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Klettern an messerscharfem, viel zu schönen roten Kalkgestein

Klettern in Marokko: Es war warm in der Todraschlucht. Fotos: Juliane GerhardtCAMP4 Mitarbeiterin Juliane ist dem Winter entflohen, um in Marokko zu  klettern. Die Mehrseillängen der Todraschlucht sollten es werden. So machten sich vier Kletterwütige auf in die Berge und fanden ein wunderbares Gebiet inmitten von heißem Wüstensand und glutrotem Kalkstein.

März – Es war mal wieder Zeit für Urlaub, 2015 sollte ein Kletterjahr werden. Immer nach dem Motto, ein Jahr wandern, ein Jahr klettern, wandern, klettern. So lautet seit einigen Jahren meine Devise. Leider klappt das nicht immer, aber manchmal eben doch.

Zunächst ein kurzer Überblick über die gegebenen Umstände und die Beteiligten:

  • Marokko
  • zwei Wochen Zeit
  • drei Jungs und ein Mädel bedeutet zwei Seilschaften
  • vier Halbseile, Gurte, Kletterschuhe, Exen ohne Ende und ein paar Cams
  • ein kleiner verbeulter Mietwagen
  • und eine krasse Kamerausrüstung (leider nicht die Fotos die ihr hier zu sehen bekommt, die stammen von meiner Knipse), die zu häufigen „Halt mal an, ich will den Sonnenuntergang fotografieren“ führte

Die hohe Kunst vom Warten

Zusammen fliegen fanden wir langweilig, also trafen wir uns in Marrakesch am Flughafen, wo einige der Beteiligten mehr Zeit verbrachten als ihnen lieb war. Nach einem eindrücklichen Spaziergang durch das abendliche Marrakesch bekamen wir nach langem Bangen am nächsten Mittag, wenn auch einige Stunden später als geplant, die Schlüssel zu unserem bereits im Voraus reichlich zerbeulten kleinen Mietwagen in die Hand.

Normalerweise kann man in Marokko auch problemlos sehr gut per Bus oder Sammeltaxe in die meisten Gebiete gelangen, aber wir wollten schließlich jeden Tag klettern und mussten daher spontan mobil sein. Zusätzlich für den Mietwagen sprach die Tatsache, dass es in unserem ursprünglich geplanten Gebiet Schneefälle gab und wir uns spontan umentschieden. Umso besser für mich, denn meine Freude mit eiskalten Fingern zu klettern hielt sich in Grenzen und die für mich geplanten Routen waren schon so schwer genug. Wir entschieden uns also spontan um und steuerten die deutlich tiefer gelegene Todraschlucht an.

Ohne Navi, ohne Karte und ohne Arabischkenntnisse brauchten wir geschlagene zwei Stunden um die richtige Straße ins Atlasgebirge zu finden. Unsere eingerosteten Französischkenntnisse aus der Schule waren keine Hilfe und so raubte uns das „um-Marakesch-herumgegurke“ beinah den letzten Nerv.

Aber wer sucht, der findet ja bekanntlich auch: Wir brachen, wenn auch etwas später als erwartet, wohlgemut in die gewaltigen Berge des Atlas auf. Es hatte auch ungefähr eine Stunde gedauert, bis wir den Ortsnamen Ouarzazate annähernd so aussprechen lernten, dass man verstand wohin wir eigentlich wollten.

Hallo, ich bin die Fatima

Da wir bis spät in die Nacht fuhren, rollten wir unsere Schlafsäcke kurz hinter der Schlucht dicht neben der Straße auf. Es wurde kälter als erwartet und mein Schlafsack war vermutlich der einzige, der warm genug war. Und so war ich auch die einzige, die überhaupt schlief. Während die drei Jungs morgens schlecht gelaunt und verfroren aus ihren Säcken krochen.

Doch der Anblick der blanken Felswände ließ die kalten Herzen bald höher schlagen. Wir steuerten den vor der Schlucht gelegenen Ort an und stolperten in die erste Klettererunterkunft direkt am Eingang zur Schlucht. Und wie sollte es auch anders sein, hier trafen wir gleich zwei altbekannte Berliner Klettergesichter. Hach wie klein die (Kletter-)Welt und so…

Voller Elan bezogen wir nach Rücksprache mit unseren neuen, alten Freunden die Unterkunft „Chez Moha“ ein wenig weiter im Dorf. Ein kleines Familienhostel mit Frühstück und Abendessen, guter Laune und den besten Gastgebern. Denn auch in der Nacht suchen sie in den Bergen nach verschollenen Gästen. Hier wurde ich kurzerhand in Fatima umbenannt, wie übrigens auch alle anderen weiblichen Gäste in der Unterkunft. Eine Namensänderung, die mich den ganzen Urlaub begleiten würde. Wie hieß ich gleich nochmal?

Mit gerissenen Bändern am Überhang

Ändern wir die Perspektive und schauen als Juliane auf die Geschichte: Die vier Berliner wollten ja eigentlich klettern und nicht in Hostels abhängen. Ohne Fußschiene machte sich Fatima auf den Weg. Sie war ein bisschen übermütig, denn ihr Arzt meinte, sie kann die Schiene abnehmen und das obwohl der Bänderriss erst sechs Wochen her war. Ob das die beste Idee war, wird sich noch zeigen. Das momentan viel akutere Problem bestand in den großen grauen Tropfen, die vom Himmel fielen.

Aber gut, in der Schlucht hatten sie eine Höhle gesehen, ziemlich überhängend, da sollte es erstmal hingehen. Immerhin war es dort trocken. Fatimas Bedenken hinsichtlich der Schwierigkeit des Überhangs, ihrem kläglichen Trainingszustand und ungeliebten Überhängen zurückdrängend, schmiss die Gruppe ihr Kletterzubehör und die Ausrüstung zusammen, schulterte die Rucksäcke und stapfte los.

Staunend betrachtete Fatima die links und rechts senkrecht aufsteigenden Wände, die sich gefühlte hunderte Meter in den Himmel reckten. In diesem Moment durchzuckte sie ein unbeschreiblicher Schmerz, sie jaulte laut auf und befand sich in der nächsten Sekunde zusammengesackt und fluchend am Boden. Willkommen in der Realität, kleine Fatima.

„Fatima-Guck-in-die-Luft“ hatte ein Schlagloch übersehen und war mit dem noch nicht verheilten Bänderriss umgeknickt. Den Tränen nahe schnallte Fatima ihre Schiene um und sah ihren Kletterurlaub schon den Bach runterrauschen. Dennoch biss sie die Zähne zusammen und fotografierte die Jungs bei ihren ersten Kletterversuchen in der Höhle. Das war sowieso alles zu schwierig für Fatima.

 Messerscharfer marokkanischer Kalk

Kurze Zeit später entdeckte Fatima, dass die Sonne außerhalb der engen Schlucht bereits wieder ihre Strahlen gen Erde schickte. Sie meldete an, lieber im Warmen statt in der zugigen Höhle zu klettern. Also nahm sie sich ihren Sicherungsmann ins Schlepptau und watetet mutig durch den Fluss. Angekommen am eben erspäten leichten Sektor konnte die ganz besondere Liebe mit dem messerscharfen, feingemaserten, marokkanischen Kalkstein beginnen. Übrigens klettert es sich hervorragend, wenn die Fußschiene einfach über die Kletterschuhe geschnallt wird.

Die nächsten zwei Tage tanzte das Quartett Sportkletterrouten verschiedener Sektoren hinauf, die alle fußläufig zu erreichen waren. Abends kamen die vier dann hungrig und zufrieden in ihre Unterkunft, wo sie mit Berberwhisky (süßer grüner Tee mit Minze) und großen Salattellern (ohne grünen Blattsalat) verköstigt wurden. Die traditionelle Tajine tat ihren Rest um vier kletterwürtige Großstädter glücklich zu füttern. Besonders beeindruckt war die kleine Fatima von der warmen Dusche der Herberge, denn um das Wasser zu erhitzen, musste stets erst eine Ladung Holz verbrannt werden.

Neuer Tag, neues Glück: Nach einem Berberomlett zum Frühstück sollte es an diesem Tag an die ersten Mehrseillängentouren gehen. Zum Einstieg für Fatima im leichten 6er-Bereich mit vier Seillängen. Eine Traumtour. Nach dem vierten Klettertag in Folge bluteten allen die Finger und Fatima hatte es bereits geschafft eine ihrer Kletterhosen zu zerreißen. Das mit den blutenden Fingern ist übrigens nicht sinnbildlich gemeint, sondern wortwörtlich. Der Kalkstein hobelte den Städtern förmlich die Haut von den Fingerkuppen.

Ausflug in die Wüste

Aufgrund der wunden Finger kam der angekündigte Regentag nicht ungelegen und sie pausierten mit einem Ausflug in die Wüste, wo doch tatsächlich auch einige Tropfen fielen. Erst war Fatima gar nicht so wild darauf in die Wüste zu fahren, aber irgendwie verzauberte sie die Stimmung dort dann doch. Vor allem die Lichtspektakel waren sehr beeindruckend. Der Regen hatte die Straßen vollends überflutet und das kleine Transportmobil bekam noch eine weitere schöne Beule.

Reichlich Mehrseillängentouren und Sportklettereien standen auf dem Programm. Alles, was die geschundenen Finger noch leisten konnten wurde ihnen abverlangt. Zwei der vier ließen den Urlaub noch mit drei Tagen Strand in der Nähe von Agadir ausklingen. Hier erstand Fatima tonnenweise Pfeffer auf dem Markt und wurde zu einem Kamelritt eingeladen.

Allerdings war sie ein bisschen feige und schwang sich doch lieber aufs Pferd. Das führte dazu, dass Fatima drei Tage weder laufen noch sitzen konnte. Solch einen Muskelkater im Popo hatte sie nicht erwartet. Eigentlich wollte Fatima auch noch surfen, aber es gab kaum Wellen, so hatte sie eine gute Ausrede.

FAZIT: In Marokko kann man in der Todraschlucht nahe Tineghir hervorragend klettern. Mehrseillängentouren sind genauso zu finden wie zahlreiche verschiedene Sportkletterrouten, die Schwierigkeiten in allen Graden bieten. Die Skalierung ist in französischer Sprache.

Klettertopos bekommt man vor Ort. Es gibt zwei verschiedene, die unterschiedliche Sektoren abdecken, der schönere ist mit Fotos bebildert und in dem kleinen Klettershop bei Mohammed zu erstehen. Er hat viele Routen auch selbst erschlossen. Es gibt darin Angaben zur Absicherung und Schwierigkeitsgrad, bzw. Hinweise zur benötigten Seillänge.

Die meisten Sportkletterouten sind hervorragend durch Bohrhaken abgesichert, bei den Mehrseillängen ist es unterschiedlich, da kann der ein oder andere Camelot schon mal weiterhelfen.

Der Fels ist wie gesagt scharfer Kalk, aber zu schön, um ihn nicht anzufassen. Ich habe weit und breit keinen einzigen speckigen Tritt gesehen. Einen Helm und das richtige paar Kletterschuhe sollte man unbedingt immer dabeihaben, da sich in weniger bekletterten Routen durchaus mal ein Stein lösen kann und ein fester Tritt von hoher Wichtigkeit sind.

Eure Fatima 😉


One Response to Klettern an messerscharfem, viel zu schönen roten Kalkgestein

  1. Hans Scholze Hans says:

    Fatima ist ja wirklich ein hartes Biest;-) – toller Bericht, habe gleich Lust auf Klettern bekommen!

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