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Der Nordkalottleden – ein (unvollendetes) Wintermärchen

Die ersten Kilometer sind noch etwas zäh. Alle Bilder: Maik Britze und Johannes AhrensDer Nordkalottleden führt seit 1993 im hohen Norden Skandinaviens auf rund 800 Kilometern durch die Länder Norwegen, Finnland und Schweden. Er beginnt im Norden im norwegischen Kautokeino und endet im Süden im ebenfalls norwegischen Sulitjelma. Dabei passiert er insgesamt 15 mal die Grenzen dieser drei Länder. Unser Plan war es mit Ski und Pulken vom schwedischen Björkliden gen Norden, ins finnische Kilpisjärvi zu laufen. Soweit der Plan…

Bereits viele Male waren Joh und ich im skandinavischen Winter unterwegs. In diesem Jahr wollten wir gemeinsam die weiße Wildnis durchstreifen. Es sollte eine landschaftlich ansprechende und nicht zu stark frequentierte Route sein, schließlich ist es Urlaub und da braucht man ja auch mal Ruhe. So fiel unsere Wahl auf diesen Abschnitt des Nordkalottleden, da er durch die wilderen und als menschenleer bekannten Fjellregionen führt.

Norwärts mit dem Bus

Es ist in einer Freitagnacht Ende Februar, als Joh und ich von unseren Frauen zentralen Busbahnhof an der Berliner Messe abgesetzt werden. Beladen mit zwei vollbepackten Pulken, zwei Skisäcken und zwei Rucksäcken nebst einer Tasche voll mit Lebensmitteln entern wir den tschechischen Reisebus, der uns nach Stockholm bringen wird.

Ich war im Vorfeld schon ein wenig skeptisch, sechzehn Stunden mit dem Bus durch Dänemark und Schweden bis nach Stockholm zu fahren, um dort am Samstagabend pünktlich den Nachtzug nach Björkliden, hoch im schwedischen Norden, zu erreichen…

Zum Glück sind nicht viele Passagiere im Bus, so dass wir jeder einen Doppelsitz in Beschlag nehmen können. Die Nacht ist lang, nur mäßig bequem und wird nur von einer kurzen Fährpassage  von Puttgarden nach Rødby unterbrochen. Den Sonnenaufgang können wir bereits auf der Øresundsbrücke zwischen Kopenhagen und Malmö genießen.

Nur unterbrochen von einigen kurzen Pausen geht die Fahrt durch das südliche Schweden, bis wir schließlich am Nachmittag Stockholm erreichen. Während Joh mit dem Gepäck am Bahnhof auf den Zug wartet, mache ich noch schnell ein paar kleine Einkäufe und fröne einer alten Tradition und besorge uns zu Beginn der Tour Zimtschnecken und Kakao, bzw. Kaffee für Joh.

CAMP4 ist überall

Als der Nachtzug einfährt und wir uns auf die Suche nach unserem Schlafabteil machen, stolpern wir zufällig über eine unserer Ladenverleihpulken, die wir zwei Tage zuvor verliehen hatten. So klein ist die Welt. Apropos klein, auch unser Schlafabteil glänzt nicht grade durch Größe und so nutzen wir jedes Fleckchen aus, um unser Gepäck unter zu bekommen.

Die Nacht ist zum Glück ruhig und die Betten im Nachtzug sind deutlich bequemer als die Bussitze. Die Freude ist riesengroß, als wir am Sonntagmittag endlich Björkliden erreichen und die Ski unterschnallen können um hinunter zum Torneträsk zu starten, welcher unser erstes Etappenziel darstellt.

Meine neuen Wachs-Ski gleiten einfach toll auf dem verschneiten Eis und wir machen Kilometer um Kilometer. Jedoch nicht, ohne uns immer wieder herumzudrehen und die Aussicht auf das Abiskofjäll im Süden zu genießen. Es dämmert bereits, als wir beginnen, die Zelte im Windschatten einer kleinen Insel aufzubauen.

„Toll – toll – toll!“

Schnell stellt sich eine gewisse Routine ein, die uns die nächsten Tage begleiten wird. Bei Kerzenschein und im Licht der Gaslaterne wird das Zelt eingerichtet und die Nacht bricht herein. Wir genießen ein ausschweifendes Abendessen mit Knäckebrot, Frischkäse, Oliven, Trekking-Food und Kuchen.

„Toll – toll – toll!“ ist eins der Zitate, welches uns bis zum letzten Augenblick der Tour begleiten wird! Draußen vor dem Zelt hören wir den Wind über das Eis fegen, aber die Insel gibt uns in unserem Hilleberg Kaitum perfekten Windschutz.

Den kommenden Tag starten wir bei strahlendem Sonnenschein. Die Schlafsäcke werden gelüftet, wir kochen Suppe für das Mittagessen und packen alles zusammen. Zum Schluss werden nur noch schnell die Ski gewachst. Doch was ist das? Die Bindung von Johs linkem Ski ist total locker…

Notdürftig schrauben wir sie fest und machen uns auf zur Pålnostugan, welche eh auf dem Weg liegt. Dort wird es hoffentlich etwas zum Reparieren geben… Nach wenigen Kilometern haben wir die Anhöhe, auf der die STF-Hütte erbaut ist, erklommen. Wir inspizieren sie und finden – leider keinen Leim – aber immerhin eine Schachtel mit Streichhölzern. Damit lassen sich die lockeren Schrauben schon mal wieder ein wenig fixieren.

Ein Hoch auf die Gemütlichkeit

Was wir leider auch nicht finden ist der markierte Weg hoch in die Berge. So folgen wir einer Skooterspur, die grob  in unsere Richtung verläuft. Kurz nachdem wir die norwegische Grenze passiert haben, wollen wir unseren Augen nicht trauen, als sich die Scooterspur einen fast senkrechten Hang hinaufzieht.

Wir schauen links und rechts, aber auch dort gibt es kein Durchkommen. Und so bleibt uns nichts anderes übrig, als die Ski abzuziehen und die Pulken zu Fuß zu zweit den Hang hinauf zu wuchten. Aber da das Ende des sichtbaren Berges ja nun mal nicht immer dem Ende der Steigung entspricht, verläuft der Rest des Tages kaum weniger Steil.

Die Dämmerung ist schon hereingebrochen, als Joh einen geeigneten Platz für die Nacht ausmacht. Es lebe die Routine, also schnell das Zelt aufgebaut und eingerichtet. Auch heute Abend machen wir es uns wieder gemütlich.

Zuerst gibt es eine heiße Blaubeersuppe, dann eine Vorspeise in Form von Kartoffelpüree und Suppe und dann wird ein weiterer Hersteller für Trekking-Nahrung getestet. Schließlich sind wir ja nicht nur zum Vergnügen hier, das ist schließlich auch eine ordentliche Ausrüstungs-Testtour 😉 Zum Nachtisch gibt es noch einmal Miris leckeren Kuchen.

Wald, Nebel und tückische Schneewechte

Der nächste Tag beginnt mit der Suche nach dem Weg, was aufgrund des Birkenwaldes, in dem wir hier stecken, nicht ganz einfach ist. Aber die richtige Richtung ist bald ausgemacht und wir bahnen uns den engen, verschlungenen Weg mit den Pulken durch das Birkengestrüpp den Berg hinauf.

Je höher wir kommen, umso schlechter wird die Sicht, da nun zu allem Überfluss auch noch Wolken aufziehen, die das Ausmachen der eh schon schlecht zu erkennenden Wegmarkierung des Sommerweges noch erschwert. Ein Winterweg ist erst gar nicht markiert. Aber wir entdecken nach einiger Zeit endlich einen Wegstein und freuen uns, den Weg gefunden zu haben.

Leider soll dies die einzige Markierung sein, die wir heute finden und so folgen wir unserem Instinkt, der leider im Nebel nicht unbedingt der beste zu sein scheint, so dass wir uns in immer steileres Gelände begeben.

Irgendwann beschließen wir, dass es so nicht weitergehen kann und wollen „einfach“ der Höhenlinie folgen, was sich aber wegen der doch recht ordentlichen Hangneigung als nicht ganz einfach herausstellt. Auch Johs Skibindung müssen wir immer wieder nachschrauben und die Tatsache, dass ich nur Kurzfelle dabei habe – Zitat mehrerer Skiberater in Deutschland: „Kurzfelle reichen da völlig aus!“ – macht den Weg nicht unbedingt einfacher.

Nach Stundenlangem „im Nebel stochern“ “ – eine riesige Schneewechte sehen wir erst im letzten Augenblick – beschließen wir, das Zelt aufzubauen. Ich gebe zu, an diesem Abend völlig ausgepowert zu sein. Aber bald faucht der Kocher und es wird gemütlich im Zelt.

 Das schönste Schauspiel des Nordens

Als wir in die Schlafsäcke kriechen wollen gehe ich noch einmal vor’s Zelt und bin überwältigt von dem sich bietenden Ausblick. Der Himmel ist aufgerissen und Sternenklar, der Vollmond bescheint ein unglaubliches Panorama und über allem zieht sich ein riesiges Polarlicht über den gesamten Himmel.

Joh, der schon im Schlafsack verschwunden war, lässt sich nicht lange bitten und wir bestaunen weiter gemeinsam dieses Schauspiel. Erst Stunden später kriechen wir schließlich in die Schlafsäcke. Wer hätte geahnt, dass dieser Tag noch so spektakulär enden würde!

Der nächste Morgen erwartet uns mit Sonnenschein und bizarren Schneegebilden, die sich durch die Luftfeuchtigkeit und den Frost an Ski und Spannschnüren gebildet haben – und der Aussicht auf unsere verschlungenen Pfade des Vortages. Aber dafür lässt sich nun eine Linie von Wegmarkierungen ausmachen und der heutige Weg ist für’s erste einmal gut zu erkennen.

Unser Weg zieht sich die Bergflanke hinauf und entlang des Grates. Oben angekommen werden die Skifelle in den Pulken verstaut und Johs Bindung ein weiteres Mal festgeschraubt. Was nun folgt ist der pure Skifahrerwahnsinn! Wir gleiten die Hänge durch unberührten Pulverschnee hinunter und können diese unglaublich schöne Landschaft und die Weite einfach nur genießen.

Aufstehen üben

Kurz bevor wir die Bergflanke wechseln passieren wir eine kleine Ferienhaussiedlung. Leider ändert sich hier der Schnee komplett und vor uns liegt ein riesiges Gebiet mit völlig vereisten Wechten. Wir haben kaum noch Halt auf dem Eis und ständig bleiben die Pulken hängen, kippen um und geben einem von hinten kräftige Stöße, wenn sie ins nächste Tal rutschen.

Nur so lässt sich erklären, dass ich jetzt doch einige Male das Aufstehen üben darf. Es wird richtig anstrengend und macht deutlich weniger Spaß. Zwischenzeitlich überlege ich, ob ich das Skilaufen verlernt haben könnte. Aber auch Joh hat zu kämpfen und das beruhigt mich ein wenig.

Die Dämmerung ist schon weit fortgeschritten und der Vollmond beleuchtet unseren Zeltaufbau. Aber schließlich ist alles fertig und es wird wieder angenehm wohlig im Zelt. Bei einer meiner heutigen Aufstehübungen muss ich mir das Knie wohl verdreht haben, denn es ist ein wenig dick und ich scheine eine leichte Prellung darin zu haben. Aber egal, Probleme mit den Knien hatte ich schon immer wieder mal, und so bin ich mit Voltaren und Kniebandage vorbereitet.

Der nächste Morgen ist kalt und windig, aber das kann uns nicht schrecken. Der nun kommende Weg verdirbt uns beiden aber dann doch nochmal kurzzeitig die Laune, da die vereisten Wechten nun auch noch Seitenlage bekommen. Und so geht es die ersten Kilometer erst einmal ohne Ski vorwärts.

Als der Schnee wieder besser wird ziehen wir in weiten Bögen hinunter ins Tal. Innset liegt nun zu unserer Linken und wir schlagen den Weg auf den Altevatnet ein und folgen der Scooterspur über das Eis nach Osten.

Vorahnung trifft Realität

Wir kommen gut voran und gegen Mittag verlassen wir den markierten Weg und schlagen einen Weg nach Norden in Richtung der Gaskashytta ein. Unsere heiße Suppe genießen wir in einem kleinen Bachtal bei strahlendem Sonnenschein. Nun geht der Weg wieder durch die Birken.

An der Hütte stoßen wir auf eine frische Skispur. Kurz zuvor muss hier jemand mit seinem Hund entlang gekommen sein. Wir folgen der Spur hinunter ins Tal, um auf der anderen Bachseite wieder vor einem Steilhang zu stehen.

Ich ahne nichts Gutes, als wir uns die Wechte hochkämpfen, denn mein Pulkagurt hatte am Morgen erste Auflösungserscheinungen gezeigt. Und es kommt, wie es kommen muss, die D-Ringe, an denen das Zugestänge hängt, reißen heraus, als ich mitten am Hang bin.

Geistesgegenwärtig bekomme ich die Pulka noch zu fassen, bevor sie wieder zu Tal rutschen kann. Aber nun muss ich sie mit den Händen hochziehen. Mist… Joh ist schon längst oben und hat einen Lagerplatz gefunden. Aber die letzten paar Meter hilft er mir beim Ziehen.

Getrübter Blick

Von hier oben haben wir eine tolle Aussicht und genießen diese auch ausgiebig, während wir das Zelt für die Nacht herrichten. Im Zelt ist es urgemütlich und der nun von der Seite auffrischende Wind kann uns nichts anhaben. Nun macht sich der doppelte Gestängebogen im Zelt bezahlt und gibt uns auch in dieser Nacht, trotz des immer stärker werdenden Schneesturmes, Schutz und Geborgenheit.

Im Licht der Zeltlaterne wird der Pulkagurt repariert, aber ich beschließe, ihn am Ende der Tour in Kilpisjärvi zu verbrennen. Dieses Teil hat leider jedes Mal neue Schwachstellen.

Als es Zeit für die Schlafsäcke ist, beginnt dann mein für den Abend fruchtloser Versuch, die Kontaktlinsen rauszunehmen. Naja, die Finger sind kalt, das Licht und der Spiegel nicht so überragend, also verschiebe ich das mit der linken Linse nach zahlreichen erfolglosen Versuchen auf den nächsten Morgen.

Als ich aufwache merke ich schnell, dass da was mit dem Auge nicht stimmt. Es ist rot und schmerzt ganz ordentlich. Also schnell raus mit der verbliebenen Linse. Aber leider wird das nichts. Nach gut zwei Stunden (Joh hat inzwischen mehrfach Wasser zum Ausspülen gekocht und auch versucht, die Linse zu fassen zu bekommen) geben wir auf und es beginnt der erste Kriegsrat.

Weitergehen und eine Entzündung im Auge riskieren oder die Tagesetappe zurück nach Innset laufen? Dort gibt es vielleicht einen Arzt, der die Linse entfernen kann und wir können morgen weiter… Schweren Herzens entschließen wir uns, vernünftig zu sein und den Arzt zu suchen.

Trauriger Rückzug

Wir packen zusammen, wachsen die Ski und machen uns auf den Rückweg. Dabei trösten wir uns mit: „Wer weiß, wofür es gut ist…“ und „Die Berge liegen hier schon seit zehntausenden von Jahren, wir kommen einfach wieder!“ Aber es ist doch ein blödes Gefühl. Wir gehen beide nicht gerne unfertig zurück…

Der Wind der letzten Nacht hat leider um 180 Grad gedreht und kommt nun genau von vorne. Außerdem ziehen über den Bergen vor uns Wolken auf. Wir sputen uns, doch es hilft nichts. Zweimal erwischt uns der heute doch sehr nasse Schnee von vorne und Joh freut sich, die Regenhose doch noch eingepackt zu haben. Naja, so hat diese wenigstens einen Sinn.

Als wir zurück in Innset angekommen sind, stellt sich heraus, dass auch dieser Ort mehr oder weniger nur aus Wochenendhäusern besteht. Aber wir haben Glück und finden einen älteren Herren, dem Joh unsere Situation schildert. Toll, wenn man der Landessprache mächtig ist. Ich verstehe nur Bahnhof, da meine Schwedischkenntnisse hier nicht weiterhelfen.

Nach kurzer Frage-Antwort-Runde: „Gibt es hier einen Arzt?“ – „Nein!“, „Gibt es hier einen Bus zu einem Arzt?“ – „Nein, nicht mehr um diese Uhrzeit!“, telefoniert der Mann kurz, holt dann seinen Bulli und wir dürfen einladen. Nach einer dreiviertelstündigen, für Joh und seine Reisekrankheit sehr herausfordernden, Autofahrt mit einem Affenzahn durch die vereisten Serpentinen ins Tal werden wir in den Reisebus eines Freundes umgeladen und dieser fährt uns eine weitere dreiviertel Stunde bis zum Feldlazarett von Setermoen.

 Im Lazarett

Da die Sprechstunde heute erst um 17.30 Uhr, also erst in etwa zwei Stunden, beginnt, laufen wir die zwei Kilometer bis in die Stadt und suchen uns ein Hotel. Dort richtet Joh sich schon mal ein, isst seine Mittagssuppe und kann die Dusche genießen, während ich mich wieder ins Lazarett aufmache.

Die Formalien sind schnell erledigt (Hinweis der Schwester: „Der Arzt spricht leider kein Deutsch, nur Englisch“ – „Kein Problem, Englisch ist völlig okay“), bin ich auch schon dran. Die medizinische Ausrüstung erscheint mir etwas vorsintflutlich, aber der junge Arzt weiß wohl, was er tut. Nur Englisch spricht er leider auch nicht… Mit Händen und Füssen verständigen wir uns, bis die Krankenschwester genug davon hat und dolmetscht.

Die Versuche des Arztes mit Ausspülen scheitern genauso wie unsere vom Morgen und letztendlich bringen nur eine Lokalanästhesie und ein Wattestäbchen den nötigen Erfolg. Aber das Ergebnis zählt. Ich bekomme noch ein paar Augentropfen und gute Tipps („Sie sollten keine Zugluft an das Auge kommen lassen…“) mit auf den Weg und nun warten auch endlich mein Mittagessen und meine Dusche auf mich. Wir verschieben den zweiten Kriegsrat bis nach dem Wetterbericht und dem Abendessen.

Der Beginn des Abendessens wird interessant, da Joh Vegetarier ist und die Karte, typisch norwegisch, nur Gerichte mit Fleisch oder Fisch enthält. Auf unsere Frage, ob es denn auch Gerichte ohne Fleisch gäbe, ist die Wirtin völlig überrascht und eigentlich fassungslos: „Ja was essen sie denn dann?“ Aber wir finden schlussendlich eine Lösung und können ein wirklich gutes Abendessen genießen.

Der Notfallplan tritt in Kraft

Der zweite Kriegsrat tagt und wir kommen zu dem Ergebnis, dass wir jetzt nicht mit einer Notlösung weitermachen wollen, sondern lieber abbrechen. Außerdem ist der Wetterbericht wenig zuversichtlich: starker Wind mit Sturmböen, Temperaturen über Null Grad und Regen. Und so suchen wir uns im Internet einen Bus für den morgigen Samstag nach Narvik und buchen die Fahrt mit dem Nachtzug nach Stockholm. Von dort soll uns dann wieder der tschechische Reisebus nach Berlin zurückbringen.

Alles scheint zu passen. Bis wir am nächsten Morgen an der Bushaltestelle feststellen müssen, dass der Bus am Wochenende nicht fährt, wer lesen kann, ist eben doch klar im Vorteil. Eine schnelle Lösung muss her und wir fahren mit dem Taxi bis zur Bahnstation nach Riksgränsen in Schweden. Unsere sicherlich teuerste Taxifahrt ever, 380,-€ für neunzig Kilometer, aber wir erreichen den Zug!

Wir beziehen unser Abteil und richten uns nach einem gar nicht so schlechten Essen im Bordrestaurant – und immerhin, die Schweden können vegetarisches Essen – für die Nacht ein. Am nächsten Morgen erreichen wir pünktlich Stockholm und können nach einem Frühstück am Bahnhof wieder den tschechischen Reisebus nach Berlin besteigen.

Die Fahrt ist unspektakulär, wir kennen sie ja bereits von der Herfahrt, nur dass der Bus diesmal wirklich voll wird (und es waren fast alles Tschechen, die aus Schweden nach Süden fahren!). Das Bordkino bringt dementsprechend heute Abend eine tschechische Komödie.

Auge gut, alles gut? Denkste.

Pünktlich zum Filmende erreichen wir den Fährhafen von Gedser. Von dort bringt uns die Fähre heute nach Rostock und nach gut zwei Stunden Fährfahrt haben wir wieder heimischen Boden unter den Rädern. Pünktlich um kurz nach ein Uhr am Montagmorgen können wir unsere Frauen dann am Berliner ZOB wieder in die Arme schließen. Zwar eine Woche zu früh, aber wir freuen uns dennoch alle.

Der Augenarzt gibt mir am nächsten Tag dann Entwarnung. Mit dem Auge ist alles okay. Nur das linke Knie schmerzt weiterhin und nach dem Besuch beim Orthopäden und einem MRT bekomme ich schließlich die Diagnose: mein Innenmeniskus ist gerissen. Das hatte gerade noch gefehlt…

Nun ja, da war er, der Grund, wofür diese blöde Kontaktlinse gut gewesen ist. Einen Tag weiter auf der Tour und es hätte kaum noch einen Weg zurückgegeben und ich hätte die Tour mit dem Meniskusriss zu Ende „laufen“ müssen.

Nun ist der Meniskus geflickt und ich hoffe möglichst bald wieder auf die Beine zu kommen. So lange sitze ich dann jetzt erstmal im Park von Sanssouci und genieße den Frühling.

Aber, ich werde wiederkommen – und hoffentlich ist auch Joh das nächste Mal wieder mit dabei, mit meinem schlechten Gewissen ihm gegenüber muss ich bis dahin wohl irgendwie leben… Aber toll, toll, toll war es!!!


3 Responses to Der Nordkalottleden – ein (unvollendetes) Wintermärchen

  1. Felix says:

    Hi, super Bericht, vielen Dank! Ich will Anfang April auch nach dort oben und mache mir Gedanken zu der Anreise. Wie war es mit der Pulka im Nachtzug in Schweden? Wo hast du das ganze Equipment hingepackt, alles in das Schlafabteil? Welche Art von Schlafabteil hattet ihr? Danke für deine Erfahrungen. Grüße, Felix

    • Dennis Dennis says:

      Hi Felix,
      hier die Antwort vom Autor des Artikels

      „Die Anreise von Stockholm mit dem Nachtzug ist gar kein Problem. Für mich gehört sie auch irgendwie mit dazu. Die Nachtzüge sind total gemütlich und es lässt sich gut mit ihnen reisen. Ich bin schon in den verschiedenen Abteilarten gereist. Im Sechserabteil gibt es auf dem Gang nicht allzugroße Gepäckräume und -fächer, in die man Ski und Pulka aber gut hinein bekommt. Wenn ich alleine unterwegs bin, finde ich die ganz okay, weil man dabei mit verschiedenen Menschen zusammentrifft. Dabei gibt es Toiletten und Waschräume auf dem Gang.
      In den Dreierabteilen ist es so, dass das Gepäck mit ins Abteil muss. Eine Pulka passt dabei unter die Sitze, eine zweite passt oben in das Gepäckfach, wobei da eine Handvoll Spanngurte gute Dienste erweisst. Wenn wir zu zweit unterwegs waren habe ich eher die genommen, da es dort etwas mehr Privatsphäre gibt. In den Dreierabteilen gibt es ein Waschbecken und außerdem gibt es für diese Abteile auch Duschen auf dem Gang.
      Also, Nachtzug und Pulka passt sehr gut!
      Ich hoffe, ich konnte Dir weiterhelfen.

      Die besten Grüße
      Maik“

  2. Anne-Barbara Bernhard says:

    großartiger Reisebericht. Ihr seid Helden.

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