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„Dem Großstadtgewimmel entkommen“

Auf ins hohe Atlasgebirge.Von Lissabon nach Marrakesch führte es unsere CAMP4-Expertin Birte. Die Reise begann Anfang März in Lissabon und endete drei Wochen später in Marrakesch. Dazwischen lagen geschätzte 1300 Kilometer mit Auto, Bus, Bahn und Wanderschuhen.

Am spannendsten in Portugal war tatsächlich die tägliche Schlafplatzsuche für zwei hungrige Personen, ein Zelt und einen Mietwagen. Wer die Einheimischen nach einem sicheren Plätzchen fragt, gewinnt z.B. eine schlaflose Nacht auf einem Acker mit kämpfenden nach Kühen klingenden Katzen auf der Peninsula de Troia. Oder eine unruhige Nacht hinter einem Kiosk an der Strandpromenade in Faro, wo die Müllabfuhr morgens um 4.00 wundersame Geräusche von sich gibt und die Rasensprenger schon vor Sonnenaufgang ihrer Pflicht nachgehen.

Zwischen Zelteaufbau, Espresso trinken und Nase verbrennen, gab’s viele Korkeichen, Stadtmauern, leere Geisterstädte, Küste und wildes Meer zu sehen. Zu empfehlen ist der Parqué Naural da Arrabida und die zahlreichen Ausblicke auf schroffe Klippen und blaues Meer. Wer im März badet, sei gewarnt: die Begrüßung des Atlantiks ist eher rau und kühl. Ich hab’s versucht und wurde fast verschluckt.

Aufgeregter Tausch in Marokko: Meer gegen Atlasgebirge

Von Faro ging es mit dem Bus weiter nach Sevilla sowie einen Tag später nach Tarifa, von wo wir am nächsten morgen die Fähre nach Tanger nahmen. Wer mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist, sollte ein wenig Zeit einplanen. Direkte Zugverbindungen gibt es auf dieser Route nicht.

Tanger überraschte uns, wider aller zuvor gelesenen Schreckensberichte, mit einer angenehmen Gelassenheit und freundlichen Taxifahrern, die uns bereitwillig den Weg zum Busbahnhof erklärten. Der Gare Routière ist nämlich nicht mehr – wie so manch ein Reiseführer auf schlechten Karten markiert – direkt gegenüber der Fähranlegestelle, sondern ca. eine halbe Stunde Fußweg vom Fährhafen entfernt in der Nähe des Place Jamia al Arbia.

Im Bahnhof gibt es ein wunderbares Bistro mit dem, wie wir am Ende feststellen durften, wunderbarsten Frühstück der ganzen Reise – frisches knuspriges Brot, farbenfrohe Oliven, frischer Minztee, Schokobrötchen und genialster Ziegenkäse.

Ran an den Berg

Nach Tanger kam Chefchaouen – ein kleines Städtchen an den Hängen des Rif-Gebirges, das mit seiner blauleuchtenden überschaubaren Medina das perfekte Basislager einer Marokkoreise bietet. Von hier aus kann man Tageswanderungen in die Berge unternehmen oder sich auf zahlreichen Dachterassen inklusive Bergblick an marokkanische Köstlichkeiten und Gepflogenheiten gewöhnen.

Das hiesige Busnetz ist so gut ausgebaut, dass man es sich sogar erlauben kann, zu spät zum Schalter zu kommen. Dann ergattert man allerdings nicht mehr eines der etwas teureren Tickets der Linie CTM, sondern darf statt mit Touristen, mit Einheimischen die Methode des hop-on/hop-offs kennenlernen und erhält einen eher langsamen dafür aber intensiveren Einblick in die ländliche Welt.

Über Fès, nach Chefchaouen eine Stadt anderer Größenordnung, mit mehr Märkten in einer viel größeren Medina mit noch mehr Menschen in engen Gassen, ging es weiter mit dem Zug nach Marrakesch. Zugfahren ist hier eine wirklich günstige Art zu Reisen.

Nach einer kurzen Rast in einer ziemlich vollen Stadt fuhren wir am nächsten Tag schnell weiter ins hohe Atlas-Gebirge. Von Marrakesch nimmt man am Besten ein Taxi nach Imlil. Die Suche nach einem Bus hat uns fast den Vormittag gekostet und war nicht erfolgreich. Außerdem passen in ein marokkanisches Mercedes-Taxi auch mal acht Leute. Die Nähe stört hier keinen. Stattdessen sitzt man Arm um Arm zu viert auf der Rückbank, erzählt sich Geschichten und freut sich über schnellen, günstigen Transport. Für knappe 70 Kilometer konnten wir dank der „vollen Beladung“ dann mit unglaublichen drei Euro pro Person auf das Atlasgebirge zu fahren und dem Großstadtgewimmel entkommen.

 Übernachtung beim Bruder des Schwagers gefällig?

In Imlil angekommen, überragt erst einmal die schöne Aussicht auf die bevorstehende Wanderung. Ganz schnell muss man sich dann aber stärken, Wasser kaufen und den Geschichten der „inoffiziellen“ Wanderführer – man komme nicht über den Pass, brauche Schneeschuhe und Begleitung, man könne die erste Etappe am nächsten Morgen erst beginnen und müsse noch eine Übernachtung (beim Bruder des Schwagers) einplanen – ausweichen.

Um sich davor zu retten, geht man am Besten in das offizielle „bureau des guides“ und holt sich verlässliche Informationen zur jeweiligen Route. Kartenmaterial gibt es schlechtes bis keines, selbst in Marrakesch reicht der Maßstab nicht aus, daher auch der örtliche Rat, sich einen offiziellen „guide“ zu leisten.

Wer sich auf der Route auch seines Weges sicher sein möchte, sollte sich vorab in Reiseführern informieren oder sich schon zu Hause Karten besorgen. Denn Schilder oder Hinweise gibt es keine. Man weiß erst, ob man richtig ist, wenn das nächste Dorf erreicht ist. Die im Reiseführer (Lonely Planet) beschriebene Route von Imlil nach Setti Fatma reicht aber aus, um sich nicht zu verirren. Die 30 Kilometer lange Wanderung ist für drei Tage ausgeschrieben. Wir haben sie trotz verspäteten Starts am Nachmittag in zwei Tagen geschafft. Sich die Tour auf mehrere Tage aufzuteilen, lohnt aber definitiv.

Die Tour in Etappen

Die erste Etappe führte uns 8 Kilometer von Imli nach Tacheddirt. Dort nächtigten wir in einer Art Herberge und schlugen uns abends als einzige Gäste die Bäuche mit frischer Tajine voll. Den abendlichen Ausblick von der riesigen Dachterasse, den Plausch im gebrochenen Französisch mit dem Besitzer des Tigmmi n’Tacheddirt und die sternenklare dunkle Nacht zwischen den Bergen waren einfach super.

Am nächsten Morgen begannen wir vom Ende des Dorfes (ca. 2300m) den Aufstieg zum Pass „Tizzi n’Tacheddirt“ (3230m). Wir haben ohne große Pause mit vielen Rückblicken und ein paar Fotos ca. drei Stunden gebraucht bis wir durch den Schnee des Bergrückens stapfen durften. Vom Pass ging es die nächsten drei Stunden steil bergab. Der Weg war oft schwierig zu erkennen, aber manchmal guckten blaue Steinmarkierungen durch den Schnee.

In Timichi, dem nächsten größeren Dorf mit Schlafmöglichkeiten, endete eigentlich Etappe zwei. Doch wir waren nicht erschöpft genug, um hier zu bleiben und entschlossen uns lediglich der Einladung auf Tee und Walnüsse anzunehmen.

Etappe drei folgte mit weiteren kurvenreichen 12 Kilometern bergauf und -ab durch die schroffe rote Berglandschaft, Berberdörfer und grünen Terassen entlang des Flusses. Der Reiseführer beschreibt diesen Teil als eher unkompliziert – immer den unbefestigten Straßen folgen – wir merken jedoch schnell, dass es möglicherweise noch einen Weg entlang des Flussbettes gibt, der einen schneller ans Ziel bringt.

Für angesetzte vier Stunden brauchen wir sechs und landeten müde und hungrig in der Dämmerung in dem eher uncharmanten touristischen Städtchen Setti Fatma. Auf einer durchgelegenen Matratze verabschieden wir uns – noch leicht zivilisationsscheu – von den hohen Bergen und der Stille.

Noch mehr Reiseberichte aus Marokko gibt es hier. Und auch Maloja hat seine komplette Kollektion ebenfalls in Marokko fotografiert.


2 Responses to „Dem Großstadtgewimmel entkommen“

  1. Andreas Hille andreas says:

    Gut geschrieben, Lesen macht Spass

  2. Sibille says:

    Liebe Birte

    Mit viel Freude habe ich deinen tollen Reisebericht gelesen !
    Auf den Beitrag bin ich gestossen weil mein Partner und ich nächsten Sommer eine fast ähnlich Reise mit dem Auto mit unserer dan 1 jähriger Tochter machen wollen.
    Nun meine Frage: wir sind zwar schon viel gereist aber in Marokko waren wir beide noch nie wie sicher ist die Reise ab dem Zeitpunkt wo man mit der Fähre in Marokko abgeht ?

    Ich danke vielmals für deine Antwort

    Herzliche Grüsse Sibille :-)

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