Outdoor-Szene

Wie wichtig ist beim Zeltkauf die Wassersäule?

In Norwegen. Foto: Anja DischerDies ist eine Info für Zahlenliebhaber, die wissen wollen, worauf sie beim Kauf eines wasserdichten Zeltes achten müssen. Denn die Wassersäule gibt zwar an, wie dicht ein Zelt sein soll, aber inwiefern das tatsächlich der Realität entspricht, lest ihr hier:

Nehmen wir ein Beispiel aus dem Alpinismus: Es ist unzweifelhaft, dass der Uhuru Peak des Kilimanjaro mit 5.895 m deutlich höher ist als das Matterhorn mit 4.478 m. Weil aber die schiere Höhe für das Besteigen eines Berges nicht das einzig wichtige Kriterium ist, ist das Matterhorn mit dem Schwierigkeitsgrad UIAA III klassifiziert, der Uhuru Peak dagegen nur mit UIAA I.

Wer also die „Qualität“ des Matterhorns nur nach seiner Höhe beurteilt, liegt genauso falsch wie derjenige, der die Qualität der wasserdichten Beschichtung eines Zeltes nur an der Höhe der Wassersäule festmacht.

Zelten im Swimmingpool

Nicht alles, was zu dauerhafter Wasserdichtigkeit führt, lässt sich nämlich in der recht simplen Wassersäulen-Messung darstellen: Hierbei wird lediglich der Stoff einem Wasserdruck ausgesetzt, der dann der Anschaulichkeit wegen in mm-Wassersäule umgerechnet wird.

2.000 mm Wassersäule heißt also, dass das beschichtete Gewebe noch dicht hält, wenn eine zwei Meter hohe Wassersäule darauf lastet. Es ist leicht zu erkennen, dass diese Messmethode mit der Outdoor-Wirklichkeit nicht viel zu tun hat – wer baut schon sein Zelt im gefüllten Swimmingpool auf?

Die Angabe der Wassersäule ist als erste Orientierung zweifellos wichtig – danach aber ermöglicht sie in erster Linie, die richtigen Fragen zu stellen! Fragen nach dem Zeltstoff, nach der Art der Beschichtung oder nach deren Verarbeitung zum Beispiel. Da wird es dann wirklich technisch! Wem das zu sehr ins Detail geht, der sollte jetzt einfach schnell zum letzten Absatz springen.

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Zeltstoffe sind nicht dicht

Ob Leichtgewicht oder Festivalzelt, die Ausgangsmaterialien beim Bau von Zelten sind Polyamid (z.B. Nylon) oder Polyester. Polyamid ist stabiler, dehnt sich aber stärker bei Nässe als Polyester. Polyester ist dafür günstiger in der Herstellung. Im Außenzelt wird oft eine Ripstop-Variante benutzt, da der Stoff dadurch reißfester ist.

Beiden Geweben ist gemein, dass sie nicht dicht sind. Dicht werden sie erst durch die Beschichtung, die dann allerdings auch andere Eigenschaften des Basismaterials verändert. Dazu später mehr.

Auch dünn kann stark sein

Wie der Name schon sagt, sind Gewebe Webwaren. Man kann dickere Fäden nutzen für ein Gewebe oder dünnere und diese kann man dichter oder weniger dicht miteinander verweben.

Die Maßeinheit für Fadenstärke ist Denier (D), die Fadendichte wird in Threads per Inch (T) gemessen. Stoffe mit starken Fäden und hoher Dichte (z.B. 70D/240T) sind außerordentlich robust. Sie eignen sich zum Beispiel für Zeltböden. Da eine Beschichtung mit Polyurethan (PU) das Gewebe schwächt, muss für PU-beschichtete Stoffe ein besonders robustes Ausgangsmaterial verwendet werden. Das ist dann aber relativ schwer.

Stoffe aus besonders dünnen (bis 15D), eng verwebten Nylonfäden haben ebenfalls eine hohe Weiterreißfestigkeit und können zudem schon unbeschichtet Wassersäulen von 600–800 mm aufweisen. Sie eignen sich damit perfekt als sehr leichtes Außenzeltmaterial.

Wasserdichter Kleber: PU-Beschichtungen

Bei qualitativ hochwertigen Zelten spielen für die Beschichtung nur zwei Materialien eine Rolle: Polyurethan (PU) und Silikon (Si). Polyurethan füllt die Gewebezwischenräume des Trägerstoffes aus, verklebt die Fäden miteinander und schafft so eine absolut dichte, aber relativ starre Fläche, die im Neuzustand im Drucktester hohe Wassersäulen aufweist. In der Regel wird dabei nur die Innenseite des Materials beschichtet.

Auf die Außenseite kommt eine herkömmliche wasserabweisende DWR-Ausrüstung (durable water repellency). Diese lässt mit der Zeit nach und der Oberstoff kann Nässe aufnehmen. Mit einer Zeltimprägnierung kann jedoch der Abperleffekt des Außenstoffes immer wieder hergestellt werden.

Wassersäule

Eine hohe Anfangsdichte der PU-Beschichtung garantiert, dass während der Nutzung Abrieb und UV-Strahlung die Wasserdichtigkeit des Zeltes nicht beeinträchtigen. PU ist übrigens nicht gleich PU. Eine besondere Gefahr für Polyurethanbeschichtungen ist die Hydrolyse. Dieser Begriff bezeichnet die Auflösung der Beschichtung durch Eindringen von Wasser in deren Molekularstruktur. Gute PU-Beschichtungen zeichnen sich immer auch durch eine hohe Hydrolyseresistenz aus und sind teurer als hydrolyseanfällige Beschichtungen.

Eine Sonderform der Verwendung von PU zum Abdichten von Zeltstoffen ist die Laminierung. Bei ultraleichten Zelten werden auch die Böden aus sehr dünnen, dicht gewebten Stoffen hergestellt. Um hier mit wenig Zusatzgewicht eine deutlich höhere Robustheit und dauerhafte Wasserdichtigkeit zu erreichen, werden dünne Folien aus thermoplastischem Polyurethan (TPU) vollflächig aufgeklebt. Selbst der Kleber fungiert dabei als „Wasserdichtigkeits-Verstärker“, denn geklebt wird mit klassischem PU.

Löcher einfach „zureiben“: Silikonbeschichtungen

Silikonbeschichtungen sind die Alternative zu Polyurethan. Silikon ist kein „Kleber“. Wir kennen Silikon aus dem Baumarkt als Dichtstoff zum Füllen von Fugen oder aus der Küche, zum Beispiel werden flexible Backformen aus Silikon hergestellt. Silikon ummantelt die Fäden und verklebt sie nicht.

Dadurch bleibt deren Flexibilität erhalten. Die bewegliche Fadenstruktur führt zu einer überlegenen Weiterreißfestigkeit gegenüber dem starren PU-beschichteten Gewebe. Bei Silikonbeschichtungen können kleine Durchstiche, die die Fasern nicht beschädigt haben, sogar „zugerieben“ werden. Wenn ein Dorn durch dein Zelt gestochen hat, kannst du die Fasern wieder über das Loch schieben, bis es ganz verschwunden ist.

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Die Flexibilität der Fäden bewirkt jedoch auch, dass die Wassersäulenwerte nicht so hoch sind, da die Fäden durch den punktuell hohen Druck im Drucktester weggedrückt werden. In der Outdoor-Wirklichkeit tritt dieses Phänomen dagegen nicht auf. Aufgrund seiner guten UV-Resistenz wird Silikon auch außen aufgebracht. Da es sehr glatt ist und dadurch einen hohen, dauerhaft haltbaren Abperleffekt hat, entsteht auf dem Gewebe kein derart bedrohlicher Wasserdruck. Zugleich macht die äußere Silikonlage DWR-Ausrüstungen überflüssig und dient der Langlebigkeit des Gewebes. Silikonbeschichtetes Polyamid ist UV-beständiger als PU-beschichtetes Polyester!

Entdeckung der Langsamkeit

Beschichtungen haben den Nachteil, dass man in der Fertigung nur schwer kontrollieren kann, wie gleichmäßig sie aufgebracht werden. Deshalb entsteht eine qualitativ hochwertige Beschichtung immer durch das langsame Aufbringen mehrerer dünner Schichten. Nur so kann die Ungleichheit in den Höhen der einzelnen Schichten zuverlässig nivelliert werden. Bei silikonbeschichteten Zelten werden in der Regel innen zwei und außen eine extrem dünne Silikonlage aufgetragen.

Deutlich höhere Wassersäulenwerte als mit diesem Verfahren kann man mit einer preiswerten, dicken, schnell durchlaufenden PU-Beschichtung erreichen. Diese wird jedoch nicht nur sehr ungleichmäßig sein, sie schwächt auch das Trägergewebe und reduziert die Haltbarkeit des Zeltes.

Wie kommt es zu dieser Schwächung? Das Problem ist nicht das Polyurethan selbst, sondern die Hitze, die es zur Trocknung benötigt. Diese Hitze beschädigt in der Trocknungsphase den Trägerstoff und setzt seine Reißfestigkeit herab. Man kann die Hitzezufuhr deutlich minimieren, wenn man mehrfach langsam und dünn beschichtet. Die dicke und schnelle Beschichtung bei hoher Hitzezufuhr ist jedoch kostengünstiger und wird daher häufig bei Einsteigerzelten verwendet. Die Wassersäule im Neuzustand sagt nichts darüber aus, wie die Beschichtung aufgetragen wurde.

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Zeltpflege ist wichtig

Das Nutzerverhalten spielt übrigens auch eine maßgebliche Rolle für die Langlebigkeit jeder Beschichtung und damit der Wasserdichtigkeit. Hier ist mit einfachen Mitteln viel zu erreichen:

Säubern des Zeltes: Feiner Sand hat einen hervorragenden Schmirgeleffekt. Wenn er sich im Zelt zwischen Matte und Zeltboden sammelt, kann er die Beschichtung zerreiben. Vor dem Zusammenpacken, aber auch während längerer Aufbauphasen kann man den Sand aus dem Zelt herauskehren oder -schütteln und so die Beschichtung erhalten.

Toller Film: Cheryl Strayed (Reese Witherspoon) Wild im Zelt. Foto: 2014 Twentieth Century Fox

Schutz des Zeltes vor UV-Strahlung: Auf Touren werden Zelte meist nur nachts genutzt. UV-Strahlung spielt dann keine große Rolle. In einem Kletter-Basislager oder auf einem Campingplatz im Süden dagegen leidet das Zeltmaterial erheblich unter der täglichen UV-Bestrahlung. Hier helfen ein schattiger Stellplatz, ein Tarp oder eine Plane, die über das Zelt gespannt werden.

Lagerung des Zeltes: Unterwegs packt man schon mal ein nasses Zelt ein, um es abends wieder aufzubauen. Das macht gutes Material klaglos mit. Wieder zu Hause, sollte das Zelt aber noch einmal ausgepackt, richtig getrocknet und von Sand befreit werden, bevor es eingelagert wird.

Unsere Zelte sind dicht!

Ein Zelt muss dicht sein – da gibt es keine Diskussion. Aber nicht jeder will sich mit dem komplexen Thema Wasserdichtigkeit detailliert befassen. Und nicht jeder braucht ein absolutes Spitzenzelt, denn nur wenige Menschen setzen ihr Zelt wirklich extremen Bedingungen aus.

Genau deshalb wählen wir mit unserer Erfahrung aus der Outdoorpraxis und mit unserem Wissen über die Fertigungsprozesse neben Topmodellen eben auch Einsteigerzelte und vor allem etliche zuverlässige Allround-Tourenzelte aus, bei denen wir sicher sind: Die Qualität stimmt.

Lassen Sie uns also in der Beratung über Zeltformen reden, über die Handhabung beim Aufbau, über das notwendige Platzangebot oder über die Frage, was Sie unter „leicht“ verstehen. Eines sind nämlich alle unsere Zelte: Wasserdicht!

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4 Responses to Wie wichtig ist beim Zeltkauf die Wassersäule?

  1. Bera says:

    Wir haben das Skandika Gotland. Nach mehreren Urlauben und neidischen Blicken,bei Regen immer mit trockenen Knochen und gut gelaunten Kindern,möchte ich das Zelt nicht mehr missen.Bequem in der Höhe und durch die Bodenwanne immer allein und ohne Schnecken oder anderes Getier im großzügigen Innenraum untewegs.Wir haben auch nach Wind und Gewitterschauern in den Alpen ,immer noch keine undichte Stelle gefunden.Kann ich nur empfehlen.

  2. Niklas says:

    Wirklich guter Beitrag. Wenn ihr noch mehr Infos sucht könnt ihr gern bei meiner Website vorbeischauen. Wir versuchen ihnen den Zelt kauf zu erleichtern :)

  3. Ferdinand Schneider says:

    Danke für diese Informationen über die Wassersäule beim Zeltkauf. Ich mag es, wenn mein Zelt Wasserdicht ist. Deswegen werde ich auf alles sagen, was Sie hier gesagt haben. Danke!

  4. Asko says:

    Danke für die Infos. ich habe das Quickhiker 2 seit zwei Jahren und bin zufrieden. Das Zelt ist auch eher ein 1 Personenzelt. Die beiden Apsis sind sehr klein und reichen nicht für Satteltaschen. Also müssen die mit ins Zelt, was allein auch kein Problem ist. Sitzhöhe hat das Zelt wenn, du das Netz im Himmel nicht spannst. Regendicht und Sturmstabil für normales europäisches Wetter ist es auf jeden Fall.

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