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Picos de Europa – Chronik eines Desasters

SliderPicosWarum es in Spanien zu Ostern schneit oder weshalb ich unbedingt noch mal in dieses winzige Hochgebirge möchte…darüber schreibe ich in diesem eindrücklichen Reisebericht, indem es mich zu Europas Gipfeln führte: Zu den Picos de Europa.

Die Picos de Europa – Europas Gipfel – heißen so, weil man sie bei klarem Wetter als angeblich als erstes sieht, wenn man mit dem Schiff den Atlantik von Amerika nach Europa überquert. Tatsächlich liegen die Picos nur wenige Kilometer vom Kantabrischen Meer entfernt und beeindrucken mit Gipfeln bis 2500 Metern Höhe.

Neben der historischen Bedeutung dieses Gebirges – im Jahre 722 begann hier die siebenhundert Jahre andauernde Reconquista Spaniens, also die Wiedereroberung der iberischen Halbinsel durch die Christen – bietet dieses geographisch sehr kompakte Kalksteinhochgbirge viele Reize für Wanderer und Kletterer.

Doch wie und warum kam ich auf die Idee in dieses abgelegene, sonst nur bei Spaniern bekannte und bei diesen auch populäre Gebirge, zu bewandern? Es war die Kombination aus meiner Anziehung zu den Bergen und der anstehende Besuch meiner Familie, die mich in Spanien besuchen wollte.

Sie sollten im wahrsten Sinne Opfer meiner Reisepläne werden, denn besonders meine kleinste Schwester hatte sich unter ihrem Spanienbesuch mehr Sonne und Strand als Schneeregen und nächtliches Frieren in einem zu dünnen Schlafsack vorgestellt. Doch wenn ich etwas unbedingt will, dann kann ich sehr stur sein …

Nasser Start und gutes Essen
Ok, ich gebe zu, die Wettervorhersagen waren bescheiden, aber ich wollte trotzdem unbedingt in diese Berge. Wir starteten also an einem verregneten Morgen eine mehrtägige Wandertour, die ich nach mühsamer Suche nach gutem Kartenmaterial und Wanderführer geplant hatte.

Der erste Tag bestand hauptsächlich aus einem endlosen Aufstieg, der immer steiler wurde und leider besserte sich auch das Wetter nicht. Der eigentlich wunderschöne Weg führte uns an einem unterirdischen Wasserfall vorbei und wechselte, nachdem die Baumgrenze überschritten war, in eine Wiesen-Alm-Landschaft auf der zarte lilafarbene Blümchen von Regentropfen überzogen glitzerten.

Leider konnte man aufgrund der Wetterverhältnisse nicht besonders gut sehen und irgendwann fragte ich mich, warum eigentlich mein Hintern beim Laufen auch nass wird. Ich weiß, dass einige mich jetzt für verrückt erklären werden, aber es war die Milch, die wir eingepackt hatten, damit morgens der Kaffee besser schmeckt.

Der Deckel war aufgegangen und hatte den gesamten unteren Teil meines Rucksackes durchnässt. Nachdem ich in einer Zwangspause alles behelfsmäßig gereinigt und ausgewrungen hatte, war auch meine Laune im Keller, da ich absolute Eispfoten hatte. Meine beiden Schwestern waren indes schon missmutig vorausgestapft, schließlich fehlte nun sogar die Milch für den Kaffee.

Am frühen Nachmittag erreichten wir völlig durchgenässt, und trotz des Anstiegs verfroren, einen idyllischen Bergsee an dem 300 Meter entfernt eine kleine Hütte stand. An dieser Stelle sei gesagt, dass ich kein Fan von Berghütten bin, ich hab in den Bergen gerne abends meine Ruhe und genieße die Stille vor meinem Zelt.

Aber dennoch befanden wir uns in einem Zustand, der sofort nach einer heißen Schokolade verlangte. Nachdem wir uns aufgewärmt hatten, das Wetter aber immer noch nicht besser wurde und unser Zelt von der vergangenen Nacht noch nass war, beschlossen wir die Nacht in der Hütte zu verbringen.

Beste Entscheidung der ganzen Wanderung! Die kleine heimelige Hütte bot sowieso nur neun Stockbetten und außer uns war nur noch ein älteres spanisches Pärchen da. Nach wohlschmeckender Verköstigung der bodenständigen derben nordspanischen Küche schlüpften wir also, nun etwas besser gelaunt, in die Betten.

Nebel, Wolkenlöcher und die Caresschlucht
Am nächsten Morgen regnete es immerhin nicht mehr und wir brachen etwas besser gelaunt die längste Tagesetappe an. Ich war voller Vorfreude, denn an diesem Tag sollte ich den höchsten Gipfel des Gebirges zu Gesicht bekommen: Der Pico Uriello oder auch Naranjo de Bulnes ist das Wahrzeichen schlechthin.

Dieser Gipfel sieht sehr besonders aus und ist nur kletternd mit mindestens fünf Seillängen zu erklimmen. Ein Gipfel, der ganz oben auf meiner Liste steht. An diesem Tag sollte ich ihn jedoch nicht sehen. Auf dem höchsten Pass unserer Wanderung herrschte eine Sichtweite von zwanzig Metern und Schneeregen, da schmeckte nicht mal die Schokolade besonders gut.

Später rissen die Wolken dann doch mal kurz auseinander und gaben den Blick auf die extrem steilen Kalkwände und unwirtlichen Gipfel  frei. Wir erhaschten einen kurzen Blick auf den besonderen Charakter dieser Berge, bevor wir einen 600 Meter megasteilen Horrorabstieg begannen. Dieser führte über ein riesiges Geröllfeld und brachte uns in die sehr bekannte Caresschlucht.

An dieser Stelle schwächelte ich mit Abstand am meisten und war schon völlig fertig mit den Nerven als wir in der Schlucht ankamen. Aber dann waren wir in der Schlucht, die das Gebirge zweiteilt und so steil ist, dass der Weg auf mittlerer Höhe teilweise aus der Wand herausgeschlagen wurde. Völlig fertig bauten wir am Abend unser Zelt auf und verschlangen jeder eine riesige Portion Couscous, auch wenn die Konsistenz nicht stimmte und beim Verzehr mehr lauwarm als heiß war.

Schnee und Resignation
Nach einem kurzen Frühstück im Zelt, weil es schon wieder regnete, brachen wir erneut auf. Meine kleinste Schwester hatte die Nacht gefroren und war dementsprechend sehr schlechter Laune. Aber da wusste sie noch nicht, was uns in der folgenden Nacht erwarten sollte.

Heute war jedenfalls der Weg weniger herausfordernd und als gegen frühen Nachmittag Schneeregen einsetzte, kehrten wir im nächsten Ort zu Mittag ein. Wir wärmten uns auf und hielten Lagebesprechung. Nachdem unsere Mägen mit asturischem Blauschimmelkäse geschlossen waren, musste auch ich einräumen, dass das Wetter subotimal war. Gemeinsam entschieden wir die geplante Route zu verwerfen und auf kürzestem Wege den Rückweg anzutreten.

Das bedeutete, wir mussten am morgigen Tag versuchen die Straße zu erreichen, die wieder auf die andere Seite des Gebirges führte, denn dort wartete unser Gefährt. Wir liefen also am Abend noch ein Stück weiter, bevor wir auf einer Wiese unser Zelt aufstellten. Meine Schwester schlug das Angebot meiner Mutter aus, die Schlafsäcke zu tauschen, was bedeutete, dass sie eine weitere Nacht frieren würde. Immerhin fror so die Mama nicht.

Kapitulation
Am nächsten Morgen hatten meine Schwestern beide schlechte Laune, weil sie des Nachts sehr froren und kaum schliefen. Die Erklärung dafür war einfach, die Schafsäcke waren zu dünn, die Isomatten auch und als wir aus dem Zelt kamen, war alles von einer weißen zehn Zentimeter dicken Schneedecke bedeckt.

Es sollte schnell losgehen, in der Hoffnung  das Bewegung die verfrorenen Gließmaßen wieder durchbluten lassen würde. Wir erreichten einen Aussichtspunkt und die Stimmung stieg, stand uns doch nur noch ein halber Wandertag bevor. Dann rutschte ich auf dem Schneematsch einmal blöd aus und mein Knie muckte auf. Ab dem Zeitpunkt war ich mit Abstand die Langsamste von uns Vieren und humpelte hoffnungslos hinterher.

Irgendwann errreichten wir die Straße. Von dort wollte ich am nächsten Tag versuchen zum Auto zu trampen und die anderen abzuholen. Aber vorher brauchten wir mal wieder ein Plätzchen für unser Zelt. Wir mussten also noch mal raus aus dem Ort, dabei liefen wir einer größeren Wandertruppe in die Arme.

Ich unterhielt mich ein Weilchen mit dem Bergführer und erzählte von unseren Problemchen. Am Ende bot er an zu schauen ob in ihrem Reisebus noch ein paar Plätze frei waren. Und juchu, es waren genau vier! Wir waren am abend also schon deutlich näher an unserem Auto als erhofft.

Abends schlugen wir unser Zelt in der Nähe eines Baches auf, nachdem wir beim Campingplatz wieder weggeschickt worden waren, weil er erst nächste Woche aufmachte. Es regnete mal wieder oder besser es schüttete. Diesmal tat ich kein Auge zu, ob der Wassermassen die sich auf unser Zelt ergossen. Ich hatte Angst, dass der ganze Abhang über uns abrutschen könnte und uns begraben würde.

Natürlich passierte das nicht. Aber der zahme Bach vom Vorabend erwieß sich am nächsten Morgen als reißender verschlammter Fluss. Nach einem weiteren zweistündigen Marsch erreichten wir unser Auto und fuhren schnurstraks an die Küste, wo das Wetter bereits deutlich freundlicher war und wir einen niedlichen Campingplatz an der asturischen Steilküste fanden. HIer erholten wir uns zwei Tage von den unwirtlichen Bedingungen in den Picos. Wir waren sogar baden und fanden Zitronen…

Eure Juliane

PS: Mittlerweile sprechen meine Schwestern wieder mit mir.

PPS: Ich muss unbedingt noch mal in die Picos de Europa. Ich will den Naranjo de Bulnes ersteigen. Ihr solltet den mal googeln, dann versteht ihr mich.

PPPS: Man sollte vielleicht nicht zu Ostern in die Picos. Aber im Sommer ist es in Nordspanien aufgrund des Atlantiks auch erträglich warm und das Wetter hält sich oft sogar bis in den Oktober.

PPPPS: Es gibt einen guten Wanderführer von Rother zu den Picos de Europa und man kann hervorragend Hüttentouren oder Tagesstouren machen. Karten bekommt man Caín de Valdeon, genauso wie Gastkartuschen etc. Klettern kann man sportlich oder alpin, ganz wie man wünscht.


One Response to Picos de Europa – Chronik eines Desasters

  1. Micha says:

    Wenn du den Naranjo de Bulnes angehst, komme ich gerne mit!

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