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Einmal schnell weg bitte! Unterwegs auf dem marokkanischen Toubkal-Circle

Auf dem Weg nach Tachedirrt. Alle Bilder: Ben BiggelDie Tourvorbereitung war an Hand der folgenden Prämissen gesetzt: Nicht nur Schnee, lange in Ruhe wandern, Sonne und darf meinen kleinen Geldbeutel nicht zu sehr belasten! Ich hatte einige Ziele im Auge und erkannte schnell, dass die einfachste und schnellste Lösung wohl Marokko darstellt. Sonne, check! Wandern, check! Kleiner Geldbeutel, check!

Nun auch hier, wer die Wahl hat, hat die Qual. Ich habe mich gegen die Wanderung in den wirklich fernen, sehr menschenleeren Gegenden entschieden (Jebel Sarhro/ Jebel Mgoun/Jebel Sirwa) und mir die Rundtour um den Jebel (arabisch für Berg) Toubkal ausgesucht und in Angriff genommen.

Erste Schritte in die Berge

Flüge nach Marokko sind im Allgemeinen nicht teuer, bei entsprechender Planung. Die Fahrkosten sind ebenfalls nicht so teuer, wobei es nicht schaden kann ein bisschen zu recherchieren um sich nicht komplett über den Tisch ziehen zu lassen. Sprachlich notwendig sind Französischkenntnisse, schaden kann ein bisschen Arabisch auch nicht. Mit Englisch kommt man in den Großstädten immer weiter, auf dem Land wird’s schwer obwohl immer mehr, vor allem junge Menschen, Englisch lernen und sprechen können.

Nach der Ankunft in Marrakesch konnte ich nur einen Gedanken fassen, schnell weg und rein in die Berge! Vom Flughafen sollte man sich (gesetzt den Fall man ist alleine unterwegs) kein Taxi nehmen, denn es ist schlicht viel zu teuer und die Verhandlungsbasis die man hat ist sehr dürftig. Also rein in die Stadt mit dem Bus (25 Dirham) und von da ein Taxi Collectiv oder ein Grande Taxi Richtung Imlil nehmen.

Der einzelne Platz in einem der Gefährte sollte nicht mehr als 50-100 DH kosten, wobei der Tourist an sich ein bisschen mehr (100dh!) bezahlen kann und auch aufgefordert wird dies zu tun. Ob man dieses Spiel mitspielt, hängt auch daran wieviel Zeit man hat und wie sehr einem das Handeln bzw. Feilschen liegt.

Nach einer wahnsinnig(en) abenteuerlichen Fahrt über Asni in Imlil angekommen und das erstbeste Hotel bezogen. Auch hier: Keep Calm, keep Friendly, keep Haggling! 50-100 DH in der Nebensaison sind ok. Nach einer ersten recht kalten Nacht in einem nicht isolierten Zimmer ging es morgens los! Und dank meines Western Mountaineer Ultralight-Schlafsacks ging es mit einem Lächeln und wohl temperiert los!

Erhabenes Zelten

Von Imlil nach Tacheddirt ist ein angenehmer, relativ „humaner“ Einstieg ins Bergwandern. 600HM hoch, dann wieder 400 HM runter und wieder 400 HM hoch. Etwas umständlich, aber willkommen in den Bergen! Tacheddirt ist das höchste, ständig bewohnte Dorf in Marokko, so wurde mir gesagt.

Dort wurde ich durch einige Kontakte, die ich auf dem Weg knüpfte herzlich eingeladen in dem Garten einer sehr netten berbischen Familie zu schlafen. Mein Zelt unter den Walnussbäumen aufzuschlagen, die im Kaskadenverfahren seit Generationen bestehen und gepflegt werden ist schon ein erhabenes und beruhigendes Gefühl. Ben, die Geschichte schaut auf dich!

Der nächste Tag hielt eine schöne, anstrengende und lange Tour für mich bereit. Von Tacheddirt ging es auf den Pass Tizi Likemt (3,555m) um dann wieder 1300HM abzusteigen um in einem Sommerdorf Azib Likemt zu nächtigen.  Schwierig war der Weg nicht, wie immer auf dieser Tour, jedoch ziemlich anstrengend und fordernd.  Da ich in dieser Hinsicht jedoch gerne bereit bin mich ein wenig zu Piesacken ging ich den Weg mit Elan und der nötigen Portion Demut an.

Ab 3200 M ü.NN wurde der Weg etwas eingeschneit aber nichts was ein mehr oder weniger erfahrenerer Wanderer nicht schaffen könnte. Die Beschilderung/Markierung der Wege ist dürftig, aber mit Karte und Kompass und dem Ziel im Auge ist es nicht so schwer. Denn der Pfad ist Blindengerecht ausgetreten und stets sichtbar.

Der Abstieg ging ebenfalls auf gut ausgetretenen Serpentinen runter bis ich dann schließlich den Talboden erreichte und mein Zelt hätte aufstellen können. Ich liebe es in der freien Natur zu schlafen und das tat ich dann auch. Eine verlassene Hütte mit mehr oder weniger intakten Dach fand ich schnell und dort verbrachte ich die Nacht im Klang des Baches ohne jegliche störende Nebengeräusche.

Das glückliche Wanderherz des Ben Biggel

Der nächste Tag führte mich nach Amzouzart. Ein wunderbarer Weg, der sich lange in einem steilen Tal entlang windet und stets dem erfrischenden Gegurgel des Bachs folgt. Im Sommer kann ich mir gut vorstellen, dass ein kleiner Sprung in das kühle Nass absolute Erholung bietet.

Ende November mit eingeeisten Seitenkanälen, empfiehlt sich der Sprung in den Bach eher nicht. Aber hübsch sah er aus! Am Pass Tizi n’Ououraine (3,120m) angekommen hatte ich eine der besten Sichten auf das im Süden liegende Land! Weite, Ferne und neues Land, was will das Wanderherz mehr?!

Der Abstieg an sich stellte keine Schwierigkeit dar außer vielleicht die Länge. Ich folgte dem Pfad, der sich kontinuierlich den Berghängen fast Höhenparallel anpasste für etwa vier Stunden, bis ich im kleinen und ruhigen Ort Amzouzart ankam. Dort gönnte ich meiner Sonnen-über-verwöhnten Haut ein Zimmer in einem Gite d’Etappe. Auch hier wieder: Wer deutsche Gebäudeisolierungen sucht, wird bitterlich enttäuscht werden. Aber dank meiner Daunen hatte ich wieder keinerlei Probleme.

Des Weiteren war der menschliche Kontakt mit Houssein (dem Wirt der Gite) eine Abwechslung zu den vergangenen 48 Stunden ohne menschlichen Kontakt. Die Menschen vor Ort, leben zwar vom Tourismus, akzeptieren aber ebenfalls die Wanderer, die aus eigener Kraft unterwegs sind. Kein Wunsch wird abgeschlagen, auch wenn sie die Gründe nicht verstehen. Warum im Zelt schlafen, wenn ich auch ein Bett bekommen kann? Warum auf dem Gaskocher essen zubereiten, wenn es auch ein Restaurant gibt? Auch hier, keep Calm, keep Friendly!!

Stille herrscht über Menschen

Tags darauf stand der ‘Erholungstag‘ an. Nur 600 HM hoch und dann 200 runter und schon bin ich da! Bevor ich auf das Ziel treffe ich noch auf den Schrein von Sidi Ifni Marabout. Ein jeder Mensch kann sich dort für die Liebsten bedanken und den göttlichen Schutz für sie erbeten. Meinen Liebsten geht es prima, ergo funktioniert der transzendente Schutz! 😉 Ein natürlicher See auf 2300 ü.NN, türkisblaues Wasser, karste Umgebung und umgeben von Bergen jenseits der 3000m.

Ein Panorama zum Genießen und verlieben. Zumindest bis 18 Uhr, denn auch Berge werfen Schatten! Das Wasser des Sees war nicht sofort zu genießen (Bilharziosegefahr). Dank meines MSR-Filters hatte ich keine Probleme mit dem Wasser noch Wassermangel. Vor Ort kann man im Sommer wohl auch für Geld nächtigen und sich auch den Proviant wieder auffüllen. Im Winter jedoch herrscht hier die Stille über die Menschen! Was ein Traum!

Nach dem ‘Erholungstag‘ begann der längste und heftigste Anstieg. Um mit den Worten des Wanderführers zu sprechen, „you can take some comfort from the fact that any trekkers you meet travelling in the opposite direction are enduring one of the longest and most punishing ascents anywhere in the Atlas“. Motivierende Ansprache!

Vom Lac d’Ifni, der sich sehr schnell aus dem Blickfeld zieht und erst Stunden später wieder als Miniaturversion von oben zu sehen ist, geht es 1400m hoch, um auf den Pass  Tizi n’Ouanoums (3,664m) zu gelangen. Dieser Teil ist wirklich nichts für Wochenendwanderer.

Auf die Steigeisen fertig los

Der Weg ist nur dürftig markiert, würde auch nichts bringen, da das Geröll im Winter jegliche Markierungen wieder gen Tal treiben würde, sondern auch steil, steinig und kräftezehrend. Auch die Trittsicherheit des Wanderers und die Qualität des Schuhs wird stark getestet und auf die Probe gestellt. Wobei auf der anderen Seite die Aussichten mit jedem bestandenem Höhenmeter immer intensiver, weiter und schöner werden.

Mit einigen Walnüssen und ein wenig Brotzeit im Magen ließ sich die dünner werdende Luft und die klaren Gedanken sehr gut genießen! Abwärts ging es mit Steigeisen die ersten 200 HM verschneitem Weg wieder hinunter bis ich dann im Hochtal ankam. Von da aus ist es wiederum ein Spaziergang zum Refuge de Toubkal, der ältesten Schutzhütte/Refuge in ganz Marokko. Gegründet wurde diese Hütte, weil bei der Erstbesteigung des Jebel Toubkal (durch Europäer) das Wetter umschlug und die Jungs ganz elendig in einer Höhle übernachten mussten und froren.

Auf dem Höchsten Berg Nordafrikas

Dann kam das Highlight der Tour. Die Besteigung des höchsten Bergs von Nordafrika! Im Gegensatz zu vielen Gipfelstürmern die ich bisher traf, ist mir die aufgehende Sonne auf der Spitze des Berges nicht so wichtig. Dem folgend konnte und wollte ich mich nicht um 02:00-03:00 Uhr morgens auf den Weg machen. Ich wollte in Ruhe, in meinem Schritt die letzten 1000 HM zum Gipfel hoch.

Es wurde dann auch nicht 06:00 Uhr sondern 7! Klingt vielleicht wie Blasphemie in den Ohren vieler Gipfelstürmer aber so bin ich! Ich hatte damit den Vorteil, fast 80% der Tagestouristen vor mir zu haben und mein Tempo laufen zu können. Durch die Tage zuvor war meine Höhenakklimatation voll ausgeprägt und ich hatte keinerlei Probleme mit der ansteigenden Höhe, im Gegensatz zu vielen Menschen, denen ich begegnete.

Der Weg nach oben ist nicht so schwer wie erwartet. Die ersten 200-300 HM sind schön steil und Felsig, danach kommt es nicht mehr so knüppeldick. Es geht immer schön Richtung Himmel aber alles machbar! Den Schneebelag Ende November konnte ich ohne Steigeisen erklimmen, wobei der Abstieg ohne die Schuhunterstützung  ziemlich haarig werden dürfte. Ich hatte sie an und kam gesund, heiter und glücklich wieder im Refuge an.

Das Gipfelkreuz, im Fall des Jebel Toubkal ein Gipfel-Drei-Bein, ist meist gut besucht. Das liegt nicht an einer möglichen Seilbahn, sondern an den geringen Anforderungen an den Wanderer auf dem Weg zur Spitze. Den Weg nach oben finden alle möglichen Leute. Gut ausgerüstete Bergsteiger, Normale Fernwanderer und neuerdings auch Heerscharen von Marokkanern, die den Reiz der Berge beginnen zu entdecken, wohlgemerkt in Sneakers und Joggingjacke.

Aber (fast) alle schaffen es und alle sind glücklich oben zu sein! Ich war es auch, denn ich bin schon viele Kilometer durch die Gebirge der Welt gewandert, aber höher als an diesem Tag war ich noch nicht und werde es so schnell nicht sein, denn bekanntermaßen ist der Weg das Ziel!

Nach dem Abstieg blieb ich, im Gegensatz zu vielen anderen, noch eine Nacht im Refuge. Erst am nächsten Tag stieg ich nach Imlil ab – dem Startpunkt der Tour – und fuhr zurück nach Marrakesch um noch einige schöne Tage in einer gänzlich anderen Umgebung zu haben. Es lohnt sich!

 

Fazit: Wer ein bisschen Zeit hat und Freude am Wandern, dem kann ich den Trip um den Toubkal nur herzlichst empfehlen! Einige wunderschöne Tage in Mitte des Nichts (im Winter), Sonne satt und doch nicht zu heiß! Mitbringen sollte ich außer einer adäquaten Ausrüstung (v.a. warmer Schlafsack, Wasserfilter und Steigeisen) ein bisschen Basiswissen über das Wandern in den Bergen und die Nutzung eines Kompass und Karte! Und wer noch nie über 4000 m ü.NN war, sollte den Weg auf jeden Fall einschlagen, denn so einfach wird’s nicht mehr!


One Response to Einmal schnell weg bitte! Unterwegs auf dem marokkanischen Toubkal-Circle

  1. Heinz und Ilse Kaiser says:

    Es wird wohl 4-5Jahrzehnte zurückliegen, daßwir die erste von vielen Toubkal-Touren machten, und es war immer wieder ein Erlebnis – jetzt habe ich 93 Jahre und denke in München an diese Zeit zurück +
    es war pfundig! Ein besonderer Dank an unsere damaligen Begleiter und Betreuer, z.B.an Lahcen.
    Heinz und Ilse Kaiser aus München

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