöse Speisesäle, großzügige Kaminzimmer, einen Rosengarten und viele verwinkelte Gänge. Ein richtig altes authentisches Kloster eben. Es leben sogar noch Mönche dort und vervollständigen das Gesamtbild. Man kann das mittelalterliche Treiben richtig nachempfinden, wären da nicht die ganzen Japaner mit den modernen Nikon-Kameras.

Die pure Freiheit
Nach unserem Besuch auf Mont St. Michel ging es für uns weiter gen Osten und somit endlich Richtung Amsterdam – immer der Küstenlinie folgend. Unser erster Schlafplatz lag  hinter Genets, direkt am Strand. Eigentlich wollten wir nur im Meer baden gehen, doch der Strand war so schön gelegen und nahezu menschenleer.

Zwischen den Stranddünen, weit weg von der Flut, suchten wir uns ein sicht- und windgeschütztes Plätzchen für unser Nachtlager und stürzten uns dann in die kalten Fluten zur abendlichen Körperpflege. Danach gab es zum Aufwärmen noch einen kleinen Strandspaziergang und pünktlich zum Sonnenuntergang hatten wir dann auch jeder was Warmes zu Essen in der Hand.

Das ist die pure Freiheit und nach den vielen Jahren immer noch der beste Tagesabschluss: nach einem ereignisreichen Tag auf dem Rad, an der frischen Luft und unter freiem Himmel, beim Sonnenuntergang am Meer zu dinieren. Wir waren beide so gefesselt, dass wir diesen perfekten Moment nicht durch hektisches Zeltaufbauen im letzten Tageslicht zerstören wollten und so entschieden wir, diese Nacht unter freiem Himmel zu schlafen, bedeckt von einem unendlichen Sternenhimmel und mit dem Rauschen des Meeres im Hintergrund.

Auch wenn die Nacht ein wenig fröstelig und unruhig war, war es doch eine einzigartige Erfahrung, an die wir uns sicher noch lange zurückerinnern werden. Der nächste Morgen begrüßte uns dann mit Möwengeschrei und den zaghaften Sonnenstrahlen, die sich langsam durch die Nebelschwaden kämpften. Wir konnten sogar von unserem Schlafplatz aus sehen, wie Mt. St. Michel langsam in gleißendes Sonnenlicht getaucht wurde.

D-Day
Es wurde nun langsam Zeit sich Mt. St. Michel zu verabschieden. Noch lange war es in der Ferne sichtbar und wurde es immer kleiner, bis es schließlich kurz hinter Champeaux am Horizont verschwand. Wenige Kilometer später erreichten wir Granville, das quasi in das Steilküstenmassiv hinein gebaut wurde. Wir erklommen die steilen Straßen in die Haute Ville, die Oberstadt und wurden mit typisch französischen kleinen Gässchen und mittelalterlichem Altstadtcharme belohnt.

Es ist immer wieder faszinierend wie die Menschen oft auf uns reagieren, obwohl wir nichts weiter machen, als uns mit dem Fahrrad fortzubewegen und die Nächte im Zelt zu verbringen. Doch vermutlich ist es die pure Glückseligkeit in unseren Gesichtern, die die Menschen aufmerksam und sicher auch ein wenig neidisch macht. Wie gern würden sie nur auch dem stressigen Alltagstrott entfliehen!

Nachdem dann alles wieder getrocknet und in den Taschen verstaut war, ließen wir das beschauliche Granville hinter uns und radelten noch bis nach Montmartin-sur-Mer, immer entlang entlang der Küste.  Hier verließen wir dann schweren Herzens vorerst das Meer, um auf direktem Wege durchs Landesinnere nach Grandcamp-Maisy zu fahren.

So ersparten wir uns einen knapp 160 km Umweg über Cherbourg-Octeville im Norden. Unser Ziel war es jedoch, die nächste Nacht wieder am Meer zu verbringen und so legten wir, getragen vom segenreichen Westwind im Rücken und immer im Windschatten des Vordermanns die knapp 68 km an die Ostküste nach Grandcamp-Maisy in etwa zwei Stunden zurück.

Wir kamen in einen richtigen Geschwindigkeitsrausch, immer getrieben von unserem Ziel. Alles nur eine Kopfsache. Fürstlich belohnten wir uns dann mit einen Pfund Ben&Jerrys-Eis für jeden, um die verloren gegangenen Kalorien wieder auf die Oberschenkel zu bekommen. Nebenbei haben wir so auch gleich unser neues Campingbesteck eingeweiht-da passte gleich viel mehr auf einmal in den Mund.

Hinter Grandcamp-Maisy lagen nun die historischen Landungsstrände der Alliierten des 2. Weltkrieges. Von nun an sahen wir mehr amerikanische Flaggen als französische und überall huldigten die Bewohner  Uncle Sam, dem Befreier. Das typische französische Kleinstadtidyll wich der durchstrukturierten, modernen Ein-Etagen-Reihenhaus-Bauweise, wie man sie sonst nur aus Hollywood-Filmen kennt.

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Auf der Suche nach einer historischen Stätte, fanden wir dann das ursprüngliche Frankreich wieder und aßen zu Abend vor der Kulisse riesiger Austernbänke. Unsere Zelte hier aufzuschlagen, war nicht möglich, doch aufgrund der omnipräsenten Fischnote in der Luft, störte uns das auch nicht weiter.

Nach einer einstündigen Suche und mit Hereinbrechen der Nacht beschlossen wir dann doch diese eine Nacht auf einem  Campingplatz zu bleiben. Eigentlich ist es entgegen unserer Prinzipien für ein Fleckchen Wiese Geld zu bezahlen. Doch die Annehmlichkeiten einer warmen Dusche und die sauberer Sanitäranlagen überzeugten uns diesmal dann doch.

Gänsehaut Sightseeing
Am nächsten Tag besichtigten wir dann Point du Hoc und Omaha Beach. Man hat hier die Gelegenheit in die alten Festungsanlagen und Bunker hinabzusteigen und bekommt mit all den Einschusslöchern in den Wänden und verbrannten Deckengebälk eine ungefähre Vorstellung davon, wie man sich hier als Soldat im 2. Weltkrieg gefühlt haben musste.

Spätestens auf dem riesigen Alliirtenfriedhof in Colleville-sur-Mer, den man vielleicht aus der Anfangsszene von „ Der Soldat James Ryan“ kennt, läuft es einem dann kalt den Rücken runter, wie viele Menschen bei diesem sinnlosen Krieg ihr Leben gaben! Die wunderschöne Landschaft, mit den steil aufragenden Klippen und grünen Wiesen wirkte hier, vor diesem historischen Hintergrund geradezu surreal.

Die meisten der Soldaten waren in unserem Alter oder sogar jünger als sie hier ihr Leben verloren. Wir waren in diesem Moment einfach nur unendlich dankbar dafür, dass wir in der heutigen Zeit leben, sorgenfrei in dieser wunderschönen Landschaft Urlaub machen können und nicht im Schützengraben um unser Leben fürchten müssen.

Wir können es nur jedem wärmstens empfehlen, sich vor Ort selbst einen Eindruck zu verschaffen. Die Bunkeranlagen und der Alliiertenfriedhof sind kostenlos zugänglich und an den Küstenstraßen entlang der Landungsstrände befinden sich Dutzende Museen für Interessierte. Wir hatten leider keine Zeit für einen Museumsbesuch und setzten so gedankenversunken unsere Reise fort.

Der Rehbock
An diesem Tag schafften wir es nur noch bis Auberville. Der Weg dorthin führte wieder stetig an der Küste entlang und die kleine Meeresbriese, die an den Steilklippen empor wehte, verschaffte uns an diesem brüten heißen Tag mit über 35° etwas Abkühlung. Wir versuchten das Beste aus dem Sonnenwetter zu machen und fuhren oberkörperfrei, um etwas Sonne an unsere blassen Körper zu lassen.

Doch der Helm blieb trotz des fehlenden Verkehrs auf dem Kopf als Sonnenstich-Prophylaxe. In Ouistreham mussten wir 20 km Umweg in Kauf nehmen, da sich dort die Lòrne ihren Weg ins Landesinnere bahnt und man erst in Bénouville über eine Brücke auf die andere Seite rüber kann.

Gegen Abend erreichten wir Auberville. Der markierte Fahrradweg führte hier eigenartigerweise durch einen Campingplatz und wurde plötzlich ohne Vorankündigung zu einem schmalen, steilen Fußweg. Umkehren war bei dem steil ansteigenden Rückweg nicht und so mussten wir unsere voll beladenen Räder über viel zu knapp bemessene Absperrungen heben und mit stetig angezogener Bremse den steilen Abstieg langsam und vorsichtig fortsetzen.

Unser Tipp: Kurz vor Auberville auf die Straße wechseln und über diese ins Ortszentrum radeln. Dort angekommen wollten wir uns dann nach der beschwerlichen Tagesetappe und der brennenden Sonne im Meer etwas Abkühlung verschaffen. Der „Strand“ erinnerte jedoch eher an ein Geröllfeld als an den perfekten Badesandstrand. Die vielen Menschen hier, schien das jedoch nicht zu kümmern und so wollten auch wir nicht auf ein erfrischendes Bad verzichten.

Es war zu komisch als Alex barfuß über die glühend heißen, schwarzen Steine die knapp 50 Meter zum Wasser stolperte, nur um dann, endlich angekommen, sich von der Strömung die teilweise melonengroßen Steine um die Haxen hauen zu lassen. Zumal man sich auf dem Rückweg ruck zuck wieder die Fußsohlen verbrannte. Nach diesem kurzen Badevergnügen überschlugen wir kurz unseren Zeitplan und entschieden uns dafür, hier zu Abend zu essen und ab dann nach einem Schlafplatz Ausschau zu halten.

Etwas weiter die Strandpromenade hinab, gab es doch noch Sandstrand und ein paar Strandkörbe. Perfekt zum Dinieren. Vorher genehmigten wir uns noch schnell eine eiskalte Dusche unter der Stranddusche, was die anderen Strandgäste natürlich wieder sehr amüsierte.

Romantik-Killer
Weniger amüsiert waren sie dann jedoch als wir unseren brandneuen Gaskocher starteten. Starten ist hier das richtige Wort, da dieser bei voller Leistung sehr an einen startenden Heißluftballon erinnerte. Verständlich, dass wir somit den umliegenden Strandgästen ein wenig die Sonnenuntergangs-Stimmung in ihren gemieteten Strandkörben vermiesten.

Aber was soll man machen: Essen muss der Mensch. Und heute zauberten wir was ganz spezielles, Nudeln mit Oliven-Feta-Kräuter-Tomatensauce. Natürlich dauerte es nicht lange und wir wurden aus den Strandkörben vom Personal vertrieben und mussten mitten auf der Promenade unter den Blicken der Passanten unser Abendmahl fortsetzen.

Genießen konnten wir es ohnehin nicht mehr, da die Sonne brannte wie nie zuvor und zudem urplötzlich eine Ameisenplage über Auberville hineinbrach. Die kleinen fliegenden Krabbler waren wirklich überall und so packten wir schnell alles zusammen und begannen mit der Schlafplatzsuche. Dies gestaltete sich jedoch wieder mal etwas schwierig in einem Nobelort wie Auberville, wo es nicht einmal einen Park zu geben schien. Es blieb uns also nichts anderes übrig als dem Radweg weiter aus Auberville hinaus zu folgen.

Natürlich war dies nun wieder mit einem mächtigen Anstieg verbunden, doch wir kämpften uns gestärkt vom Essen tapfer eine halbe Stunde die steilen Straßen empor. Oben angekommen gab es auch tatsächlich Campingplätze, doch ungeachtet unserer Prinzipien nach Möglichkeit wild zu campen, waren diese auch weit über unserem Budget mit ihren Wellnessanlagen und Meerblick-Restaurants.

Deshalb entschieden wir uns für eine kleine, uneinsichtige Koppel, in direkter Nachbarschaft der Campingplätze. Dreistigkeit kommt eben weiter! Hier errichteten wir, verdeckt hinter einem Heuballen unser kleines Lager und wollten nur noch zügig ins Zelt. Da trat plötzlich ein junger Rehbock unweit von uns aus dem Dickicht, schaute kurz in unsere Richtung und setzte dann, sich abhebend von der untergehenden Sonne völlig unbeschwert seinen Weg auf die Lichtung fort. Dieser Augenblick hatte was Majestätisches. So etwas erlebt man auf einem Campingplatz eben nicht.

Pont de Normandie und Le Havre
Am nächsten Tag ging es wieder sehr früh los, so früh, dass selbst die Bäcker noch nicht geöffnet hatten. Dazu kann ich gleich sagen, dass in Frankreich die Supermärkte erst um 9 oder sogar erst um 10 öffnen und sonntags wie bei uns alles geschlossen ist. Es bedarf also einer guten Futterstellen-Planung, wenn man seinen extrem gesteigerten Kalorienverbrauch befriedigen will.

Nach dem obligatorischen Frühstücks-Croissant, führte uns die Küstenstraße an noblen Kleinstädten mit Yachthafen und Casinos vorbei nach Honfleur, wo meine Knieschmerzen mittlerweile so  heftig waren, dass ich mir in der Apotheke Schmerzmittel und Voltaren holte. Das brachte immerhin ein wenig Abhilfe und so schaffte ich weiterhin die kraftraubenden Anstiege, die stets auf die Ortschaften folgten.

Hinter Honfleur überquerten wir dann die Pont de Normandie, die mit 856 Meter Spannweite längste Brücke Europas ist. Allerdings gestaltete sich diese Überquerung mehr als halsbrecherisch.  Der Radweg ging ohne Separierung direkt neben der Straße entlang und neben einem donnerten die Zehntonner in weniger als  zwei Metern Abstand mit 100 Sachen an einem vorbei.

Ausweichen nach rechts wäre hier leider nicht möglich gewesen, da die Fußgänger natürlich durch einen kleinen Betonsockel von uns gefährlichen Radfahrern separiert waren. Was auch immer sich die Architekten dabei gedacht hatten!? Immerhin ist die Überquerung für Fußgänger und Radfahrer entgegen Kraftfahrzeugen kostenfrei…super! Das Abenteuer gab es quasi gratis oben drauf.

Leider konnten wir uns daher kaum auf den phänomenalen Ausblick von der 52 m hohen Brücke konzentrieren. Aber immerhin erwartete uns dahinter ja ein wunderschönes, zubetoniertes, extrem weitläufiges Hafengebiet! Da mussten wir natürlich durch und der einzige Weg war gleichzeitig die Haupt-LKW-Zufahrtsstraße zum Hafen. Da man selbstverständlich als Radfahrer langsamer ist als ein LKW, stauten sich hinter uns mehrere Hundert Tonnen auf Rädern, die jede noch so kleine Lücke auf der schmalen Straße nutzten, uns lästige Bremser zu überholen. Leider nicht immer mit dem vorgeschriebenen Mindestabstand.

Dies ist  der schnellste Weg und eine Umfahrung des Hafengeländes würde Dutzende Kilometer Umweg bedeuten. Also überlegt euch, was euch wichtiger ist. Die recht hübsche Hafenstadt Le Havre entschädigt dann jedoch ein bisschen für den beschwerlichen Weg. Hier hat der Hafen sichtlich zu Wohlstand beigetragen. Und hier mündet die Seine aus Paris kommend, in die Nordsee. Wir hatten jedoch keine Lust auf Großstadt und suchten uns den schnellsten Weg wieder hinaus zurück zur Küste.

Das Leben ist ein ständiges Auf und Ab
Hinter Le Havre erreichten wir dann gegen Mittag Etretat und speisten mit Blick auf das Kartenmotiv der Falaises, einer Kreidefelsen-Steilküste. Es ging nun schon wieder seit Tagen bergauf und bergab und das sollte sich auch bis Belgien nicht ändern.  So mussten wir für den beeindruckenden Meeresblick vom Sockel der Kreidefelsen-Küstenlinie unendlich viele Höhenmeter zurücklegen, da es nach dem beschwerlichen Erklimmen der Höhen für jedes kleine Dorf wieder hinab ging. Die Dörfer waren sicher allesamt recht beschaulich, aber sie sahen sich doch sehr ähnlich und so stellte sich eine gewisse ermüdende Monotonie ein.

Zusätzlich kletterte auch noch das Thermometer  auf über 33 Grad und ohne die stetige Meeresbrise, wären wir körperlich sicher ziemlich schnell an unsere Grenzen gekommen. Glücklicherweise durften wir fast überall unsere Flaschen mit frischem Leitungswasser füllen und ab und zu bekamen wir von den netten Franzosen sogar eisgekühltes Wasser direkt aus dem Bar-Zapfhahn ohne Chlorgeschmack. Das sind die kleinen Freuden des Lebens. Dadurch war es uns möglich weiterhin unsere 130 km im Schnitt zu halten.

Allgemein begegneten uns die Franzosen außerhalb der Großstädte stets mit großem Enthusiasmus und so gab es ab und an, neben den entgeisterten Blicken auch ein Hupkonzerten und Ausrufe wie „Le Tour de France!“ zur Begrüßung. Die wahre Tour de France lag ja noch nicht lange zurück und so war die Begeisterung für Radler teilweise noch immer auf dem Höhepunkt. Das motiviert!

So nahmen wir unser Abendbrot kurz hinter Fècamp auf 150 Höhenmetern über dem Meer thronend, direkt am Klippenrand mit einem atemberaubenden Sunset-Panorama zu uns. Wir blieben dort bis zum letzten Sonnenstrahl, bemüht diesen Augenblick voll aufzunehmen und so errichteten wir schließlich auch unser Zelt hier, mit Ausblick aufs offene Meer, bedeckt von einem zweiten Meer aus unendlich vielen funkelnden Sternen.

Im Nachhinein war dieser sehr exponierte und schutzlose Standort sicher eine recht riskante Wahl, denn am Horizont schien ein Sturm aufzuziehen und kündigte sich mit Donnergrollen an. Doch Petrus war gnädig mit uns und das Gewitter zog an uns vorbei. Lediglich der Wind nahm etwas zu und schüttelte uns etwas durch, sodass  Alex mitten in der Nacht nochmal raus musste und das Zelt mit extra Sturmleinen sicherte. Der nächste Tag begrüßte uns dann jedoch noch einmal mit diesem wunderschönen Panorama, bevor es weiter ging. Das wird uns sicher noch lange in Erinnerung bleiben!

Diese Deutschen sind auch überall
Der nächste Tag brachte uns weiter entlang der Küste durch die Hafenstadt Dieppe und über die Somme-Mündung bis kurz hinter Le Crotoy. Die Badeorte waren hier noch aus der napoleonischen Zeit, es war alles relativ edel und schick. Porsche und Mercedes häuften sich. Ein positiver Nebeneffekt waren die hübschen Französinnen, die wir bei einer zweiten Ben&Jerrys Runde am Strand, studieren konnten.

In Le Crotoy  wollten wir gerade unser Nachtlager am Strand errichten, als ein anderer vollbepackter Radreisender, natürlich auch ein Deutscher, zu uns stieß und wir kurzerhand zusammen dinierten und unsere Erlebnisse austauschten. Markus war von Stuttgart über Paris gekommen und wollte nun bis nach Calais weiter, um dort nach England überzusetzen.

Wir waren allein am Strand, gerade in eine lebhaften Unterhaltung, als mit einem Mal drei in Camouflage gekleidete Männer mit Gewehren aus dem Strandzugang hinter uns traten und schnurstracks an uns vorbei aufs offene Wattenmeer hinaus liefen. Das war im ersten Moment ganz schön unheimlich, aber die hatten es wohl eher auf Wasservögel bzw. Robben im Watt abgesehen…eine halbe Stunde hörten wir dann immer wieder Schüsse.

Als sie dann, zum Glück erfolglos, zurückkehrten, trauten wir uns unser Nachtlager aufzubauen und genossen eine warme Dusche aus Markus‘ Ortlieb Water Sack mit Duschkopf. Allemal besser als die kalte PET-Flaschendusche bzw. Meerdusche der vorigen Tage und es ist nun einmal nichts schöner als abends satt und sauber in seinen Schlafsack zu krabbeln! Da Markus uns auf Anhieb sympathisch war und wir das gleiche Ziel hatten, entschieden wir den nächsten Tag gemeinsam zu strampeln.

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Mit Vollgas nach Calais
Am nächsten Tag setzten wir unsere Tour Richtung Calais fort. Auch wenn Markus ganz schön außer Atem kam und bei jeder Pause anmerkte, dass wir ja ein ganz schönes Tempo drauf hätten, hielt er gut mit. Mit seiner GPS-Navigation (wir kannten ja vorher nur ungenaue Karte und Sonnenstand) und unserem kräftigen Pedaltritt, schafften wir bis 14:30 die 130 km bis nach Calais. Sicher war der Rückenwind auch hilfreich.

Tipp: Eigentlich hatten wir geplant anders herum zu fahren, von Amsterdam nach Paris, ein spontaner Einfall hielt uns davon ab so hatten wir über hunderte Kilometer den Wind stets im Rücken und nicht im Gesicht. Das macht bei der erwähnten Berg- und Talfahrt schon viel aus und so kamen uns einige Radler entgegen, die uns sichtlich beneideten. In Calais ging es dann erst einmal nach dem Rekordtempo an den Strand baden und wie nicht anders zu erwarten gab es richtig Mittag.

Vor einem Supermarkt sahen wir viele Flüchtlinge, die unter unwürdigen Bedingungen auf der Straße hausten und auf eine Möglichkeit warteten nach Großbritannien zu gelangen. Wie unfair es eigentlich ist, dass wir ohne mit der Wimper zu zucken in die UK einreisen und hier entspannt unseren Urlaub verbringen könnten, während andere ihr Leben riskieren um dorthin zu gelangen.

Nach einer großen Pause hatten wir uns für diesen Tag noch höhere Ziele gesetzt und wollten es noch weitere 50 km bis nach Belgien schaffen. Wir verabschiedeten uns von Markus und schafften es aufgrund einer schlechten Ausschilderung und ohne die bequeme GPS-Navigation nur noch bis Dunkerque, dem letzten großen Ort vor der belgischen Grenze.

Irgendwie sind Grenzstädte öfters eher hässlich, woran das wohl liegt? Und so bauten wir das Zelt direkt in den Dünen im stacheligem- Strandsanddorn-bedecktem Sand auf und hofften, dass die alkoholisierten Jugendlichen, die noch im Dunkeln durch die Dünen strichen, uns und unsere Ausrüstung die Nacht  über in Ruhe lassen würden. Aber außer einem Pärchen, das uns verliebt kichernd und gackernd mitten in der Nacht weckte, hatten wir unsere Ruhe.

Von französischen Austern zu belgischen Pommes frites
Am nächsten Tag erreichten wir dann in aller Frühe die französisch-belgische Grenze und hätten das auch ohne Grenzschild sofort erkannt. Die Autos waren größer und die Ortschaften trister als in Frankreich. Die Strände waren übersät mit hässlichen Hochhäusern und Hotelanlagen. Jedoch war Belgien auf alle Fälle viel fahrradfreundlicher ausgebaut als Frankreich: glatt asphaltierte, separierte, autospurbreite Radwege. Andere Radfahrer, die uns entgegen kamen, berichteten uns sogar über mit Induktionsschleifen ausgestattete Radwege, die kommende Ampeln grün schalten sollten.

Wir entschieden uns spontan über Brügge und Antwerpen zu fahren und so ging es hinter Oostende weg vom Meer ins Landesinnere. Brügge ist mit seiner mittelalterlichen Altstadt und den ganzen kleinen Kanälchen, die sich durch die Innenstadt schlängeln echt sehenswert. Leider auch sehr überlaufen.

Dort stärkten wir uns mit belgischen Pommes, australischem Eis und setzen unseren Weg nach einer selbstorganisierten Fahrrad-Stadtrundfahrt gen Holland fort. Wir schafften es an diesem Tag noch bis 30km vor Antwerpen und nächtigten wieder mal auf einem Zeltplatz aus Mangel an besseren Alternativen. Da die Anmeldung schon geschlossen hatte als wir ankamen, gab es für uns leider keine Duschchips mehr und nur eine eiskalte Dusche. Aber besser als nichts! Sauber wird man schließlich auch mit kaltem Wasser.

Du kommst hier net rein
Also machten wir uns ohne schlechtes Gewissen auf nach Antwerpen. Dort angekommen, fanden wir nur partout keine Brücke oder Fähre über die Schelde in die Altstadt. Wir sprachen einen Briten an, der daraufhin nur verrückt lachte und nach einem kurzen Schulterzucken meinte, er suche schon seit gestern Morgen nach dem Weg über den Fluss in die Altstadt.

Also fragten wir einige Einheimische, die uns mit Händen, Füßen, Handtaschen und vollem Körpereinsatz den Weg zu einem Tunnel erklärten, der unter der Schelde durchführt. Stimmt, neben einer Brücke ist es auch möglich mittels Tunnel zu queren. Und so fanden wir dieses beeindruckende Überbleibsel aus alten Zeiten und kamen trotz defekten Fahrstuhls in die Altstadt von Antwerpen.

Die letzten zwei Tage war ich schon mit einer leichten Acht im Hinterrad gefahren, die nun sogar schon meine Bremsen blockierte, was dem schnellen Vorankommen eher hinderlich war. So suchten wir in Antwerpen erst einmal einen Fahrradladen auf, der mir für einen schmalen Taler und in wenigen Stunden die Speichen nachzog, bis das Rad wieder wie neu aussah. In der Zwischenzeit vertrieben wir uns, ungewohnterweise zu Fuß unterwegs, in Antwerpen die Zeit und stellten jedoch schnell fest, dass wir uns nach unseren Rädern und dem Radweg zurücksehnten.

Antwerpen ist sehr sehenswert, mit vielen tollen historischen Bauten, mit seiner hippen und jungen Bevölkerung, gilt es auch als Veganer-Hochburg, für mich als überzeugten Vegetarier mit veganen Ambitionen also ein Muss essen zu gehen. Also ließen wir uns jeder einen veganen Burger schmecken und schlenderten durch die Gassen, um unsere Räder kurze Zeit später wieder abholen zu können.

Foxdevilswild nach Holland
Schnell wollten wir zurück auf den Radweg Richtung Holland. Immer schön mit Gegenwind, da wir nun gen Nordwesten weiterfuhren. Kurz vor der holländischen Grenze stellte ich dann fest, dass mein Rad wieder genau die gleiche Acht hatte, wie vor der Reparatur. Willkommen Holland und danke für das Berüßungsgeschenk!

Ich wäre am liebsten zurückgefahren und hätte den Reparaturfritzen über den Ladentisch gezogen für seine Fuscharbeit. Nur leider waren wir da schon über 30 km von Antwerpen entfernt. Damit noch nicht genug, stellte ich bei einer genaueren Inspektion meines Hinterrades fest, dass es sogar eine Speiche aus dem Rahmen gerissen hatte, die Felge damit komplett hin war und schnellstmöglich ausgetauscht gehörte – auf einem Freitagabend kurz vor 18 Uhr! Viel Glück!

Ich war stinke sauer und der stete Gegenwind zusätzlich zu dem Blockieren der Bremsen ließ mich auch nicht wieder runterkommen. Nach einem ausgiebigem Wutanfall, einem beruhigenden Wort durch Alex, einem Sahnejoghurt, belgischen Waffeln und Schokolade überlegten wir, was jetzt wohl am produktivsten wäre.

Wir hatten keine Wahl: Augen geradeaus und bis zum nächsten Ort gelangen, hoffend, dass uns dort geholfen wird. So nutzte ich die Energie aus der Wut, um schnellstmöglich nach Bergen Op Zoom, dem nächsten Ort, zu kommen, wo ich sicher feststellen würde, dass bereits alle Radladen-Besitzer im wohlverdienten Wochenende sind.

Doch zu unserer Überraschung  fanden wir tatsächlich noch einen geöffneten Laden, der, nachdem ich mit Engelszungen auf ihn eingeredet hatte, sogar bereit war, mir die Felge noch am selben Tag zu wechseln und wir nicht noch mehr Zeit verlieren würden. Was für ein Glück!

Oh guck mal, ein Hobbit…..-Fuß
Am nächsten Tag stellte ich erschreckend fest, dass ich einen extrem angeschwollenen, leicht bläulichen Fuß hatte. Da erinnerte ich mich an den Insektenstich vor zwei Tagen in den Dünen, bei unserer letzten Nacht in Frankreich, der so ewig nicht aufgehört hatte zu bluten und so sehr juckte. War wohl doch kein Mückenstich gewesen!

Und nun hatte sich der Fuß auch noch richtig schön infiziert, denn mein Leistenlymphknoten war auch auf Fingergröße angeschwollen. Spätestens jetzt war ich definitiv der Pechvogel der Tour! Ich schaffte es dennoch den Schmerz einfach ignorierend bis zum nächsten großen Ort, wo ich bei der Frühstückspause kurz abklappte.

Zum Glück fing ich mich recht schnell wieder, doch Alex war es zu riskant und er beschloss, dass wir auf dem kürzesten Weg nach Rotterdam radeln, um dort dann einen Zug für die letzten Kilometer nach Amsterdam zu nehmen. Die umständliche Busverbindung von Amsterdam über Hannover nach Berlin, buchten wir deshalb nun auch schon einmal sicherheitshalber.

Mir gefiel diese Idee von vornherein schon nicht, doch er hatte sicher Recht, dass es nicht so schlau wäre, mit Verdacht auf Blutvergiftung noch 130 km gegen den Wind, bei knallender Sonne bis nach Amsterdam zu radeln. Soviel medizinisches Verständnis hatten die beiden Medizinstudenten dann doch schon!

Mit jedem Kilometer Richtung Rotterdam ging es mir besser und so wollte ich es doch noch irgendwie an diesem Tag nach Amsterdam schaffen und trat ordentlich in die Pedale. Nur jetzt hatte Alex keinen Bock mehr, schon gar nicht auf diese Hetzerei nach Amsterdam und ließ sich zurückfallen. Mittags erreichten wir endlich Rotterdam und ich musste einsehen, dass wir es so nicht mehr nach Amsterdam schaffen würden.

Die letzte wilde Nacht naht
Wir entschieden nach einer langen Pause und einem ausführlichen Brainstorming, die Busse um ein paar Tage nach hinten zu buchen und ganz entspannt nach Amsterdam zu fahren, um dort noch einen Tag zu verbringen: Nun waren wir wesentlich entspannter und konnten Rotterdam, eine wirklich tolle, junge und schöne Stadt, richtig genießen.

An diesem Tag fuhren wir dann noch über Den Haag zurück ans Meer bis 40 Kilometer vor Amsterdam und fanden in der großartigen Dünenlandschaft vor Nordwijkne eine Campingmöglichkeit für die letzte wilde Nacht in absoluter Freiheit. Beim Sonnenuntergang sprangen wir sogar nochmal ins Meer! Was für eine geile Tour!

Am nächsten Morgen frühstückten wir mit frischen Brötchen und original holländischem Käse, frisch vom Laib hauchdünn abgeschnitten, um den Endspurt nach Amsterdam anzutreten. Die Niederlande haben uns super gut gefallen und wir werden sicherlich noch einige Male zurückkehren. Für Radfahrer gibt es viele perfekt ausgebaute Wege, wunderschöne Landschaften, Meeresarme, Flüsse, Häuser, hippe, nette, entspannte Menschen und es gibt unglaublich viele schöne große Frauen! Viele Gründe um wiederzukommen!

Die Hauptstadt der Radfahrer: Zieleinfahrt in Amsterdam
Amsterdam erreichten wir gegen Vormittag und suchten uns schnellstmöglich einen Zeltplatz, um unsere Taschen loszuwerden und die Stadt richtig besichtigen zu können. Amsterdam ist echt genial und wunderschön. Wie Brügge, nur im Großstadtformat.

Und überall diese entspannten Menschen, die nach einem „Coffeeshop“-Besuch grinsend durch die Straßen gehen! Wir fuhren alle Grachten ab, besuchten das Anne-Frank-Haus, spazierten durch die Innenstadt mit seinem Rotlichtmilieu und den Kifferkneipen und, das darf ja nicht fehlen, bewunderten den Sonnenuntergang am Hafen. Danach genossen wir noch ein wenig das Amsterdamer Nachtleben und gönnten uns zum Abschluss der Tour einen Restaurantbesuch.

Alles hat ein Ende
Gegen 21 Uhr erreichten wir am nächsten Tag Hannover und suchten uns in einem Park ein schönes Plätzchen. Nach über 14 Tagen durchweg Sonnenschein, null Regen und am Tag mindestens 26 Grad gab es bereits auf der Autobahn, seltsamerweise ziemlich genau nach der deutschen Grenze, einen riesiger Wolkenbruch. War das ein Zeichen? Wir beide schauten uns daraufhin nur grinsend an…

Schnell hatte uns auch die Berliner Großstadt wieder, wir radelten noch gemeinsam zum Alexanderplatz, wo sich unsere Wege nach knapp zwei Wochen trennten und jeder erst einmal  wieder seinem eigenen Trott folgte. Bis zum nächsten großen Abenteuer auf unseren stolzen Rössern. Wieder einmal eine gelungene Tour, deren unvergessliche Eindrücke uns über die Zeit bis zum nächsten Abenteuer hinweghelfen werden.


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