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Bei Ludger gibt es Steine statt Dias

Statt statt Dias. Alle Bilder: Ludger OfferhusMeine Steine wiegen zusammen mehr als ich selbst. Ich bin auch Geologe und ich erkenne einen schönen Stein oft schon aus der Ferne. Ich bleibe stehen und gucke ihn mir an. Wenn er nicht all zu groß ist, darf er mit nach Hause.

Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, Steine nur zu horten, bis ich vergessen habe, wo sie herkommen oder was es für Steine sind. Aber die Sammlung wächst weiter. Sie ist für mich wie ein Fotoalbum. Der Diaprojektor wird ohnehin gerade repariert, deswegen nehme ich hier zur Einstimmung auf die langen Winterabende ein paar Steine in die Hand.

Ein geologisches Handstück ist so, dass man es in einer Hand tragen kann. Hier geht das nur knapp. Und dieses Handstück ist nicht nur groß, es hat auch eine größere Dichte als die anderen und kommt aus dem oberen Mantel, aus einer Tiefe von mindestens 40 km.

Ein geologisches Handstück ist so, dass man es in einer Hand tragen kann. Hier geht das nur knapp. Und dieses Handstück ist nicht nur groß, es hat auch eine größere Dichte als die anderen und kommt aus dem oberen Mantel, aus einer Tiefe von mindestens 40 km. Es ist ein Peridotit aus dem Centovalli im Ticino (Tessin). Geologen kennen die Gegend als Ivrea-Verbano-Zone. Die Alpen haben hier das Unterste hervorgeholt. Als Maßstab dient das Schweizer Taschenmesser, wie das mein Vater auch immer benutzt hat. Nein, ein Erbstück ist es nicht, mein Vater schält seine Äpfelchen immer noch selber mit seinem Taschenmesser.

 

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Granit ist langweilig, zumindest für Strukturgeologen. Erst wenn er verformt wird, wird es spannender: als Gneis. Auch ist es gut, wenn der Granit zerfällt, zu Blockkaren zum Rumkraxeln oder Sandhäufen zum Buddeln. Aber der Granit kommt einfach zu oft vor. Er muss hier vertreten sein. Dies ist ein schöner Brocken aus dem Val Forno. Bergeller Granit; Die Hauptmasse liegt im benachbarten Bergell/Val Bregaglia. Feldspat, Quarz und Glimmer, viel mehr ist nicht drin. Und dazu Geschichten, über eine enorme zähflüssige Masse, die mitten in der Kruste steckengeblieben ist, und dann in Jahrmillionen erstarrt und an die Oberfläche gebracht worden ist.

 

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Wolpertinger vereinen in sich die Formen vieler verschiedener Tierarten. In der Geologie gibt es so etwas Ähnliches. Ophicalcite sehen so aus, als hätte der Schöpfer sich nicht entscheiden können. Die eine Hälfte dunkles Urgestein, entstanden aus geschmolzenem Gestein, die andere Hälfte hellgrauer Kalk, Reste von heruntergerieselten Kalkschalen von Meerestierchen. Ich stelle mir vor, wie der Basalt am Meeresboden bedeckt wird mit Sedimenten. Millionen Jahre später wird das Paket mitgefaltet und hochgehoben in den Alpen. Dieses Exemplar kommt aus der Schweiz, oberhalb von Arosa oder von Scuol, das weiß ich nicht mehr. Als Zierstein funktioniert die Mischung auch prima: Die großen Säulen in der neuen Nationalgalerie sind zum Beispiel damit verkleidet.

 

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Schottland hat viele ‚boggy grounds‘ (‚Ist das jetzt der Pfad oder ein Bachlauf?‘) und dazwischen jede Menge spannende Steine. Ich war vier Wochen zu Fuß unterwegs und hatte mich die ganze Zeit zurückgehalten. Der Rucksack war so schon schwer genug. Der letzte Tag führte durch das Glen Tilt, zwanzig Kilometer geradeaus bis Blair Athol. Neben dem Zeltplatz war ein kleiner Steinestrand am Flussufer, mit Beute für mich. Der River Tilt hatte mir die lästige Schlepperei abgenommen! Ein Granit, angereichert mit Stückchen fremdem Gestein. Prozessorientierung war damals der Trend in der Geologie. Ich kann den Stein nicht benennen, aber den Entstehungsprozess schon: ‚stoping‘. Irgendwo hört das Magma auf und stößt auf Umgebungsgestein. Wenn davon etwas abbricht und sich ‚untermischt‘, dann entsteht so ein Kuhfleckengestein.

 

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Die treuen Leser kennen diesen Windkanter schon. Der ist immer noch als Dauerleihgabe im Kinderzimmer. Aber hier darf er wieder zu seinem Recht kommen als Stein. Der Name bezieht sich nicht, wie sonst üblich, auf den Mineralinhalt oder das Gefüge, sondern auf die äußere, windgeschliffene Form. Die neuen Spielkumpels wollten wissen, wie so eine Form denn entsteht. Das haben wir also nachgestellt. (… Sandstürme in der periglazialen Trockenwüste, wo jetzt die Norddeutsche Tiefebene ist …)

 

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Die Landschaft zwischen Berlin und Rügen gleicht einem großen, bewachsenen Sandkasten. Die Nordhälfte von Bornholm aber ist schon Teil des baltischen Schildes, wo die Urgesteine wohnen. Da wollte ich natürlich hin. Der große Zeltplatz in Gudhjem hat verschiedene Reize: ein uraltes Grabfeld, Unmengen an Brombeeren (im Spätsommer), und ein Steinstrand mit lauter Brocken zwischen Faust- und Kopfgröße. Was gibt es da besseres als Steine-ins-Meer-Werfen? Die beiden Kurzen warfen selber, oder sie gaben mir die schönsten Steine, damit ich die gaaaaaanz weit weg ins Wasser werfen konnte. Meine Frau machte auch mit. Plötzlich watete sie ins Wasser rein und holte die Beute raus: ihr Stein war sauber in zwei Hälften gebrochen!

 

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Für dieses Bild musste ich leider ein bisschen schummeln. Dieser Plattenkalk kommt aus dem Altmühltal bei Solnhofen. Da kommt auch der Berliner Archäopteryx Lithographica her, den man im Naturkundemuseum bewundern kann. Schön wär’s gewesen, wenn ich am Wegesrand eine neues Exemplar gefunden hätte! Bei Camp4 ist das Tier übrigens bekannt unter einem Spitznamen: Arc’teryx. Die Kanadische Marke nutzt dieses älteste bekannte geflügelte Reptil als Leitbild, Wappentier und Namensgeber.

 

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Mal was ganz anderes: Ein Stein, der gar keiner ist. Eine Freundin von mir wusste, dass ich Steine sammle und sah in einem Schaufenster solche Steine. Dekoration, nicht zum Verkauf. Die Verkäuferin im Laden hat sich aber erweichen lassen und so landete der auf meinem Gabentisch und in meiner Sammlung.

 

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Die Felsen im Zittauer Gebirge sehen aus der Ferne genauso aus wie die im Elbsandsteingebirge. Es ist eben das gleiche Gestein, aber oberhalb von Jonsdorf ist es kompakter. Es bröselt nicht so wie Sachsenkletterer es gewohnt sind. Die Felsen sind hier gebacken worden. Um einige Vulkanische Schlote herum sind die Sandkörner viel fester zusammengekittet worden. So fest, das daraus Mühlensteine gemacht wurden.

 

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Früher gab es keine Handys mit GPS. Also konnte der Prof, der unsere Exkursion in der Normandie leitete, ein geheimes Ziel ansteuern. Wo der Bus hinfuhr, wurde nicht verraten. Wir stiegen aus und liefen an einer Steingrube vorbei zu einer Abraumhalde. Da oben lagen dicht an dicht abertausende kleine braune Ammoniten. Für den Grubenbesitzer nur Abfall und Beiwerk, für uns eine Schatztruhe. Jahre später freundete ich mich in Berlin mit einem Goldschmied an und nutzte die Gelegenheit. Dieser kleine Schatz hat jetzt einen passenden Rahmen.

Hier fehlen mindestens noch Basalt, Rhyolit, Scaglia Rossa, ‚bookshelve fracturing‘, die schönen geknautschten Gneise, die Kletterkalke aus Belgien (die hab ich auch nicht, als Handstück sind die langweilig), die Hühnergötter und den Rasselstein. Bald ist der Diaprojektor wieder da. Und nach der Weihnachtszeit suche ich die Kälte draußen wieder auf. Hoffentlich guckt dann ein Stein für die Sammlung aus dem Schnee hervor!

 


Mitarbeiter CAMP4

One Response to Bei Ludger gibt es Steine statt Dias

  1. Matthias Müller Matthias says:

    Unser Ludger – so steinreich!

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